Kapitel 102 - Untergetaucht

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Regel Nummer eins: Er stellt keine Fragen, wenn ich keine stelle. Niragi fällt es ziemlich leicht mich zu ignorieren und da er sich sowieso für niemanden interessiert war dieser Punkt schnell abgeharkt. Trotzdem spüre ich ab und an seinen kritischen Blick auf meinen geschwollenen und blauen Wangenknochen, wenn ich ins Bad gehe. Er hält sich zwar an die Abmachung, aber das hält ihn nicht davon ab hin und wieder einen dummen Spruch fallen zu lassen. Wirklich anderes habe ich aber auch nicht von ihm erwartet.

Regel Nummer zwei: Keine Annäherungsversuche, kein Begrabschen, kein sich zu mir ins Bett legen, kein Bedrängen, kein spannen wenn ich unter der Dusche stehe, kein ekelhaftes über die Lippen lecken, keine Erwartung einer sexuellen Gegenleistung. Zusammengefasst heißt das für ihn Finger weg!

Regel Nummer drei: Niemand darf wissen, dass ich hier bin. Diese Regel war ihm schon fast genauso wichtig wie mir. Ich wollte keinen meiner Freunde sehen, schließlich bin ich aus diesem Grund hier. Und Niragi wollte nicht, dass andere erfahren er lässt ein weibliches Wesen bei ihm wohnen ohne Sex mit ihr zu haben. Dass er das einzig Nette an ihm verschweigen möchte, kommt mir traurigerweise zu Gute. Doch er fügte eine Ausnahme in diese Regel hinzu. Wir haben vereinbart wenn Aguni ihn darauf anspricht, kann er ihm sagen wo ich bin. Aber nur ihm. Da seine Loyalität nur gegenüber seinem Boss und nicht auch noch dem Hutmacher besteht war es auch kein Problem für ihn oder mich. Jedenfalls wird es für niemanden leicht aus diesem Militärklotz etwas herauszubekommen.

Regel Nummer vier, die letzte Regel: Er darf mich nicht erschießen wenn ich mürrisch bin oder bissige Kommentare abgebe. Niragi hat sich nur dazu überreden lassen, weil er sich ein Codewort ausgedacht hat, welches er immer sagt wenn er mich sonst erschossen hätte. Sein selbstgewähltes 'Saveword' ist Ständer, welch Überraschung. 

Mittlerweile sind genau drei Tage vergangen, seitdem ich schon fast bewegungslos im Bett liege und Löcher in die Wand starre. Der einzige Grund für mich aufzustehen ist, um ins Badezimmer zu gehen. Ehrlich gesagt habe ich zu mehr weder Lust, noch Kraft. Ich bin kaum körperlich in der Lage mein Wasserglas am Hahn im Waschbecken aufzufüllen und dass ich seit Tagen auch nichts mehr gegessen habe hilft dabei auch nicht. 

Drei Tage ist es her, aber egal wie viel Zeit vergeht ich fühle mich einfach nicht besser. Oder normal. Meine Augen sind angeschwollen und fühlen sich müde an, meine Lippen sind ausgetrocknet und aufgerissen. Meine Haare habe ich zu einem unordentlich Zopf gebunden, damit sie mir nicht ständig im Gesicht hängen. Dadurch, dass ich den ganzen Tag nur im Bett liege komme ich weder zur Ruhe, noch zu ein bisschen Schlaf. 

Und immer wieder habe ich nur einen Gedanken: Wie konnte ich so dumm sein? Wie konnte ich nur so dumm sein mich zu verlieben? Ich habe mich schonmal festgestellt, dass es entweder das Beste oder das Schlimmste sein kann, was mir hier im Borderland passieren konnte. Anscheinend habe ich meine Antwort darauf erhalten. Ich habe wirklich gedacht, dass es Chishiya irgendetwas bedeuten würde, dass ich ihm etwas bedeute. Lachhaft. 

Es ist nicht nur der Kuss, vielleicht hätte ich nicht überreagiert und Chishiya zur Rede gestellt. Aber was hätte er schon gesagt? Schließlich hat er sie auch geküsst und das habe ich mir nicht nur eingebildet. Aber die Tatsache wie verrückt der ganze Tag war und das ganze Gefühlschaos. Schon witzig wie der schönste Morgen so eine Wendung nehmen konnte. Ich kann niemandem unter die Augen treten und will es auch nicht. Izumi würde nur versuchen mich aufzumuntern, auch wenn sie nicht weiß was los ist. Sie würde dabei in jedes noch so kleine Fettnäpfchen treten und das würde Salz in die Wunden streuen. Yuudai wäre total überfordert und würde mich durch Tischkicker ablenken wollen, dabei aber peinlich schweigend kein Wort herausbekommen. Ann könnte ahnen warum es mir so geht, aber ich glaube nicht dass sie es verstehen würde. Muss sie auch nicht, schließlich war es meine eigene Schuld aufzutauen und Gefühle zuzulassen. Und Kuina? Ich würde mich einfach unwohl fühlen mit ihr darüber zu reden, denn sie kennt Chishiya gut genug. Ob sie wusste, dass zwischen den beiden etwas läuft? Annehmen kann man es, jetzt ergibt es auch einen Sinn weshalb sie mich im Eingangsbereich schnell von Tayuya weggezogen hat. 

Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt