Kapitel 28

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Seine Augen landeten auf ihr und er meinte sein Herz würde, nachdem es kurz stoppte, nicht mehr normal weiterschlagen. Die letzten Stunden war sein Blick immer wieder zu der Stelle neben Jessica gewandert, um eine Sekunden später wieder enttäuscht zum Rasen zu sehen. Jedes Mal, wenn er Ambers Gesicht nicht im Publikum saß, wurde sein Herz ein wenig schwerer. Er verstand einfach nicht, wieso sie nicht zum Spiel kommen wollte. Ohne ihm Bescheid zu sagen. Er dachte, es wäre ihr fast so wichtig wie ihm.

Doch als er nach einer gefühlten Ewigkeit endlich in die großen Augen blicken konnte, wusste er nicht wohin mit seinen Gefühlen. Eine Erleichterung hob sich von seinem Herz. Gleichzeitig übersprangen sich die Fragen in seinem Kopf. Owen wusste, dass er keine Zeit haben würde diese Fragen zu beantworten, als das Defensivteam vom Platz kam und nun Owen dran war seinen Helm wieder über den Kopf zu ziehen und sich auf dem Rasen zu beweisen.

Er wird sich noch die nächsten Jahre fragen, ob Ambers Anwesenheit eine magische Wirkung auf ihn hatte. Kaum war er auf dem Rasen, fing er einen langen Pass von Anthony und sprintete an den gegnerischen Spielern vorbei bis in die Endzone. Touchdown. Nicht nur irgendein Touchdown. Wie er den Ball fing und gekonnt die anderen Spieler austanzte war auf einer anderen Liga. Während den Sekunden spürte er, dass gerade etwas ganz Besonderes geschah. Und als er den Jubel der Mannschaft und der Zuschauer auf der Tribüne hörte wusste er, dass sie es auch fühlten.

Huntsville gewann das Spiel haushoch. Obwohl Owen nur einen Touchdown erzielte, war es der spektakulärste.

„Gute Arbeit, Anderson!", rief Anthony, als sie sich in der Kabine wieder die Straßenklamotten überzogen. Der Geruch von Seife und verschwitzten Trikots lag in der Luft.

Das Grinsen auf Owens Gesicht wurde breiter. „Ach, ich hab das doch nur wegen deinem Pass geschafft", sagte er schulterzuckend.

„Tu nicht so Owen. Mein Pass war echt nicht gut platziert, aber wie du den gefangen hast und über das Feld marschiert bist, war echt krass", meinte Anthony, während er sich seine Turnschuhe zuschnürte.

Owen wusste, dass Anthony recht hatte. Er hatte es gefühlt und so auch der Rest des Teams. Wenn sie sich an eines von diesem Spieltag erinnern würden, dann wäre es hundertprozentig Owens Touchdown.

„Bis Montag, meine Lieben!", rief plötzlich Matt, als er sich vor der Tür nochmal kurz zu den Anderen drehte, bevor er die Kabine verließ. Nacheinander machten es die anderen Spieler Matt gleich und ließen Owen alleine in der Kabine zurück.

Er war schon immer der langsamste in der Kabine gewesen. Er mochte die Minuten, die er nach dem Adrenalinschub, dass das Spiel ihm gab, alleine in der Kabine zu sitzen. Owen atmete tief durch, als er seine Tasche über seine Schulter warf und als letzter die Kabine verließ.

In Gedanken versunken lief Owen über den dunklen Parkplatz. Die kühle Sommerabendluft traf sein Gesicht. An manchen Autos standen noch Spieler mit Freunden oder Familie und unterhielten sich über das Spiel. Owens Finger spielten mit seinem Autoschlüssel, als er zu seinem alten Pick-Up Truck schlenderte.

„Hey", hörte er plötzlich eine leise Stimme. Sein Kopf bewegte sich so schnell nach oben, dass er sich fast den Nacken verengt hätte.

Ein Lächeln spielte sofort auf seinen Lippen. „Hey", antwortete er flüsternd.

Er war nur noch wenige Meter von seinem Auto entfernt. Sein Auto, an dem jetzt Amber lehnte und ihn mit schüchternem Blick beobachtete. Sein Körper funktionierte ohne zu denken, als er schnell die paar Schritte, die ihn von Amber trennte, hinter sich brachte.

Ihre Augen wurden größer, als er nur ein paar Zentimeter vor ihr stehen blieb und seine Hände in seinen Jeanstaschen vergrub.

„Wie geht's dir?", fragte er, weil er nicht wusste, wie er sonst das Gespräch beginnen sollte. Er wollte wissen, wieso sie fast das ganze Spiel verpasst hatte. Doch gleichzeitig wollte er ihr keine Vorwürfe machen, ohne ihre Gründe zu kennen.

Amber schluckte. „Ich, ähm, es...", stammelte sie, „es tut mich echt total leid", fügte sie hinzu. Die Worte kamen schnell aus ihr heraus, ihr Blick wanderte wieder zum Boden.

Owens Augen wichen nicht von ihr. „Ist alles ok bei dir?", fragte er besorgt.

Amber kniff ihre Augen zusammen, als sich ihre Augenbrauen tief zusammenzogen. „Es tut mir leid, dass ich fast das Spiel verpasst habe."

Owens Brust zog sich zusammen. Er spürte, dass es ihr nicht gut ging. Seine Finger wanderten zu der Haarsträhne, die ihr ins Gesicht fiel und strich sie sanft hinter ihr Ohr. Ihre Augen fanden seine. Große braune Augen starrten auf Owens Gesicht.

„Was ist denn passiert?", fragte er sie also nun besorgt.

***

„Was ist denn passiert?", fragte er leise, als seine Hand auf ihrer Wange liegen blieb. Die Schmetterlinge begannen wieder in ihrem Bauch wild umher zu fliegen.

Amber wusste nicht, wie sie ihm erklären sollte, was in den letzten Stunden in ihrem Leben passiert war. Wie die letzten Jahre dahin führten, wo sie an diesem Abend war. Sie wollte sich nur entschuldigen. Ihm zeigen, dass sie eigentlich für ihn da sein wollte. Dass ihre Abwesenheit nicht ihre Schuld war.

„Was machst du morgen?", fragte sie ihn stattdessen.

Owens Augenbrauen zogen sich tief auf seiner Stirn zusammen, als er versuchte ihren Themenwechsel zu verstehen. „Ähm, bis jetzt habe ich noch nichts vor", sagte er mit vorsichtiger Stimme.

„Hast du Lust was zu unternehmen?"

„Liebend gern", antwortete Owen. Sein Gesichtsausdruck verwandelte sich in einem Bruchteil von Sekunden. Seine Augenbrauen waren nicht mehr zusammengezogen, ein großes Lächeln war auf seinen Lippen zu finden.

„Weißt du, es tut mir so unglaublich leid, dass ich heute nicht da war", begann Amber. „Ich wollte wirklich für dich da sein, ich habe mich so auf das Spiel gefreut und dann...", sie stoppte kurz und sah zu Boden.

Owens Daumen strich über ihre Wange. „Hey, es ist ok", flüsterte er. Sie Stelle, an der seine raue Fingerkuppe sie berührte, begann zu kribbeln.

Ambers Augen waren glasig, als sie ihn wieder ansah. „Es ist nicht ok! Ich will's gut machen, wirklich. Ich dachte mir, dass wir morgen was machen könnten, so als Entschuldigung und..." Amber brachte keinen Ton mehr raus, als sie Owen ansah. Sein Mund formte sich zu einem Schmunzeln, während er ihr nicht mehr in die Augen sah, sondern sein Blick an ihren Lippen hängenblieb.

„Entschuldigung angenommen", flüsterte er nur, während er sich ihr vorsichtig näherte.

Amber spürte alles auf einmal. Das Kribbeln in ihrem Bauch, das Hämmern in ihrer Brust, Owens Hand, die sich in ihren Haaren vergrub und seine weichen Lippen, die sanft auf ihren landeten.

Ihr war vollkommen egal, dass sie sich mitten auf dem Parkplatz der Schule befanden. Dass jeder sie hätte sehen können. Ihr war egal, dass er sich ihre Entschuldigung nicht anhörte und ihr trotzdem verzieh. Das Einzige, worauf sie sich wirklich konzentrieren konnte war es ihn zurück zu küssen.

Während seine andere Hand ihren Hinterkopf fand und sich in ihren Haaren vergrub, schlang sie ihre Arme um ihn, um ihn noch näher an sich zu drücken. Seine Lippen waren weich auf ihren. Sie hätte eine Ewigkeit so verbringen können.


***

A/N: Es ist endlich passiert!

Ich liebe dieses Kapitel! Lasst doch ein Sternchen da, falls es euch genauso gut gefällt :)

Hail Mary | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt