002. Briefe von niemandem

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___Kapitel 2___

Briefe von niemandem

The Letters from No One

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Ich behalte Recht und nach der Flucht der Boa constrictor, folgt meine längste Strafe sein langem. Und wenn ich mich nicht täusche sogar Toms längste. Und das obwohl mein Brüderchen, während des vermeidlichen Verbrechens einige Gehege weiter weg gestanden hat! Die Sommerferien haben bereits seit einer Woche angefangen und vor 3 Wochen waren wir im Zoo. Das bedeutet, dass wir endlich nach 3 Wochen wieder nach draußen gehen dürfen. Heute kommen Lukes Eltern, um ihn für sein Internat in Brooklyn fertig zu machen und gerade stolziert Luke in seiner neuen Smeltings-Uniform durch das Wohnzimmer des Kinderheims.

Während sein Vater etwas von wegen „unglaublich stolz" murmelt, bricht seine Mutter in Tränen aus und erklärt, Er sieht ja so hübsch und erwachsen aus. Auch ich habe Mühe nicht in Tränen auszubrechen. Um das genauer zu spezifizieren: in Lachtränen. Als mein Zwilling und ich am nächsten Morgen die Küche betreten, schlägt uns ein grauenvoller Gestank entgegen. Offenbar hat Tom die Ursache des Gestanks ausfindig gemacht, während ich noch mit einer herannahenden Ohnmacht kämpfe, denn er schritt auf eine große Emailschüssel zu. „Was ist das?",fragt er Lukes Betreuer, und an seinem Tonfall erkenne ich, dass er sehr wohl eine dunkle Vorahnung hat.

„Eure neuen Schuluniformen. Ich habe ein paar alte Kleidungsstücke eingefärbt. Das sieht dann genauso aus." Nun trete auch ich näher und was ich sehe, erinnert stark an zerfetzte Elefantenhaut. Aber inzwischen ist es mir, wenn ich ehrlich bin, ziemlich egal. Jahrelang laufe ich in den alten Klamotten der anderen Heimkinder herum. Nicht, dass ich nicht gerne mal etwas Passendes tragen würde, aber früher oder, in diesem Fall eher später, gewöhnt man sich daran. In diesem Moment betreten die beiden übrigen Betreuer den Raum und halten sich sogleich, die Nasen zu. Mir entegeht nicht wie Luke meinem Bruder ein gehässiges Grinsen zuwirft.

Was ein Idiot. Ein Klappern ertönt und man hört die Post auf dem schrecklich gemusterten Teppichboden aufschlagen. „Luke hol die Post.",befehlt Lukes Betreuer Mr. Miller, ohne von der ach so wichtigen Zeitung aufzusehen, die er sich von Zuhause aus mit genommen hat. Bevor Luke etwas erwidern kann, beeile ich mich zu sagen:„Ich hol sie!" Letztendlich würde es so oder so auf mich oder meinem Bruder herauslaufen, da der Betreuer überall jeden gerne herum kommandiert. Draußen im Flur liegen vier Briefe: eine Postkarte von Mrs Johnson, die sich eine Woche Urlaub genommen hat, ein brauner Umschlag, welcher ganz nach Rechnung für den Besitzer des Heimes aussieht und... Briefe für mich und Tom!

Schnell hebe ich die schweren Umschläge auf und schaue auf den Namen und die Adresse. Fehler sind definitiv ausgeschlossen:

Miss. C. Priestley
Churchstreet 4
Little Whinging
Surrey

Toms Brief ist nicht weniger genau adressiert. Die Umschläge sind schwer und aus gelblichem Pergament, von dem sich smaragdgrüne Tinte abhebt. Gerade möchte ich den Brief öffnen, da ertönt Mr. Millers Stimme aus der Küche, ich solle mich beeilen. Meine Augen geradezu auf die verschnörkelten Buchstaben geklebt, gehe ich bummlig in die Küche zurück, reiche meinem Ersatzbetreuer, die Postkarte sowie die Rechnung, setzt mich dann neben meinem Bruder und mache ihn auf unsere Briefe aufmerksam. Doch kaum hat er den seinen in der Hand, entreißt unser Betreuer mit einer Geschwindigkeit, die man ihm gar nicht zugetraut hätte, uns die Pergamentumschläge.

„Die sind für uns!",protestierte Tom sogleich. „Wer sollte euch denn schreiben?",höhnt Mr. Miller mit herausfordernder Stimme, und nicht ohne ein verächtliches Grunzen davorzusetzen. Er würdigt uns keines Blickes mehr, bricht das purpurne Wachssiegel und liest. Während unser geliebter Betreuer Mr. Miller das tut, wechselt sein Gesicht zunächst in das Magenta rot, welches mich schon auf der Fahrt in den Zoo fasziniert hat, kurz darauf in ein dunkles Chromoxidgrün und schließlich in eine weiß-graue Farbe. Wirklich beeindruckend! ,,Diese Briefe sind nicht für euch.",murmelt der große stämmige Mann. In der Zwischenzeit haben sich Lukes Eltern verabschiedet und verlassen das Heim.

Slytherins ErbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt