Kapitel 34

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Owen zog sich hektisch das Shirt wieder über seinen Oberkörper. Wieso war seine Mom zuhause? Sie hatte ihm doch gesagt, dass sie eine zweite Schicht im Krankenhaus angenommen hatte und erst in den frühen Morgenstunden wieder da sein würde. Aber er lag offensichtlich falsch.

„Fuck, Amber, es tut mir so leid, ich wusste nicht...", stammelte er vor sich hin, als er vergebens versuchte seine von Ambers Fingern zerzausten Haare wieder zu richten.

Amber saß reglos auf seinem Bett, als er die paar Schritte zu seiner Zimmertür ging und seiner Mutter im Flur gegenüberstand.

„Owen? Alles ok bei dir?", fragte sie ihn mit kritischer Mimik. Ihre dunklen Locken hatte sie sich zu einem festen Dutt gebunden.

„Ähm, ja", er räusperte sich, „klar, bei mir ist alles gut", meinte er und massierte seinen Nacken.

Seine Mutter zog ihre Augenbrauen tief zusammen, als sie ihn beobachtete. „Hast du Besuch? Oder hast du eben mit dir selbst in deinem Zimmer gesprochen?", fragte sie und lies ihn nicht aus den Augen.

Owen sah verzweifelt in sein Zimmer, in dem Amber mittlerweile vom Bett aufgestanden war, um unentschlossen im Raum zu stehen. Sie vor seiner Mutter zu verheimlichen war deutlich zu spät. Er wusste, dass seine Mom sie jeden Moment sehen würde. Ihm wurde in dem Moment bewusst, dass er Amber auch gar nicht vor seiner Mom verstecken wollte. Er wollte, dass die ganze Welt wusste, dass das hübsche Mädchen, das vor ein paar Minuten noch mit ihm im Bett lag, zu ihm gehörte.

Er zeigte Amber mit einer kurzen Handbewegung, dass sie sich nicht länger in seinem Zimmer verstecken musste. „Mom, das ist Amber, w-wir, also wir haben nur, ähm", stammelte er, als Amber neben ihm stand und sich dem prüfenden Blick seiner Mom unterziehen musste.

Seine Mom zog eine Augenbraue hoch, ein Schmunzeln fand sich auf ihren Lippen wieder. „Owen, du musst mir gar keine Ausrede auftischen. Aber nur eins: Ich möchte noch keine Enkelkinder haben. Haben wir uns da verstanden?"

Owen spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht schoss, als er seine Hände in seinen Hosentaschen vergrub. Er wünschte er könnte einfach so mit Amber verschwinden. Zu peinlich war ihm die Situation. Er konnte seiner Mutter nicht mehr in die Augen schauen, als er nur ein „Ja" murmelte. Er beobachtete, wie Amber neben ihm ihr Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte. Owen war sich sicher, dass ihr die Situation genauso unangenehm gewesen sein muss wie ihm.

„So, genug davon. Schön dich kennenzulernen Amber. Ich bin Patricia", sagte Owens Mutter zu Amber.

Amber schüttelte die Hand, die Owens Mutter ihr hingestreckt hatte. „Hi, ähm, ich glaube ich sollte besser gehen", sagte sie, während sie zum Boden sah.

„Ach, quatsch! Wegen mir doch nicht. Ich habe mehr als genug Essen mitgebracht, also kommt in die Küche, falls ihr Hunger habt." Patricia wand sich von den beiden ab und lief zur Küche. Das Klappern von Geschirr und Besteck war wenige Sekunden später zu hören.

„Ich sollte gehen, oder?", fragte Amber. Sie sah Owen mit ihren großen braunen Augen an, während sie mit ihren Fingern spielte.

Owen schlang seine Arme um sie und legte sein Kinn auf ihrem Kopf ab. Der Duft von Vanille stieg in seine Nase. „Bleib bitte", murmelte er, als sie kurz mit ihren Händen über seinen Rücken strich. Er liebte das Gefühl von ihren sanften Berührungen auf seinem Rücken, wie ihre Hände sich langsam auf und ab bewegten und die Linien seiner Muskeln nachfuhren. In diesem Moment wünschte er sich nichts mehr, als mit Amber wieder in seinem Zimmer zu verschwinden.

Patricia hatte nicht gelogen, als sie sagte, dass sie genügend Essen mitgebracht hatte. Owen und Amber betraten die Küche und wurden von einem Meer aus Tacos begrüßt.

„Nehmt euch so viel, wie ihr wollt!", rief Owens Mom aus dem Wohnzimmer. Das ließen sich Owen und Amber nicht zweimal sagen. Als sie wenige Minuten später mit vollen Tellern das Wohnzimmer betraten, kaute Patricia schon fröhlich auf ihrem Essen herum.

„Also Amber, bist du auch Senior an der Huntsville High?", fragte Owens Mutter, als Owen und Amber auf die Couch setzten. Patricia saß auf dem kleinen Sessel und konnte so die zwei direkt beobachten.

Amber räusperte sich. „Ja, ich bin nach diesem Schuljahr endlich fertig", entgegnete Amber.

Owen wusste nicht, was er sagen sollte. Er liebte seine Mom über alles und verbrachte gerne Zeit mit ihr, aber in dem Moment wünschte er sich zum ersten Mal, dass sie länger hätte Arbeiten müssen. Ihm tat nicht nur er selbst leid, sondern auch Amber. Er hatte das Gefühl, dass sie die Situation unglaublich nervös machte. Er wollte einfach nur wieder ein Lächeln auf ihrem Gesicht sehen, wollte ihr zeigen, dass ihr bei ihm nichts unangenehm sein müsste.

„Amber will vielleicht auch an der University of Tennessee studieren", sagte also Owen nun, um den Blick seiner Mutter wieder auf sich zu lenken.

Und so passierte es, dass Patricia, Amber und Owen die nächsten Stunden damit verbrachten vom wunderschönen Campus zu schwärmen. Patricia erzählte, dass sie nie die Chance hatte aufs College zu gehen, aber sich so sehr wünschte, dass Owen seinen Traum erfüllen konnte. Amber erzählte, dass von ihr erwartet wurde an der Vanderbilt zu studieren, sie sich aber komplett in die University of Tennessee verliebt hatte. Und Owen verschwieg, dass er sich wegen Amber noch mehr in die University of Tennessee verliebt hatte. Die Vorstellung mit Amber dort zu studieren war einfach zu gut um wahr zu sein, weswegen er seinen Traum nicht laut aussprechen wollte.

Irgendwann legte Owen seine Hand auf Ambers und zeichnete mit seinem Daumen kleine Kreise. Patricias Augen wanderten kurz zu der einfachen Berührung, bevor sie ihren Sohn und Amber mit einem warmen Blick beobachtete.

Hail Mary | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt