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Harry James Potter hatte seine Augen noch nicht weit genug geöffnet, als dass man die Farbe hätte erkennen können, aber Lily hatte schon dreimal gesagt, dass wenn sie braun wären, sie daran zweifeln würde, dass es wirklich ihr Kind war. Völlig unabhängig davon, dass sie es vor weniger als 24 Stunden aus ihrem eigenen Körper gepresst hatte. 

Remus war froh, dass sie zumindest ihren Humor schon zurück hatte, denn die Stunden der Wehen, in denen Sirius und er James' Hilferuf gefolgt und im Versteck anwesend gewesen waren, hatten ihm wieder einmal bestätigt, wie froh er war, nicht weiblich zu sein. Nun, dachte er, zumindest herrschte keinerlei Zweifel daran, dass der kleine Harry James' Sohn war - die schwarzen Haare standen jetzt schon in alle Richtungen ab. Es würde Remus nicht wundern, wenn seine Augen die Farbe von Schokolade hätten und er in weniger als sechs Jahren eine Brille bräuchte. 

"Aber hey", hatte Sirius tröstend zu Lily gesagt, als sie ihre Meinung zu Harrys Äußerem das erste Mal erwähnt hatte, "vielleicht hat er ja deine ganzen Inneren Werte."

Sie hatte ihn angeschaut, mit diesem speziellen Blick, den sie ausschließlich für Sirius reserviert hatte und auch nur für die Momente, in denen er mal wieder ganz besonders großen Unsinn redete. Remus' Mann hatte die Dreistigkeit besessen, zu grinsen und zu sagen: "Vielleicht kann er sehr laut schreien." 

Das hatte der Potter-Neuling in den letzten Stunden schon ausführlich bewiesen, ganz so, als ob er allen zeigen wollte, wie recht sein Pate gehabt hatte. Remus wartete nur darauf, dass Lily Potter dafür sorgen würde, dass er bald einen Ehemann weniger haben würde, wenn er sich seine Kommentare nicht gelegentlich mal verkniff. 

Er wusste aber auch, dass Lily ihm, ganz genau wie Remus, alles verzieh, als sie ihn jetzt dabei beobachtete, wie er im Wohnzimmer der Potters im Schaukelstuhl saß und Harry in seinen Armen hielt. Wie seine Augen leuchteten und wie er vollkommen vergessen zu haben schien, dass es eine Welt außerhalb dieser kleinen Blase gab.

Remus beobachtete Lily, die im Bett lag und durch die offene Schlafzimmertür zu ihnen hinüber schaute. Auf der anderen Seite des Flures klapperten Teller in der Küche, wo James gerade dabei war, etwas zum Abendessen zuzubereiten. 

Remus stieß sich vom Türrahmen ab und schlenderte zu Lily, die sofort neben sich auf die Bettdecke klopfte. Er setzte zu ihr. 

"Eigentlich haben wir ihn dir ja abgenommen, damit du mal eine Runde schlafen kannst", sagte er leise. Lily seufzte und lächelte ein bisschen. 

"Glaub mir, das Angebot nehme ich auch gleich an", versicherte sie ihm. Ihr Blick glitt wieder zu Sirius und Harry hinüber. "Ich will nur noch einen Moment..." 

Remus nickte. Auch er konnte seine Augen nicht von dem perfekten Bild nehmen, was sich ihnen bot. 

"Ich kann nicht glauben, dass er da ist", murmelte sie. "Manchmal schaue ich ihn fünf Minuten nicht an und dann fange ich an zu zweifeln, ob die letzten Stunden wirklich passiert sind, ob er wirklich hier ist und gesund und ohne, dass wir zwischendurch den Ort wechseln mussten."

Remus drückte ihre Hand, aber er war selbst erleichtert, dass alles so reibungslos verlaufen war. Seit der Sache mit der Prophezeiung vor einigen Monaten waren die Potters auf der Flucht - alle paar Wochen mussten sie ihren Wohnort wechseln. Remus wusste, dass Lily es hasste - sie hatte sich vorgestellt, ein kleines Haus zu haben mit einem Garten, eines in dem man ein Kinderzimmer einrichten und Fotos aufhängen konnte. Stattdessen waren sie und James inzwischen Meister darin, das Mobiliar einer ganzen Wohnung in einen Koffer zu verkleinern und sie in Minuten zu verlassen. 

Die Besten der Besten, die der Orden zu bieten hatte, legten zahlreiche Schutzzauber über jede dieser Wohnungen. Aber irgendwo gab es ein Sicherheitsloch, die Orte sickerten immer zu den Todessern durch, früher oder später schlug einer der Zauber Alarm, wenn sich jemand näherte, der nicht autorisiert war. Dann hieß es, fluchtartig umzuziehen. 

Der Buchladen im LigusterwegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt