Kapitel 32 - Konferenzsaal

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Zusammen steigen wir in das Auto, mit dem neuesten Mitglied des Beach. Obwohl er auf auf der Hinterbank platz nimmt, setze ich mich wieder quer hin und spiele mit meinem Ball. Währenddessen betrachte ich den Fremden eindringlich, wobei mir gleichgültig ist, dass er es bemerkt und nervös wird.

Er hat sich ordnungsgemäß angeschnallt und faltet die Hände in seinem Schoß. Er wirkt recht dünn, doch die wenigen Minuten in welchen ich ihn gesehen habe weiß ich eines: Er schließt sich jedem an um zu überleben. Ich weiß, dass er nicht der Mann war, welcher mich geschlagen hat. Aber er hat sich mit ihm zusammen getan, wahrscheinlich hat er keine gute Menschenkenntnis. Er schielt ab und an zu mir, doch ich halte jedem Blick stand, was ihn zu verunsichern scheint. Wenn der Militärtrupp es darauf anlegt, könnten sie ihn sofort rekrutieren und er würde jedem Befehl folgen, so unterwürfig scheint er. 

"Was ist das da in deiner Hand?", fragt er und sieht mich zum ersten Mal länger als zwei Sekunden an. Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen und halte den Ball leicht hoch.

"Sieht man das nicht."

Er schaut ein wenig verlegen, doch ich spüre Aguni's Blick durch den Rückspiegel. Wieder sieht der Fremde auf seine gefalteten Hände und schweigt. Immer wieder fällt sein Blick zu den Waffen bei den beiden auf den vorderen zwei Sitzen. Ich lasse ihn die ganze Autofahrt nicht aus den Augen, bis wir auf den Parkplatz des Hotels vorfahren. 

Sobald Aguni die Handbremse zieht, steigen wir aus dem Auto aus. Der Militärtyp fängt an mit dem fremden Mann zu reden und ich beobachte wie der zu den bunten Lichtern der Scheinwerfer sieht. Ich schaue ihn wartend an, aber irgendwie kann ich seine Blicke auch verstehen. Als ich hier ankam muss ich genauso gestaunt haben. Aguni stellt sich wieder neben mich und scheint ihn genauso aufmerksam zu beobachten wie ich. 

"Kommst du mit in den Konferenzraum?"

"Weshalb?"

"Wie gesagt, du bist ein kluges Köpfchen"

Ich willige ein, da ich sowieso heute noch mit dem Hutmacher und Chishiya reden wollte. Und Aguni fragt auch nicht aus reiner Herzensgüte, er weiß genau, dass ich den Mann beobachtet und mir ein Bild gemacht habe. Mit einem gewissen Abstand folgen wir den beiden und reden noch ein wenig.

"Während er dabei ist sagst du am besten nur die Fakten, wenn er weg ist wird dich Danma nach deiner eigenen Einschätzung fragen"

Er nennt den Hutmacher so selbstverständlich Danma, dass ich aufmerksam werde. Die beiden kennen sich anscheinend schon eine ganze Weile, die Frage ist nur ob aus dem Borderland oder auch aus der normalen Welt. 

"Klar, könnte ich aber vorher ein Kühlbeutel oder so bekommen?", scherze ich und lache leicht.

"Ich hätte schneller reagieren müssen"

Sein Blick wirkt emotionslos und streng, doch in seiner Stimme schwingt wirklich ein wenig Bedauern. 

"Ich wollte nur verhindern, dass er stirbt. Das er so reagiert war seine eigene Schuld", sage ich schlicht und er nickt bestimmt. Als wir in den Eingangsbereich treten wendet er sich an Niragi, welcher anscheinend schon auf seinen Boss gewartet hat.

"Hol ein Kühlpack und komm zum Konferenzsaal"

Ich verkneife mir einen bissigen Kommentar und ein heimtückischen Grinsen und laufe einfach weiter. Ich entdecke Kuina und Izumi in den gemütlichen Sesseln neben der Rezeption. Ich lächele ihnen kurz zu, doch nach Agunis schnellen Schritten zu Urteil, reicht es nicht noch mit ihnen zu sprechen. Wir betreten hinter dem Fremden den Konferenzsaal und niemand scheint wegen meiner Anwesenheit verwundert. Ann nickt mir kurz zu und ihre Gesichtszüge werden sanfter, Chishiya zieht die Augen leicht nach oben und grinst unmerklich. 

"Wie ist dein Name?", fragt der Hutmacher und reicht dem Fremden ein Glas Whisky.

"Rhaidon"

Ich stelle mich zu Aguni, auch wenn ich lieber neben Chishiya stehen würde. Der Hutmacher hält seine übliche Ansprache über die Regeln des Beach und redet über sein Utopia. Als Niragi den Raum betritt, reicht er Aguni den Kühlbeutel, welcher ihn mir reicht. Sobald die Kälte auf meine Haut trifft, fühlt es sich an wie winzige Nagelstiche, weswegen ich kurz meine Augen schließe. Als ich sie wieder öffne sehe ich, wie der Hutmacher euphorisch die Hand von Rhaidon schüttelt und dann führt ihn jemand aus dem Raum.

"Aguni, erzähl wie war sein Spiel"

"Er hat überlebt", sagt er streng und sieht zu mir. Ich verdrehe nur die Augen und lehne mich an die Wand hinter mir, während ich den Kühlbeutel für einen Moment herunternehme.

"Sayuuri?", fragt mich der Hutmacher.

"Wie Aguni sagte, er hat überlebt" , sage ich, doch als alle mich erwartend ansehen versuche ich nicht genervt zu wirken, "Er hängt sich an jeden, der Überlebensfähig scheint. Er ist nicht sonderlich intelligent und er gerät schnell in Panik"

"Was war die Aufgabe des Spieles?"

"Eine Wort-Kombination aus elf Buchstaben", antwortet Aguni.

"Und welche Buchstaben gab es"

Aguni sieht zu mir, doch mit meinem Blick signalisiere ich, dass er den Vortritt hat.

"A - A - G - I - L - N - O - R - T - T - U" 

"Ein Anagramm", füge ich hinzu und der Hutmacher scheint zu überlegen, doch jemand scheint es direkt zu durchschauen.

"Gratulation"

Ich sehe zu Chishiya und nicke nur bestätigend.

"Sayuuri, ich wollte dir noch das hier geben", sagt der Hutmacher und kramt ein neues Schlüsselarmband hervor. Niemand bemerkt, wie ich und der Mann mit der weißen Weste einen bedeutenden Blick austauschen. Ich nehme das Schlüsselband schnell entgegen und spicke auf die Zahl. 201. Er hat gewonnen. Ich versuche das positive darin zu sehen, schließlich habe ich bis jetzt zwei Wetten gewonnen und er jetzt ebenso. Aus meinem Blick scheint er zu lesen, dass er gewonnen hat und grinst heimlich. 

Ich sehe zu Aguni und er nickt mir zu, dass ich den Konferenzsaal verlassen kann. Ich lächele noch einmal den Hutmacher und Ann zum Abschied zu und laufe nach draußen. Ich steuere nach meinem Gefühl das Dach an, da ich weiß, dass Chishiya jeden Moment auch hier erscheinen wird. Ich setze mich instinktiv an die andere Kante wie sonst und schaue raus aufs Meer. Eine Gänsehaut breitet sich auf meinen Armen aus und meine Gedanken kreisen umher.

Was wird seine Frage sein? Er sagte, dass er mich nichts über meine Familie fragen würde. Er weiß was und wo ich studieren. Möchte er vielleicht einen weiteren Schwachpunkt von mir herausfinden? Ich habe mir die ganze Nacht Gedanken darüber gemacht. Ich habe insgesamt drei Schwachpunkte gezählt, von einem weiß er bereits.

Ich höre die Tür zum Dach zuschnappen, doch ich drehe mich wie letztes mal nicht um. Chishiya setzt sich neben mich und sieht genauso wie ich hinaus aufs Meer. Er wollte gerade den Mund öffnen, doch ich komme ihn zuvor.

"Ich weiß. Was ist deine Frage?"

"Das mit dem Anagramm war clever"

"Chishiya", mahne ich ihn leicht, damit er zur Sache kommt.

"Wer ist Light?"


Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt