Kapitel 45 - Sangria Sonntag

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Wir legen uns dieses Mal nicht auf die Sonnenliegen, sondern belegen einen der Gruppentische auf der anderen Seite. Ich stelle die zwei Gläser von der Bar vor uns ab und Izumi stellt die drei Plastikflaschen Sangria hin, bevor sie eine aufmacht und einschenkt. Ich setze mich im Schneidersitz auf die Bank und sobald ich meinen ersten Schluck nehme, schließe ich die Augen und genieße es einfach. Die Sonne wärmt meine Haut und es riecht angenehm nach Chlor. Die Anlage ist um diese Zeit noch nicht auf volle Lautstärke aufgedreht und es spielt spanische Musik, es wirkt wie ein gemütlicher und perfekter Sonntag. 

"Heute war dein letzter Tag Küchendienst, oder?", frage ich neugierig um zu erfahren, ob sie heute Abend noch im Restaurant arbeiten muss. 

"Ja heute Mittag war meine letzte Schicht, meine Hände sind vom Abwasch noch ganz schrumpelig", sagt sie und hält mir ihre Finger unter die Nase, doch ich schiebe lachend beiseite. Ich sehe mich ein wenig um und entdecke Yuudai auf der anderen Poolseite. Er scheint uns längst bemerkt zu haben, doch irgendetwas hält ihn davon ab, zu uns rüberzukommen. 

"Er fühlt sich schlecht wegen dem was passiert ist", klärt mich Izumi auf, "Yuudai denkt er ist der letzte, den du sehen willst und dass du nicht mit ihm sprechen wirst"

Verwirrt sehe ich sie an und schüttele unverständlich meinen Kopf. Ich verdrehe nur die Augen und winke Yuudai zu, damit er zu uns kommt. Zögernd setzt er sich in Bewegung und als er vor unserem Tisch steht, findet er nicht die richtigen Worte. Ich greife nach einem Glas am anderen Ende des Tisches, stelle es neben Izumi's und fülle es mit Sangria auf. Yuudai lächelt mich nur dankbar an und setzt sich mir gegenüber. Er sollte sich nicht schlecht fühlen, schließlich war es die Aufgabe des Spieles. Und ich bin wahrscheinlich die Letzte, die es ihm übel nehmen würde. 

Wir sitzen ungefähr eine Stunde da und trinken gemütlich zusammen, wobei mir nicht die verstohlenen Blicke der beiden entgehen. Ich weiß nicht ob es am Alkohol liegt oder die beiden wirklich denken, dass ich das nicht mitbekomme. Ich verkneife mir grinsend ein Kommentar und schaue nur in mein Glas, wenn die beiden nach einem dieser bedeutenden Blicke zu mir sehen. Die beiden sind wirklich süß zusammen, auch wenn es noch nicht offiziell ist. Wie sie sich heimlich zulächeln oder in sich hineingrinsen lässt selbst mein Herz erweichen.

Ich schenke mir noch einmal nach, als sich Kuina neben mich setzt und mich grinsend ansieht. Zur Begrüßung schubse ich sie leicht mit der Schulter an und erwidere ihr Grinsen. Sie hebt mir ein frisches Glas unter die Nase und lachend fülle ich es auf. Als Izumi und Yuudai sich in ein Gespräch reinsteigern, lehnt Kuina sich ein wenig zu mir und redet leise, während wir die anderen beiden nicht aus den Augen lassen. 

"Wie geht es dir?"

"Gut, ich glaube das ist einer der entspanntesten Sonntage seit langem", sage ich ehrlich und lehne mich nach hinten, bevor ich einen großen Schluck trinke. Sie scheint zufrieden mit meiner Antwort und lehnt sich ebenfalls nach hinten. 

"Und wie geht es dir Kuina?"

"Ich könnte hier auf der Stelle einschlafen, ich bin seit um halb fünf Uhr morgens wach", quengelt sie gespielt, doch sie sieht wirklich ein wenig erschöpft aus. 

"Wegen dem Spiel gestern?"

"Das war eigentlich in Ordnung. Ich war wieder mit Ann eingeteilt, sie wollte sich zwei neue Beach-Mitglieder ansehen und ihr 'Potenzial'"

"Und hatten sie 'Potenzial'?"

"Nein. Ann hätte sie am liebsten in dem Spiel sterben lassen oder danach wieder ausgesetzt", sagt sie spaßeshalber, doch an ihrer Tonlage erkenne ich, dass Ann anscheinend wirklich daran gedacht hat. 

"Solange dir nichts passiert ist", sage ich aus Reaktion und sie sieht mich mit ihrem liebevollen Blick an. Sie drückt leicht mein Handgelenkt um zu signalisieren, dass sie es schätzt und das es ihr genauso geht. Ich erkenne aus dem Augenwinkel, dass am Tischende neben mir plötzlich jemand auftaucht und im ersten Moment denke ich direkt an Chishiya. Doch als ich mich zu demjenigen umdrehe muss ich zugeben, bin ich leicht enttäuscht. Vor mir steht der neue Koch, dem ich bei der letzten Versorgungstour mit den Trinkkästen geholfen habe und lächelt Izumi an.

"Hey Katsu, möchtest du dich zu uns setzen und Sangria trinken?", strahlt ihn Izumi an und er nickt zurückhaltend. Kuina und ich tauschen einen Blick aus und rücken beide auf, damit Izumi und Yuudai zusammen sitzen bleiben können. Ich greife nach der Sangria-Flasche und schenke dem Mann neben mir ein Glas ein. An seiner Körpersprache bemerke ich sofort, dass er sich durch diese Geste ein wenig entspannt und lockerer wirkt.

"Sayuuri, nicht wahr?", meint er und sieht mich freundlich an. Ich nicke nur und Kuina beugt sich sofort vor und streckt die Hand aus.

"Kuina, du bist doch der neue Koch", sagt sie und er nimmt ihre Hand von ihrer Offenheit überrascht entgegen, "Dein Reisgulasch ist fantastisch"

"Danke Kuina", sagt er freundlich. 

Yuudai scheint eine Idee zu haben und entschuldigt sich kurz, bevor er zur Bar läuft. Als er wieder kommt stellt er fünf kleine Gläser auf den Tisch und eine Flasche Tequila. Lachend stehe ich auf und nimmt ihm die Tequila-Flasche ab. Ich fülle die Gläser bis zum Rand auf und Yuudai  verteilt sie an alle. Wir stoßen alle miteinander an und ich trinke das Glas in einem Zug leer. Yuudai und der Neue sehen mich mit großen Augen an und ich muss an etwas denken, was Norikita früher immer gesagt hat.

"In diesen kleinen Körper passt mehr Alkohol als Blut hinein", wiederhole ich ihre Worte und schenke mir noch ein kleines Glas nach. Die anderen beginnen eine Diskussion darüber, doch meine Gedanken schweifen zu meiner toten Freundin. Auf dich Norikita, denke ich und trinke das Glas erneut aus in Gedenken an sie. 

"Seit wann bist du hier im Beach", höre ich plötzlich von der Seite und drehe mich zu Katsu.

"Weiß ich gar nicht genau mehr. Vielleicht einen Monat", überlege ich und erkenne, wie lange ich eigentlich schon hier bin. In der normalen Welt ist ein Monat nichts im Vergleich zu einem Tag hier im Borderland. Und was ich seit dem erlebt habe, wie viele gestorben sind ist erschreckend.

"Ich habe gehört, du sollst ziemlich gut ihn den Spielen sein", sagt er lächelnd und ich erwidere nicht. Was kann man dazu auch sagen? Katsu scheint ja ganz nett zu sein, aber er stellt mir schon jetzt zu viele Fragen. Ich sehe ihn prüfend an um herauszufinden, was er damit bezwecken möchte. 

Wir sitzen noch eine ganze Weile hier und trinken zusammen. Der neue Koch stellt mir immer wieder beiläufig Fragen und auch wenn ich nicht alle beantworte, versuche ich freundlich zu bleiben. Er scheint nichts böses im Sinn zu haben, doch irgendwann sehe ich zu Izumi. Sie zuckt nur grinsend mit den Achseln, was mir meine Fragen auch nicht wirklich beantwortet. 

Als ich mein Glas wieder an den Mund ansetze, gleitet mein Blick automatisch seitlich hoch zu dem Dach und ich erkenne tatsächlich aus dieser Entfernung eine Gestalt da oben. Unwillkürlich muss ich grinsen und überlege, ob er gerade auch zu uns sieht. Ich fühle mich hier zwischen Izumi, Kuina, Yuudai und auch mit dem Neuen ziemlich wohl. Aber ich komme nicht um den Gedanken herum, wie es wäre, wenn Chishiya bei uns wäre.

"Sayuuri", reißt mich eine strenge Stimme aus meinen Überlegungen und ich sehe zu Aguni, welcher mit verschränkten Armen vor uns steht, "Der Hutmacher will mit dir reden"

Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt