Kapitel 27

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Owen warf seine Sporttasche auf den Beifahrersitz, bevor er den Schlüssel im Zündschloss drehte und die Hofeinfahrt verließ. Er musste sich konzentrieren die Straße nicht aus den Augen zu lassen, als seine Gedanken immer wieder abschweiften.

Heute würde er im roten Trikot auf dem Rasen stehen. Er durfte für Huntsville spielen und Punkte holen. Die Blicke der Scouts würde er dabei sicherlich nicht vergessen.

Sein Herz hämmerte in der Brust, als er die Highschool erreichte und sein Auto auf dem noch leeren Parkplatz parkte. Als er die Kabine betrat konnte er die Aufregung in der Luft spüren. Die Spieler gingen ihre gewöhnlichen Routinen vor dem Spiel durch und bemerkten nicht einmal den Platz, der nun von Owen eingenommen wurde. Zwar nutze er ihn schon während des Trainings, doch die Atmosphäre in der Kabine an einem Spieltag war etwas ganz Anderes.

Owen lächelte Anthony zu, der mit Logan die Kabine betrat. Sie unterhielten sich offenbar über irgendeinen Spielzug, wie Anthonys Hände, die er wild vor sich herumfuchtelte, verrieten. Logans Blick fand kurz Owen, er nickte ihm schnell zu und ging zu seinem Platz um sich die Ausrüstung überzustreifen.

„Und, aufgeregt Anderson?", rief Matt, der ein paar Sekunden nach Anthony und Logan die Kabine betrat. Seine blonden Haare standen wild von seinem Kopf ab.

Owen schüttelte lachend den Kopf. „Wieso sollte ich schon aufgeregt sein?"

Sie wussten alle, dass es eine Lüge war. Owen war in seinem Leben noch nicht aufgeregter gewesen. Ihm war ganz klar bewusst, dass dieser Abend über seine Zukunft entscheiden konnte.

Als er zum Aufwärmen die Kabine verließ und den Rasen des Footballfeldes betrat übernahm in das Gefühl, dass er all die Jahre schon kennenlernen durfte. Das angenehme Hämmern in der Brust, wenn alle Blicke auf das Footballfeld gerichtet waren. Die Vorfreude der Besucher und Spieler, da die Minuten bis zum Spiel gezählt waren. Ein Lächeln fand sich auf Owens Gesicht wieder, als er ein paar Bahnen über das Grün lief um seine Muskeln an die harte Arbeit, die ihm bevorstand, zu gewöhnen.

Er blickte kurz zur Tribüne, die sich schon langsam füllte. Die Footballspiele waren in Huntsville definitiv das Highlight der Woche. Seine Augen fanden Jessica, die in der ersten Reihe mit ein paar Schülerinnen plauderte. Ihre blonden Locken fielen ihr immer wieder ins Gesicht, als sie, während sie sprach, vor sich hin gestikulierte. Sein Blick streifte über ihre Sitznachbarinnen, doch das Gesicht, das er am meisten sehen wollte, konnte er in der Menge nicht erkennen. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als er die restliche Tribüne nach Amber absuchte. Doch ihre braunen Augen waren nirgends zu finden.

Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Rest der Mannschaft, die sich für das Spiel vorbereiteten. Sie wird schon noch kommen, dachte er sich, als ein Football in seinen Händen landete. Doch sein Herz rutschte ein wenig nach unten, als er befürchtete, dass sie ihn vielleicht nicht von der Tribüne aus unterstützen würde. Seine Augen schauten immer wieder zwischen dem Rasen, der Tribüne und der Uhr hin und her. Nur noch wenige Minuten und die Mannschaften würden sich nochmal kurz in den Kabinen zusammenfinden, um dann kurz darauf auf das Feld zu laufen und das Spiel zu beginnen.

Als er in die Kabine lief erhaschte er einen letzten Blick zur Tribüne. Ihm wurde wieder bewusst, wie wichtig der Abend war, als er die Gesichter der Scouts erkannte. Doch das war ihm im Moment egal. Verwundert wanderten seine Augen wieder zur Gruppe, der Jessica angehörte. Amber war immer noch nicht zu finden.

Sie hatte ihn doch sonst die ganze Zeit unterstützt, selbst als seine Lage hoffnungslos erschien. Wieso war sie dann bei seinem wichtigsten Spiel nicht anwesend?

***

Amber rannte die Treppen zu ihrem Zimmer hoch. Die Blicke ihrer Mutter und Schwester waren ihr dabei völlig egal. Sie wusste, dass ihr Verhalten Fragen aufwerfen würde, doch im Moment konnte sie an nichts Anderes denken als das Footballspiel, das schon bald vorbei sein würde.

Als sie ihre Autoschlüssel in ihre Handtasche stopfte wag sie einen neuen Blick auf ihr Handy. Sie hatte Jessica Bescheid gesagt, dass sie erst später kommen würde – den Grund hat sie für sich behalten. Seitdem lieferte Jessica ihr Updates im Minutentakt. Wie lange noch zu spielen war, wie der Spielstand war und ob Owen auf dem Rasen stand.

Amber musste sich beeilen, wenn sie noch das letzte Viertel sehen wollte. Also rannte sie in ihrem Zimmer umher um ihre Sachen schnell in ihre Tasche zu stopfen und lief einige Sekunden später wieder die Treppen runter. Ihrer Mutter gab sie gar nicht Zeit nachzufragen wo sie hinwollte, als sie das Haus schon verließ und sich in ihr Auto setzte.

„Komm schon", flüsterte sie wütend, als sie hinter einem langsamen Auto hinterherfahren musste. Ihre Geduld hatte eine Grenze erreicht. Alles was sie wusste war, dass Huntsville führte und Owen ein paarmal auf dem Rasen stand. Doch er hatte noch keine Punkte erzielt.

Das Auto bog endlich vor ihr ab und sie konnte wieder so schnell, wie es die Geschwindigkeitsbegrenzung zuließ, zu ihrer Schule fahren. Der Parkplatz war voll besetzt. Sie musste durch einige Reihen der Autos fahren, bis sie eine passende Lücke fand.

Kaum gab ihr der Verkäufer am Eingang des Stadions ihr das Ticket, rannte sie schon fast am Rasen entlang zu dem Platz, an dem sie Jessica vermutete. Sie nahm alles auf einmal wahr, aber trotzdem fühlte es sich so unwirklich an. Das Licht der Scheinwerfer flutete das Feld, Anfeuerungsrufe waren aus dem Publikum zu hören und immer wieder sah sie ein bekanntes Gesicht aus dem Augenwinkel.

„Hey", sagte sie also nur knapp, als sie Jessica endlich erreichte. Sie war zu sehr außer Atem, um noch mehr Wörter herauszubekommen.

Jessica grinste ihr zu. „Na endlich! Wo warst du?", fragte sie, ihre Aufmerksamkeit galt dem Footballfeld. Huntsville spielte gerade in der Verteidigung. Owen würde daher im Moment gar nicht auf dem Rasen stehen.

„Ach, meine Mom hat mich zu so einer Sache mitgeschleppt, aus der ich mich nicht mehr rausreden konnte", meinte Amber und zuckte mit den Schultern. Egal, wie wichtig ihr Jessica in den letzten Wochen geworden war, vertraute Amber ihr noch nicht das Verhältnis mit ihrer Mutter an. Also fasste sie sich nur kurz und tat so, als wäre alles ok und nur ein Missverständnis.

Jessica nickte kurz. „Zum Glück hast du nicht viel verpasst. Huntsville ist eindeutig besser. Ist ehrlich gesagt ein recht langweiliges Spiel."

Amber sah sich erneut um, da sich ihr Atem und ihr Herzschlag endlich beruhigt hatten. Huntsville führte. Und das nicht nur knapp. Mit 21 Punkten lagen sie klar vorn. Der Spielstand machte sich auch im Publikum bemerkbar. Die Besucher unterhielten sich ausgelassen, das Spiel war nur eine Nebenbeschäftigung. Ihre Augen wanderten über die Tribüne, ihr Atem stockte kurz, als sie bekannte Gesichter sah. An die Männer in den Anzügen konnte sie sich ganz klar vom Training erinnern. Das waren die Scouts der wichtigen Unis. Und sie waren hier um die Spieler der Huntsville High anzusehen. Um Owen anzuschauen. Ob er gut genug für ihre Mannschaften und sogar ein Stipendium war. Sie konnte ihre Gesichtsausdrücke nicht deuten. Einige schauten mit leeren Blicken auf den Rasen, andere waren mit ihren Handys beschäftigt.

Ihr Blick trennte sich von den Männern und wanderte zum Footballfeld. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Mund aus, ihr Herz klopfte wieder schneller.

Da stand er und schaute sie direkt an.

Owen hatte sich seinen Helm ausgezogen, als er eine Wasserflasche in der Hand hielt. Seine Augen blickten an dem Feld vor ihm vorbei und schauten direkt zu Amber. Seine Augenbrauen waren leicht über seinen dunklen Augen zusammengezogen, als er sie beobachtete.

Hail Mary | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt