𝖛. Ein bisschen blass ums Näschen

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KAPITEL FÜNF
Ein bisschen blass ums Näschen
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ELOISE HATTE NICHT DAMIT GERECHNET, DASS IHR VATER SIE TATSÄCHLICH ZUM BAHNHOF BEGLEITEN WÜRDE. Es war in den letzten Jahren nur hin und wieder vorgekommen, zumindest seit er vor dem Start ihres zweiten Schuljahres zum Zaubereiminister geworden war. Und natürlich, sie verstand es, sie hatte nichts dagegen, von ihm am Vorabend verabschiedet zu werden, aber als er an diesem 1. September mit ihrer Mum neben ihr herging, konnte Eloise ein glückliches Lächeln nicht unterdrücken.

Im Tropfenden Kessel war heute Morgen ein riesiges Chaos gewesen. Sie hatte überhaupt nicht gewusst, dass so viele Schüler die Nacht in der Winkelgasse verbracht hatten, um einen kürzeren Weg nach Kings Cross zu haben. Es war auch das erste Mal für Eloise gewesen. Normalerweise waren es hauptsächlich Muggelstämmige, die nicht die Möglichkeit hatten, Seit-an-Seit mit ihren Eltern zu apparieren, so wie sie es für gewöhnlich tat — und auch für die Weasleys war es natürlich einfacher, mit dem Auto zu fahren, das sie zur Verfügung gestellt bekommen hatten. Sie vermutete, dass ihr Dad gewollt hatte, dass sie den letzten Tag dort verbrachte, um sich von ihr verabschieden zu können, falls er sie am nächsten Morgen nicht begleiten konnte. Doch wie er heute angekündigt hatte, konnte er es.

Eloise beobachtete neugierig die Muggel, die über die Bahnsteige liefen. Viele trugen Anzüge, manche redeten mit sehr großen klobigen Geräten am Ohr, über die sie schon einmal in Muggelkunde kurz gehört hatte und sie fragte sich, wohin sie sich wohl auf den Weg machten. Manchmal war es für sie ein seltsamer Gedanke, dass jeder Mensch seine eigene Geschichte, seine eigene Motivation und Beschäftigung hatte, von der sie nie erfahren würde, weil sie nie jeden von ihnen kennenlernen konnte. In einer belebten Stadt wie London zu apparieren war nicht einfach, aber den meisten Muggeln fiel Magie nicht einmal vor ihrer Nase auf. Es war ein Jammer. Sie schienen überhaupt nichts Besonderes in ihrem Leben haben zu wollen. Viel mehr fürchteten sie sich vor den Dingen, die sie nicht haben konnten, und bekämpften sie.

Wendy quiekte in ihrem Käfig und Eloise streckte die Hand nach ihrem Meerschweinchen aus, um es zu beruhigen. Sie hoffte, dass die ganzen Menschen sie nicht verängstigten. Einmal hatte Eloise einen Zauber in ihrem Schlafsaal geübt und da nur Funken aus ihrem Zauberstab gekommen waren, hatte Wendy sich auf ihrem Schoß so erschreckt, dass sie in eine Angststarre verfallen war. Und Eloise hatte gehört, dass der Kreislauf von Meerschweinchen zusammenbrechen konnte, wenn sie zulange in dieser Starre blieben. Sie wollte nicht herausfinden, ob es wahr war oder nicht.

Als sie beiläufig und damit so unauffällig wie möglich in der Wand zwischen Gleis 9 und 10 verschwanden, war Eloise beinahe ein wenig enttäuscht, dass sie die Muggel nicht länger hatte beobachten können. „Ich schreibe euch jede Woche." versprach sie ihren Eltern, nachdem sie sich kurz am Bahnhof umgesehen hatte. Ihr Dad nickte ein paar Leuten zu, die er kannte und ihr Blick blieb an Lucius Malfoy hängen, der mit seiner Frau seine Kinder zum Bahnhof brachte.

Ihrer Meinung nach war Draco Malfoy ein kleiner Scheißer. Eloise hatte manchmal wirklich die größte Mühe, sich zurückzuhalten, aber sie wollte keine Szene machen. Doch im letzten Jahr hatte er sich mit ihr, wenn auch unbemerkt, alles verdorben. Ihr viertes Schuljahr war nicht einfach gewesen. Als immer mehr Muggelstämmige versteinert worden war, hatte Eloise ihre beste Freundin gar nicht mehr aus den Augen lassen wollen. Doch Draco-Ich-bin-besser-als-ihr-alle-Malfoy hatte sich offen lustig darüber gemacht, dass Penelope Clearwater, Ophelias große Schwester, Opfer des Monsters aus der Kammer des Schreckens geworden war.

Und vielleicht war Eloise jemand, der Menschen zweite Chancen gab und das Gute in jedem sah, aber bei Rassisten, die sich auch noch über das Leid von anderen amüsierten, war es für sie vorbei. Sie lebten in keiner Welt mehr, in der solche Ansichten weitergegeben werden sollten. Sie musste zugeben, auch sie hatte vor ihrem ersten Schuljahr nicht viel Gedanken an Muggel verschwendet. Sie waren nie wirklich in ihrer Welt präsent gewesen, alles hatte sonnig für sie ausgesehen und ihre Eltern hatten sie in einer rosaroten Blase aufwachsen lassen. Sie hatte von Vorurteilen nicht wirklich eine Ahnung gehabt. Vermutlich hatte sie sie trotzdem gehabt und vielleicht waren auch einige andere Gedanken, mit denen sie über Muggel nachdachte, in ihrem Kopf zu fest verankert. In Hogwarts hatte sie jedoch viele Menschen kennengelernt: Personen aus anderen Ländern, Zauberer mit Muggeln in ihren Stammbäumen... Sie hatte erkannt, dass es nichts an ihnen gab, das anders war. Sie hatte die Wahl gehabt, ignorant und in ihrer Welt zu bleiben oder Vorbehalte abzulegen und sich zu informieren. Sie hatte sich für letzteres entschieden und Draco hatte genau die gleiche Wahl gehabt und ersteres gewählt.

Never With A Gryffindor ━ Fred Weasley [de]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt