Kapitel 95 - Aufwachen!

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"Ann wir brauchen dich im Konferenzsaal", höre ich eine strenge Stimme und drehe mich murrend zur Seite um weiterzuschlafen. Als mich etwas an der Nase kitzelt werde ich so weit wach, dass ich feststellen kann es ist eine der Dreadlocks von Kuina. Meine Augen fühlen sich immer noch schwer an und ich spüre einen kleinen Druck an meinem Kopf, nur noch zehn Minuten voller Ruhe und Entspannung, mehr wünsche ich mir nicht.

"Aufwachen", höre ich eine fremde Stimme und schnaufe genervt aus. Auf meiner linken Seite bewegt sich jemand und setzt sich auf.

"Ist ja schon gut", höre ich Ann und sie steht auf, wahrscheinlich um sich schnell im Bad fertig zu machen. Da diese Bettseite nun frei ist drehe ich mich wieder mit dem Rücken zu Kuina und kuschele mich in mein Kissen. Langsam verarbeitet mein müdes Gehirn den Ende der letzten Nacht. Zusammen wollten wir Izumi auf ihr Zimmer bringen, wobei jeder von uns ziemlich viel getrunken hatte. Selbst Ann musste sich ein kleines bisschen an der Wand abstützen. Irgendwie kamen wir auf die Idee, wie großartig es doch wäre uns alle in das Bett von Ann zu quetschen um Mittags zusammen aufzuwachen. Ich lag zwischen Kuina und Ann eingeklemmt mit beiden Beinen angewinkelt, da wir Izumi am Fußende abgelegt haben. 

Ich nehme plötzlich einen strengen Aftershave-Geruch war und die Sonne scheint mir nicht mehr direkt ins Gesicht, was ich gekonnt ignoriert habe. Jemand kommt meinem Gesicht näher und als ich die Lache höre, verziehe ich das Gesicht und drücke demjenigen mein Kissen ins Gesicht drücke. 

"Nein, nein so früh morgens ertrage ich dich nicht", meckere ich und entferne das Kissen wieder von Niragis Gesicht, um ihm den Rücken zuzudrehen. An seinem lachenden schnaufen erkenne ich, dass er nicht mit dem Gedanken spielt mich zu erschießen was um diese Uhrzeit schon einmal ein Erfolg ist. Aber der Gedanke, dass er mit seinem Gewehr neben dem Bett steht, in dem ich schlafe macht mich doch nervös, also setze ich mich auf und stelle fest, dass ebenfalls Aguni mit verschränkten Armen im Raum steht und Chishiya in der Zimmertür. 

"Nette Begrüßung am Morgen", fluche ich leise und fahre mir durch meine Haare, damit sie nicht unordentlich oder zerzaust aussehen. 

"Wir haben fast Nachmittag", bemerkt Aguni trocken und ich zucke unweigerlich zusammen. Anscheinend habe ich lauter geredet als gedacht. Kein Wunder wenn ich mich so früh mit Niragi rumschlagen muss. Aguni sieht kurz zur Badezimmertür, verlässt dann aber den Raum und nickt seinem Handlanger zu. Versichert davon, dass Ann sich fertig macht und Niragi aufpasst, fühlt er sich hier offenbar überflüssig. 

"Falls es dich interessiert", beginnt Niragi und setzt sich auf die Bettkante neben mir, während er sein Gewehr auf dem Boden abstützt, "Der schmierige Typ, den du aus der Frontscheibe gejagt hast, stirbt Ende dieser Woche"

"Warte, sein Visum ist nicht schon längst abgelaufen?", frage ich ungläubig aber Niragi schüttelt nur den Kopf verneinend.

"Er hat anscheinend jeden Abend an einem Spiel teilgenommen, da haben sich einige Tage angesammelt", bemerkt Chishiya von der Zimmertür aus. 

"Wie konnte er so viele Spiele gewinnen? Er und sein Freund wirkten nicht gerade intelligent", runzele ich kritisch meine Augenbrauen. 

"Sie haben sich wahrscheinlich an Leute wie uns gehängt und sie dann nach dem Spiel getötet oder mit in ihr Versteck genommen", vermutet Niragi und ich stimme ihm stumm zu, eine andere Erklärung würde mir nicht einfallen. In der letzten Zeit habe ich nicht oft an diesen Mann gedacht, aber ich war der festen Meinung, dass er schon längst tot ist und entweder in dem Container mit der blauen Plane liegt oder auf einem Tisch in Anns privater Leichenhalle.

Ich sehe zu Izumi und Kuina, aber beide schlafen seelenruhig und scheinen sich nicht durch die Anwesenden gestört zu fühlen. Ich krabbele aus dem Bett und lege die Decke auf dem Boden wieder auf Izumi am Fußende, damit sie nicht friert. Wenn es wirklich schon Mittag ist habe ich noch einiges vor dem Spielbeginn zu tun. 

"Möchtest du dabei sein?", fragt Niragi und ich halte einen Moment inne. Ich verabscheue Männer wie den Fremden und manchmal spüre ich immer noch seine Hand auf meinem Oberschenkel.. Die rotblauen Flecken sind immer noch nicht abgeklungen, aber ihn praktisch hinzurichten? Nein, dass bin nicht ich. 

"Frag mich einfach noch einmal kurz vorher", sage ich um Zeit zu schinden, damit ich die richtige Entscheidung für mich in Ruhe treffen kann. Ich laufe aus dem Raum und an Chishiya vorbei, wobei er sich schnell umsieht und sich außerhalb der Sichtweite von Niragi in meinen kleinen Finger einharkt. 

"Ich spiele heute mit dir und Ann. Wahrscheinlich das letzte Mal in der nächsten Zeit", flüstert er schon fast. Gut, ich wollte gestern Ann nicht fragen ob er auch mitkommt, nachdem sie mich erwischt hat wie ich Chishiya und die unbekannte Frau angestarrt habe. 

"Kommt noch jemand mit?"

"Ja, zwei vom Militärtrupp", nickt er leicht, während er in Anns Zimmer sieht und seinen Blick ein wenig senkt. 

"Zwei? Sonst ist es doch immer nur einer"

"Zwei aus der Führungsrege, zwei aus dem Militärtrupp", tut er es einfach so ab und ich nicke. Na dass kann ja was werden. 

"Kreuz", sage ich zum Abschied und verstärke meinen Griff für einen Moment um seinen kleinen Finger, bevor ich gehen möchte. Aber er scheint genau zu verstehen und sieht grinsend zu mir.

"Pik"

Mit einem zufriedenen Lächeln und ohne mich umzudrehen laufe ich zu meinem Hotelzimmer. Ein Wort genügt und wir verstehen uns sofort. Alleine diese Tatsache löst in mir ein kribbelndes Glücksgefühl aus. In meinem Zimmer angekommen springe ich unter die Dusche und ziehe meine Spielkleidung an. Meine schwarze Sporthose von Nike, mein weißes Shirt und meine weißen Cheerleader-Sportschuhe. Das elegante Armband meiner Großmutter tausche ich gegen mein Schlüsselband aus und ich stecke meinen schwarzen Gummiball ein. 

Ich laufe schonmal in die Eingangshalle, da ich und Yuudai im Laufe des letzten Abends ausgemacht haben, vor den Spielen noch einige Runden Tischfußball zu spielen. Zum einen da wir dann rechtzeitig der Rede des Hutmachers zuhören können, aber viel mehr um Yuudai zu beruhigen. Es ist wie mit meinem Gummiball oder das Kochen für Katsu. Es scheint, als wäre Yuudai dadurch konzentrierter was nicht schadet, da er noch nervöser scheint weil er nicht mit Izumi heute spielt. 

Wir gewinnen alle Runden, bis der Bereich sich immer mehr mit Menschen füllt und der Hutmacher neben Aguni und Mira auf die Empore tritt. Er hält wie immer seine Motivationsrede und alle stürmen begeistert aus der Halle. Dieses Mal entschließe ich mich dazu, ebenfalls gleich zu dem mir zugeteilten Wagen zu laufen. Ich binde meine Haare zusammen und lehne mich an das Auto und warte bis Ann, Chishiya und die beiden mir unbekannten Mitglieder des Militärtrupps dazustoßen. Die Frau habe ich schon öfters bei Niragi gesehen, den Mann sehe ich zum ersten Mal.

Wir fahren ungefähr fünfzehn Minuten und als wir den Wagen parken wirft mir Ann einen Blick zu, welcher besagt dass ich als erste zum Spielort laufen soll. Also folge ich den Lichtmarkierungen zu dem Eingang eines hohen Industriegebäudes. Ich nehme mir eines der bereitliegenden Handys und lasse die Gesichtserkennung laufen, wobei ich mich an eine Wand lehne und beginne mit meinem Flummi zu spielen. 

Die anderen kommen im Abstand von ungefähr drei Minuten nach und positionieren sich in einem jeweils anderen Areal, damit man uns nicht in Verbindung bringt. Nach einiger Zeit ertönt die weibliche, mechanische Stimme und kündigt unser Spiel an.

Die Registrierung ist abgeschlossen. Teilnehmeranzahl : 12. Schwierigkeitsgrad : Pik 7. Spiel : Schreckensärzte.   

Wir alle tauschen einen beunruhigten Blick aus und warten gespannt auf die Spielregeln, aber die Stimme verstummt. Nervös sehe ich zu Ann und warte auf die folgenden Instruktionen, die aber ausbleiben. Mein Herzschlag verdreifacht sich, noch nie habe ich an einem Spiel teilgenommen, wo die Spielanleitung gefehlt hat. 

In dem Moment als ich zu Chishiya sehe, kommt neben mir aus der Wand ein Gas und ich atme es unweigerlich ein. Hustend stolpere ich nach hinten und spüre noch Anns Arme um mich, bevor alles schwarz wird und meine Beine nachgeben. 


Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt