Kapitel 38 - Ein langweiliger Tag im Beach

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Seit dem kurzen Moment im Krankenhaus fühle ich mich aber ein ganzes Stück gefasster und klarer. Nach einer kalten Dusche trockne ich mich schnell  ab und ziehe nur den schwarzen Body an. Im Schrankspiegel überprüfe ich, wie meine Wunden und blauen Flecken abklingen. Am Rücken habe ich noch vereinzelt die Einstichwunden von den Glassplittern und natürlich die große Wunde, welche eine hässliche Kruste gebildet hat. Meine Rippen sind auf der einen Seite lila geworden, doch die blauen Flecken an den Armen und Beinen sind verschwunden. Dann wäre da noch der leicht angeschwollene und aufgeplatzte Wangenknochen links oben, doch wenn ich meine Haare offen lasse, fällt es nicht so auf. Meine Hand tut zwar noch ein wenig weh, aber das ist wohl mein geringstes Problem. 

Ich setze mich auf das ungemachte Bett und fahre mir über den Nacken. Nachdem ich mich mit einer Bodylotion aus dem Bad eingecremt habe, nehme ich mir den kalten Kaffee von meinem Nachttisch und schlage mein neues Buch auf. Die Musik von draußen stört mich nach einer Weile und ich setze mir Kopfhörer auf, um die Lautstärke herunterzuschrauben. 

Irgendwann wird mir das Lesen zu langweilig, also mache ich seit langer Zeit mal wieder Dehnübungen und setze mich danach wieder mit meinem Zeichenblock auf mein Bett. Ich fahre mir durch die Haare und nach zwei kleinen Kritzeleien lege ich auch den Block weg. Yuudai hat eine seiner Wachschichten vor dem Hotel, weswegen Tischkicker wegfällt. Izumi ist diese Woche als Küchenhilfe eingetragen und Kuina konnte ich nirgends finden. 

In den letzten Tagen sind mir einige Veränderungen hier im Beach aufgefallen, die ich noch nicht wirklich einordnen kann. Der Hutmacher ist entweder auf seinem Zimmer oder im Konferenzsaal, da der Militärtrupp immer mehr Leute ins Beach holt. In letzter Zeit höre ich  mehr Schüsse als sonst hinter dem Hotel und in den meisten Fällen erkenne ich Niragi dort. Irgendwas läuft hier langsam aus dem Gleichgewicht, aber ich glaube Aguni hält sich darin ziemlich zurück. 

Ich ziehe mir mein weißes Kleid über und beschließe Izumi einen Besuch abzustatten. Sie ist bestimmt froh über die Gesellschaft und ich kann mir etwas kleines aus der Küche zu essen holen. Nachdem ich gestern Ann assistiert habe, stocherte ich beim Abendessen mit Kuina nur in meinem Essen herum. Doch trotz dass ich mich fast zweimal übergeben musste, meinte sie ich habe mich ganz gut geschlagen. 

Da gerade das Mittagessen herausgegeben wurde, hat der Küchendienst gerade keine Hektik mehr. Ich nehme mir einen Eisbecher aus einer der Kühltruhen und setze mich mit einem Löffel bewaffnet auf die Küchentheke neben meine Freundin. 

"Hallo Izumi, wie lange musst du noch hier bleiben?"  

"Bestimmt noch für den Abwasch, ich schätze mal eine Stunde ungefähr", antwortet sie und mit einem gespielt mitfühlenden Blick halte ich ihr das Eis hin. Dankbar nimmt sie es entgegen und meine Aufmerksamkeit wird von einem Mann auf sich gezogen, welcher den Leuten hier Anweisungen gibt.

"Ist das der neue Koch hier?", frage ich verwirrt. Als Kuina mir von ihm erzählt hat, habe ich mir eigentlich einen Mann mittleren Alters vorgestellt mit einer kleinen Wampe. Aber ich habe definitiv nicht so jemanden erwartet.

"Der ist süß, nicht?", sagt sie und gibt mir wieder den Eisbecher. Ich zucke nur mit den Achseln, muss aber zugeben, dass ich überrascht bin. Ich wittere eine Gelegenheit und verkneife mir ein Grinsen.

"Hast du schon mit ihm geredet?"

Ihre Lippen spitzen sich für einen Moment bevor sie anfängt zu grinsen. Ich erkenne, dass sie ein wenig rot wird, doch sie wendet ihren Blick ab. Komm schon Izumi, sag es. 

"Ehrlich gesagt gibt es da jemanden in letzter Zeit"

"Wirklich?", versuche ich ernst zu bleiben und nehme zufrieden einen großen Löffel Kokosnusseis. Das Izumi sich noch nicht an den neuen Koch rangemacht hat bedeutet, dass die Sache mit Yuudai und ihr ernster geworden ist. Sie wirkt in letzter Zeit ein wenig fröhlicher und ausgeglichener als sonst. Es ist in Ordnung, dass sie mir noch nichts davon erzählt hat, aber das bedeutet nicht, dass ich sie nicht darauf hinweisen kann.

"Ja, aber ich würde es noch gerne ein wenig für mich behalten, wenn es okay ist. Ich weiß noch nicht ganz, was er von dieser Sache hält", sagt sie und sieht mich mit ihren großen Augen an.

"Klar kein Problem. Wenn du soweit bist", lächele ich sie nur an und sie umarmt mich glücklich. Trotz das sie immer noch wie ein Honigkuchenpferd grinst weiß ich, dass das Gesprächsthema beendet ist. Mein Blick fällt auf eines der Regale im Hintergrund, die meisten Vorräte sind schon wieder aufgebraucht.

"Wann fährt die nächste Gruppe wieder auf Versorgungstour?"

"Ich glaube morgen. Wieso, willst du dich eintragen?"

"Schon möglich, wer fährt da immer so mit?"

"Ungefähr drei vom Militärtrupp zur Sicherung, wobei Aguni und seine Leute meistens ihre eigene Tour fahren. Dann unser neuer Koch und einige Freiwillige"

Einen ganzen Tag aus dem Hotel kommen hört sich gar nicht so falsch an. Und einige Lebensmittel zusammen suchen sollte nicht zu anstrengend sein, klingt eher wie Urlaub als Arbeit. 

"Kann man sich für morgen noch eintragen?"

"Bestimmt. Wieso, findest du den Koch etwa so süß?", lächelt sie verschmitzt, doch ich verdrehe nur die Augen.

"Klar doch", sage ich sarkastisch. 


Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt