01 | irland.

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JULI 1996

Freiheit zu spüren bedeutete für Logan Ainsley den Duft salziger Meeresluft zu inhalieren und die Kuppen sich im Herbstwind wiegender Wälder zu beobachten. Zuhause zu sein war jedoch etwas, das sie vergessen hatte.

Das begriff sie, als sie in der lauen Sommerbriese vor den weitläufigen Feldern Enniscorthys stand.

An anderen Sommertagen, als die Sonne heiß und erbarmungslos auf die ternen Straßen geschienen hatte, waren die Kornfelder vertrocknet und die Sicht bis zu dem Landsitz aus dunkelrotem Backstein geblendet gewesen.

Heute lag Nebel um das Feld, in das niemand in diesem Jahr Samen gestreut hatte. Und der Himmel ruhte ihnen schwer auf den Schultern.

Reed Macaulay war in dem Bauernhof ihrer Zaubererfamilie aufgewachsen, nachdem ihr Vater sich vor dreißig Jahren im Namen der Landwirtschaft von der Magie abgewandt hatte. Und vielleicht auch, weil er damals seinen Job im irischen Ministerium verlor. Heute besaßen die Macaulys keine ihrer Pferde, Kühe oder Hühner mehr. Bloß noch zahllose Katzen, doch auch von denen fehlte jede Spur, als Logan am Wegesrand vor den in Schlieren versunkenen Feldern stand und auf die kaum auszumachenden Zinnen starrte.

Fred neben ihr vergrub sein Kinn hinter seinem Jackenkragen.

„Wie fühlst du dich?", fragte er und schielte verhalten auf Logan hinab, die seit Unendlichkeiten die Ferne betrachtete. Und all die Möglichkeiten, die sie hielt. „Ich mein, es ist okay, wenn du's heute noch nicht machen willst. Hinten im Dorf ist 'ne Muggelkaserne, der Kuchen im Schaufenster sah verdammt lecker -"

„Halt den Mund, Fred", schnaubte Logan und verkniff sich ein Grinsen. „Ich tus." Sie presste ihren Kiefer zusammen. Fred schmunzelte. „In einem Moment."

Es war fünf Stunden her, dass sie von der Winkelgasse aus aufgebrochen waren. George hatte in der Hintertür des Ladens gestanden und bedeutungsschwer in den unheilvollen Regenhimmel gestiert.

„Sicher, dass es heute sein muss?", hatte er gefragt und ließ offen, was niemand von ihnen sagte: Müsst ihr wirklich los?

Seit Tagen hing ein ewig währender Nebel über dem Land und das Versprechen von Sommer, das ihre Abschiedsfeier auf den Ländereien von Hogwarts gewesen war, hatte kaum existiert. Denn schon am Morgen danach hatte sich die Welt für eine andere Realität entschieden.

„Ich muss es tun", hatte Logan trotzdem gesagt und ihren Rucksack geschnürt. Das Frühstück lag ihr schwer im Magen. Die Ungläubigkeit von etwas, das man nie zu erreichen geglaubt hatte. In den Türmen von Hogwarts war Logan sich sicher gewesen, Irland nie wieder zu sehen.

Aber nun stand sie dort, in Ennescorthy, der Heimat ihrer Sommerferien. Die Sohlen auf kaltem Teer, die Haare vom in der Luft flirrenden Wasser kraus. Fred langsam ungeduldig. Der Apfelbaum hinter Reeds Haus war nicht zusehen.

Trotzdem wagte Logan einen Schritt vor. Einen einzigen.

Sie wusste nicht einmal, ob Reed zuhause war.

Wieder nahm sie einen.

Fred folgte ihr.

Und ehe sie sich versah, ging sie darauf zu. Auch, wenn ihre Beine seltsam fern erschienen: Sie trugen sie und Logan ging, geradewegs zu dem Haus ihrer besten Freundin. Dorthin, wo sie in einer anderen Welt noch jede Sommer- und Weinfeste verbracht hatte, wenn die Sippe der Macauleys über das Land hinweg zusammen gekommen war.

Sie hielt erst an, als sie die Umrisse der Haustür ausmachte. Ein fader Schleier tanzte vor den Nebelstreifen. Derselbe Warnzauber, der den Fuchsbau mittlerweile auch umgab.

THE AFTERMATH » fred weasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt