Kapitel 5 - Viva Las Vegas

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Für die Nacht habe ich mir ein Appartement in der Nähe gesucht. Als erstes habe ich ein wenig Verbandszeug aus dem Spiegelschrank im Badezimmer genommen und ihn so gut es geht um meine Wunde gewickelt. Es brennt, aber es verhindert eine Entzündung, jedenfalls denke ich das mal. Mit einem Schwamm versuche ich das Blut von meiner Kleidung zu bekommen, aber so richtig funktionieren will es nicht. Ehrlich gesagt kann ich nicht einmal erkennen, was davon mein Blut ist, und welches den anderen gehört. 

Ich durchsuche die Wohnung und stelle in das Wohnzimmer alles nützliche, was ich auf den ersten Blick finden kann: Zwei Wasserflaschen, eine kleine Dose eingelegte Pfirsiche und zwei Batterien für die Taschenlampe. 

Ich öffne die Dosenpfirsiche und fange an ein wenig zu Essen, während ich mir die Bilder auf dem Wohnzimmerregal ansehe. Irgendwann werde ich langsam müde und ziehe mir wieder die Footballjacke über und breite mich auf dem Sofa aus. Ich spiele noch eine Weile mit dem Gedanken, morgen wirklich zu einem neuen Spiel zu gehen. Aber der Gedanke, in vier Tagen zu spielen beunruhigt mich mehr, als mich dem Morgen zu stellen. Die Zeit zwischen meinem ersten Spiel und dem eben war schrecklich. Ich konnte nicht entspannen und war die meiste Zeit nervös. Vier Tage sind einfach zu wenig und die Alpträume verfolgen mich jede Nacht. Das schlimmste an ihnen ist, dass wenn ich aufwache niemand da ist. Dann schalte ich immer die Taschenlampe an und brauche fast eine Stunde, um mich wieder zu beruhigen. 

Und diese Stille. Jede Nacht höre ich während den Spielen eine Explosion, einstürzende Gebäude und solche Dinge. Auch wenn ich schlafe werde ich durch das Licht der Reklamen geweckt oder wenn die Laser vom Himmel kommen und wahrscheinlich die Leute töten, dessen Visum abgelaufen ist. Bei diesen Gedanken sinke ich langsam in den Schlaf und zurück in meine Alpträume.

Ich wache so gegen Mittag auf und versuche mich irgendwie zu beschäftigen, um nicht zu nervös heute Abend zu sein. Ich esse noch ein wenig von den Pfirsichen und lese ein wenig in einem der Bücher hier. Als ich einen Gummiball unter dem Couchtisch entdecke werfe, ich ihn immer wieder an die Decke und fange ihn. Es ist das einzige, was mich wirklich ein wenig beruhigen kann. 

Als es beginnt dunkel zu werden mache ich mich bereit für das Spiel. Ich nehme eines der Messer und stecke es mir vorsichtshalber hinter meinen Rücken und werfe meine Sporttasche über meine Schulter. Ich entschließe mich, den kleinen Gummiball mitzunehmen um weiter ruhig zu bleiben. Ich achte auf meine Umgebung und etwas entfernt sehe ich eine leuchtende Reklame. Ich schlendere schon fast in die Richtung, weil ich das Gefühl habe, dass noch etwas Zeit verbleibt. Ich folge den Lichtmarkierungen zum nächsten Hotspot und sehe eine Menge Leute. Es müssen um die zwanzig Spieler sein und ich versuche mir einen gewissen Überblick zu verschaffen. Es gibt nicht viele Frauen, vielleicht fünft, der Rest sind Männer verschiedenen Alters. Ich kann einige Anzugträger entdecken, doch für den ersten Moment reicht mein Eindruck. Ich laufe durch die Lichtschranke und hasse schon jetzt diese Stille. Niemand spricht auch nur ein Wort und wartet auf den Spielanfang.

Plötzlich sehe ich ein bekanntes Gesicht, welcher von seinem Handy aufsieht und anfängt herzlich zu Lachen. Mehrere Leute sehen ihn verwundert an und dann zu mir, als sie seinem Blick folgen. 

"Das glaube ich nicht, das kluge Köpfchen, dass mir letztes Mal den Hintern gerettet hat. Vielleicht überlebe ich jetzt doch noch"  

"Satoru", sage ich begrüßend zu dem Mann mit dem eleganten Hut und schnappe mir das letzte Handy auf dem Tisch in der Mitte. Die Gesichtserkennung läuft und ich lehne mich an die Wand neben Satoru. Ich stelle meine Tasche neben mir ab und spiele weiter mit meinem Flummi. 

"Täusche ich mich oder ist da einiges mehr Blut auf deiner Kleidung?", frage er belustigt und ich nicke nur. Er redet immer weiter über die Zeit, was er seit dem gemacht hat und wie sein letztes Spiel war, Schwierigkeitsgrad Karo 2. Währenddessen nutze ich die Zeit und sehe mir einige der anderen Spieler noch genauer an. Etwas weiter neben mir stehen zwei grimmige, große Männer. Einer von ihnen trägt eine Militärhose und eine Handfeuerwaffe. Er scheint das Messer an meinen Rücken entdeckt zu haben und nickt leicht nachdenklich, bevor er sich wieder zu seinem Freund wendet. Es gibt ein Mädchen in meinem Alter, welche eine frische Narbe quer über ihr Gesicht besitzt. Dann ist da noch den Jungen mir gegenüber. Er trägt eine weiße Weste und unter dessen Kapuze kann ich seine weißblonden Haare erkennen. Er scheint Musik zu hören, aber ich weiß nicht genau wie, weil keine Handys funktionieren sollten. 

Die Zeit ist abgelaufen, das Spiel beginnt   

Ich höre auf mit dem Gummiball zu spielen und schaue aufmerksam auf mein Handy, um mir die Anweisungen zu merken. 

Name des Spiels: Viva Las Vegas. Teilnehmerzahl: 21. Schwierigkeitsgrad Karo 6. Regeln des Spiels: Jeder bekommt einen Spieltisch zugewiesen, an welchen die Spiele Roulette, Poker und Blackjack angeboten werden. Die genauen Bestimmungen an jedem Tisch werden den Spielern noch einmal erläutert. Man kann nur gewinnen, wenn man das Spiel gewinnt. Versucht jemand einen Mitspieler zu töten, stirbt er bei dem Versuch. Viel Glück.

Die Türen zum Casino öffnen sich und wir laufen alle rein in eine riesige Halle. Ich laufe neben Satoru ziemlich am Ende durch die ganzen Spielautomaten zu den vorgesehenen Spieltischen. Drei Casinomitarbeiter stehen an den Spieltischen und darüber leuchten die Zahlen eins bis drei. Alle Handys geben einen Klingelton von sich und auf allen erscheint eine der drei Zahlen, welche uns zu einem Spiel der Spiele zuweist. Der Mann neben mir lugt auf mein Handy und zeigt mir seines.

"Dann spielen wir wohl nicht zusammen. Ich weiß noch nicht ob das eher gut oder schlecht ist. Viel Glück Kleines", sagt er und geht zum Roulette. 

"Viel Glück dir"

Ich jedoch setze mich mit sechs weiteren Personen an den Pokertisch. Einer der Mitarbeiter tritt an unseren Tisch: Er trägt ein blaues Jackett, welches zu seinen blauen, wilden Haaren passt und verschränkt die Arme hinter dem Rücken.

"Das Spiel heißt Poker. Sind die Spielregeln jedem bekannt?"

Alle nicken und ich tue es ihnen nach. Bevor ich hier gelandet bin, habe ich vier Mal im Jahr an einer kleinen Pokerrunde mit Freunden teilgenommen. Aber wir haben nie wirklich um Geld gespielt, und hier geht es um Leben oder Tod.

"Dieses Spiel wird solange gehen, bis ein Spieler alle Chips besitzt. Dieser ist der Gewinner. Wenn jemand alle seine Chips verliert, stirbt er"

Das bedeutet nur einer von uns kann überleben. Wir sehen uns alle nacheinander an und dann teilt der blauhaarige Mann die Karten aus. 


Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt