Rote Augen

9.2K 519 96
                                    

Ganz ruhig Sidney, niemand starrt dich an, es ist alles gut. Ach, was redete ich mir ein, jeder starrte mich an. Ihre Blicke klebten mir an den Fersen und sie schienen sich nichteinmal mehr dafür zu genieren. Mir stieg Wärme in den Kopf und ich versuchte inständig, nicht rot zu werden. Ich war gerade an einer Abzweigung des Korridors angelangt, als plötzlich Harry um die Ecke kam. Unsere Blicke trafen sich, und verharrten für einen Moment aufeinander. Meine Beine fühlten sich wie Blei an und ich hätte beinahe nicht bemerkt, dass ich plötzlich stehen geblieben war. Aufeinmal riss Harry seinen Blick von mir los und ging ohne ein weiteres Wort zu sagen an mir vorbei, als würde ich nicht existieren. Mein Blick fixierte sich nach vorne und ich ging so schnell ich konnte weiter. Ich kämpfte mit den Tränen, die versuchten sich auszubreiten. An dem goldenen Adler vor Dumbledores Büro machte ich Halt. "Bozear", sagte ich und der Adler drehte sich gebieterisch zur Seite. Oben angekommen klopfte ich dreimal. "Herein.", sagte die Stimme Dumbledores. Vorsichtig schlich ich hinein. Dumbledore saß an seinem Schreibtisch, er sah müde und erschöpft aus. Als ich mich setzte, hob er den Kopf. 
"Du siehst müde aus, Sidney.", meinte er. Tatsächlich hatte ich in den letzten Wochen kaum ein Auge zugedrückt. Tiefe Schatten lagen unter meinen Augen und meine Knochen fühlten sich an wie Blei.
"Sie auch.", entgegnete ich,  gleichzeitig merkte ich, dass das völlig unangebracht war. Doch zu meiner Überraschung lächelte Dumbledore sogar. 
"Die Vorkommnisse der letzten Wochen haben mir einiges an Arrangement verlangt." Ich spürte, wie Schuldgefühle und Scham in mir aufstiegen. 
"Sir, Sie ahnen nicht, wie unglaublich Leid mir das alles tut. Ich fühle mich furchtbar. Wenn sie wollen können Sie mich einfach wieder nach Hause schicken und  hier würde wieder Ruhe einkehren." Ich senkte meinen Kopf, das gerade war weniger ein Vorschlag als eine Bitte. 
"Im Leben gibt es gute, und es gibt schlechte Zeiten, Sidney. Wir dürfen nicht gleich weglaufen,  wenn letzteres einmal eintritt. Denn sonst geben wir den guten Zeiten nicht die Gelegenheit, wieder einzukehren. Du trägst für all das hier keine Schuld. Wenn überhaupt, dann ist es meine." Wie sooft, fuhr er sich mit seiner Hand nachdenklich durch seinen Bart, ehe er fort fuhr. 
"Harry war gestern bei mir.", sagte er dann. Ich spürte, wie sich sämtliche Muskeln meines Körpers zusammenzogen und der mir langsam nur zu bekannte Schmerz durch meinen Körper durchströmte. Dumbledore bekam meine Reaktion auf seinen Namen zweifellos mit.
"Liebe kann etwas Schönes und zugleich etwas Quälendes sein. Du liebst Harry. Und auch wenn es zur Zeit nicht den Eindruck macht, auch er liebt dich. Gerade deshalb durchleidet er zur Zeit, wie du, unvorstellbaren Schmerz." Ich atmete einmal tief durch. Eigentlich wollte ich mit Dumbledore darüber nicht reden, aber ihr Gespräch hat mich neugierig gemacht. 
"Denken Sie, er wird mir je verzeihen?" Meine Stimme klang kehlig. Dumbledore ließ sich Zeit, ehe er antwortete.
"Er ist zur Zeit blind vor Enttäuschung und Wut. Man könnte ihm jetzt alles erdenkliche sagen und erklären, er würde nicht zuhören. So war es auch in unserem Gespräch gestern. Aber entstehen gerade solche Reaktionen durch grenzenlose Liebe?" Was er sagte, klang einleuchtend, trotzdem fühlte ich mich nicht gerade besser. Harry leidete, und gerade das ließ mich noch viel mehr leiden. "Ich habe vor ein paar Tagen ein wichtiges Gespräch mit unserem Zaubereiminister gehabt.", meinte er dann und das erweckte meine Neugier von Neuem.
"Ihm ist nun klar, dass du keinerlei Bedrohung für unsere Welt darstellst. Ich konnte ihm sogar einbläuen, dass vermutlich sogar genau das Gegenteil der Fall ist. Jedenfalls zeigte er sich äußerst kooperativ. Ganz der Geschäftsmann, wird sein Konzept so sein, dass er nach und nach den Tagespropheten anweist, dich in ein postives Licht zu stellen und dich als die Heldin gegen das Böse und eine neue Zauberin unserer Zeit darstellt. Diese Pressemeldungen werden immer direkter und mehr, bis man schließlich nur noch ein positives Bild von dir hat." Ich nickte. Das klang nach einem Plan. 
"Fudge will dich demnächst kennenlernen.", sagte Dumbledore schließlich. Irgendetwas in seiner Stimme verriet mir, dass dies nicht nach seinem Willen geschah, weswegen ich fragte:
"Sir, was passt Ihnen an diesem Treffen nicht?"
"Ist dein Ruf ersteinmal bereinigt und die Zaubererwelt ist voll und ganz auf deiner Seite, wird Fudge die Gelegenheit am Schopf packen und dich voll und ganz in das Zaubereiministerium involvieren. Hat er eine der mächtigsten Hexen unserer Zeit auf seiner Seite, wird ihn das als Zaubereiminister in ein zweifellos positives Licht lenken. Wie gesagt, ganz der Geschäftsmann. Ich bin mir nur nicht im Klaren, ob sich das als gut für dein Leben auswirken wird. Deshalb rate ich dir einfach, Vorsicht walten zu lassen, wenn du dich mit ihm unterhältst. Fudge denkt in erstem Sinne nur an sein eigenes Wohl."
"Ich bin mir bewusst, um was es sich für einen Mann bei Fudge handelt. Sie können unbesorgt sein, ich weiß, wie ich mich ihm gegenüber verhalten zu habe. Ich bin durch und durch auf ihrer Seite, Professor." Dumbledore lächelte leicht.
"Es geht nicht darum, auf welcher Seite du bist, sondern welche Seite du bist. Aber ich weiß das sehr zu schätzen, Sidney." Er stand von seinem Schreibtisch auf und schaute aus dem großen Fenster seines Büros, von dem man auf einen Teil des Schlosses, den schwarzen See und die Berge, die sich in Weiter Ferne erstreckten, sehen konnten.
"Herrlich, nicht wahr.", meinte Dumbledore, doch es klang mehr, als würde er zu sich selbst sprechen. "Gibt es noch irgendetwas, das du mir sagen willst, Sidney?" Ich dachte nach. Mir ging viel im Kopf herum, doch ich war einer der Menschen, die solche Sachen lieber verdrängten, weshalb ich sagte: "Nein, Professor." Dumbledore nickte bedächtig mit dem Kopf. "Dann war es das für heute, Sidney. Wir sprechen uns bald." 
"Auf Wiedersehen, Professor.", sagte ich und ging aus dem Büro hinaus. Bei jedem meiner Schritte hatte ich Angst, wieder auf Harry zu treffen. Ich könnte es nicht ertragen, ihn wieder so abweisend und kalt zu erleben. Er leidete. Er leidete, und das nur wegen mir. Ich ertrug diese ganz Last einfach nicht mehr. Ich musste mit jemandem darüber reden. Der einzige Mensch zu dem ich jetzt wollte war meine Mom. Ich musste ihr schreiben. Zwar konnte ich ihr nicht genau erzählen, was los war, denn sonst würde sie auf der Stelle kommen und mich abholen. Aber ihr zumindest über meine Gefühlslage zu berichten, das konnte ich. Der Gemeinschaftsraum war zum Glück weitgehend leer, als ich mich mit Feder und Papier an einen der Tische setzte. 

Plötzlich in Hogwarts - Harry Potter FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt