Kapitel 40

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Noch nie in ihrem Leben war Amber verwirrter als in diesen Tagen. Die Huntsville High gewöhnte sich nach den Thanksgiving Ferien langsam wieder an den Schulalltag und fieberte gespannt auf das Halbfinale am Freitag hin. Doch Amber war mit ihren Gedanken überall und doch nirgendwo. Sie war froh, dass das Halbfinale nicht in Huntsville ausgetragen werden würde, denn so musste sie sich keine Ausrede einfallen lassen, wieso sie nicht hingehen würde, obwohl es ganz klar war, dass sie wegen Owen das Footballfeld nicht betreten wollte.

Also beobachtete sie den ganzen Tag ihre Mitschüler, die sich aufgeregt über das Halbfinale unterhielten, dass an diesem Abend anstand. Um sie herum wurde geklärt, wer mit wem im Auto die zwei Stunden fahren würde.

„Amber! Gut, dass ich dich noch sehe." Jessica lief winkend auf Amber zu, als sie gerade zum Ausgang der Schule lief. „Sarah ist gerade abgesprungen und fährt mit ihren Eltern zum Spiel. Ich habe also noch einen Platz im Auto frei, wenn du doch mitfahren möchtest."

Amber begann ihren Nacken zu massieren. „Ich glaube das ist keine gute Idee, aber Danke für das Angebot."

„Bitte sag mir nicht, dass du nicht mitwillst, weil du immer noch versuchst Owen aus dem Weg zu gehen."

„Jess...", murmelte Amber.

„Hör zu, heute findet vielleicht das letzte Spiel deiner Highschool Zeit statt und du willst nicht mit, weil dein Ex spielt? Denk doch mal an dich, wenn du Lust hast kommst du mit!"

„Er ist nicht mein Ex", begann Amber. Schließlich hatte sie mit Owen nie die entscheidende Unterhaltung geführt. Doch Jessica verdrehte nur die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ach, wirklich?", antwortete sie.

Amber atmete tief durch, als sie einen Moment innehielt und die Schüler um sich herum beobachtete. Sie machten es richtig. Sie genossen ihre Zeit an der Highschool und wollten einfach nur einen schönen Abend verbringen.

„Na schön. Ich fahre mit."

Jessica drückte Amber in einer festen Umarmung gegen ihre Brust. „Ich freu mich so, dass du heute dabei bist", sagte sie in Ambers Haare.

*

„Da ist noch Platz!" Jessica lief am Rande des Footballfelds und strebte eine bestimmte Stelle an der Tribüne an, als sie dicht von Ashley, Kenna und Amber gefolgt wurde. Sie hatten zu viert die Autofahrt von Huntsville nach Greenwood überstanden und sich schon mit Popcorn ausgestatte. Als sie jedoch bemerkten, dass sie nur noch wenige Minuten bis zum Spielbeginn hatten, bemühten sie sich noch einen guten Platz zu ergattern.

Um sie herum saßen bekannte Gesichter, obwohl sie so weit von Huntsville entfernt waren. Doch offensichtlich hat sich jeder Schüler ihrer Highschool an diesem Abend nichts Anderes vorgenommen und wollte sich das Halbfinale unbedingt nicht entgehen lassen.

„Amber?", war plötzlich eine bekannte Stimme zu hören, als Amber gerade mit ihren Freundinnen die paar Stufen zu dem noch freien Platz lief.

Als Amber die Person erkannte, die sie angesprochen hatte, stockte ihr Atem. „Oh, hey Patricia", murmelte sie und blickte zwischen Jessica und Owens Mom hin und her.

„Möchtest du dich kurz zu mir setzen?"

„Klar", begann Amber und sah dann zu Jessica. „Geht schon mal vor, ich bin in ein paar Minuten bei euch."

„Ich freue mich so dich zu sehen, Amber." Patricia legte einen Arm um Ambers Schultern, als sie sich gemeinsam setzten.

„Ich freue mich auch. Eigentlich wollte ich heute gar nicht mitkommen, Jessica hat mich dann aber doch noch überredet."

„Gut, dass sie das getan hat." Patricia machte eine kurze Pause. „Owen freut sich mit Sicherheit auch, dass du heute dabei bist."

Bei der Erwähnung von Owen begann Ambers Herz schneller zu klopfen. „Ich bin mir da nicht so sicher", flüsterte sie und starrte auf ihre weißen Converse.

„Oh doch, Honey! Er vermisst dich."

Ungläubig sah Amber zu Patricia, doch das Leuchten in ihren Augen verriet ihr, dass Patricia wirklich daran glaubte, dass ihr Sohn Amber wiedersehen wollte.

„Wir hatten einen Streit, naja es war nicht wirklich ein klassischer Streit, aber..."

„Ich weiß. Owen hat mir davon erzählt", unterbracht Patricia sie. „Und er weiß auch, dass er einen Fehler gemacht hat."

„Er war sich ziemlich sicher, als er mir gesagt hat, dass er nicht mit mir studieren will."

Patricia nahm Ambers Hand in ihre. „Er will mit dir studieren, glaub mir. Aber gleichzeitig will er einfach nur das Beste für dich und er hat Angst, dass du ihn über deine Familie setzt."

„Aber natürlich mache ich das", antwortete Amber. „Natürlich setzte ich Owen über meine Eltern, die sich nie dafür interessiert haben, was ich machen möchte."

„Owen hat einfach Angst, dass du deine Familie verlierst."

„Was wäre daran schon so schlimm?"

„Ich will dir was erzählen, Amber." Patricias Hand strich kurz über Ambers, als sie ihr tief in die Augen sah. „Owen hatte nie einen Vater. Er hat mich verlassen, bevor ich überhaupt wusste, dass ich mit Owen schwanger bin und wollte die ganzen Jahre keinen Kontakt zu seinem Sohn aufbauen. Sein ganzes Leben hat Owen seine Freunde beneidet, die mit beiden Elternteilen aufgewachsen sind und ich habe immer alles dafür getan ihm Liebe zu zeigen und ihm zu beweisen, dass eine Familie nicht immer eine Mutter und einen Vater braucht. Dass ich genug sein könnte." Patricia räusperte sich kurz. „Ich denke er will nicht, dass es dir geht wie ihm. Für ihn hast du es perfekt. Du hast beide Elternteile und auch noch eine Schwester. Owen kann einfach nicht verstehen, wie man das gefährden könnte. Schon gar nicht für ihn."

Amber ließ Patrica nicht aus den Augen. Sie sah, wie sich Flüssigkeit in ihren Augen sammelte, sie sich aber bemühte, dass die Tränen nicht über ihre Wangen liefen.

„Ich wusste das alles nicht. Owen hat mir nie von seinem Vater erzählt."

„Gib ihm doch vielleicht einfach nochmal eine Chance. Erklär ihm, wie wichtig er dir ist. Ihr zwei seid gut füreinander, ich habe ihn lange nicht so glücklich gesehen, wie er mit dir ist."

Amber nickte und schluckte den Kloß in ihrem Hals runter. „Ich werde es versuchen", versicherte sie Patricia.

„Und jetzt geh schon zu deinen Freundinnen und hab einen schönen Abend!", meinte Patrica und stupste Amber kurz gegen ihr Bein.

„Danke, dass du mir Owens Geschichte erzählt hast", sagte Amber, während sie aufstand und ihr Sweatshirt richtete. Gleichzeitig liefen die ersten Footballspieler auf den Rasen. „Bis dann."

Hail Mary | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt