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September 1987, vier Jahre später

Hunderte Kinder rannten kreischend über den Schulhof der Grundschule. Remus hatte Julie längst aus den Augen verloren - sobald sie Hannah und ein paar andere ihrer Freunde aus der Vorschule gesehen hatte, war sein fünfjähriges Kind über alle Berge gewesen. Es überraschte ihn nicht im geringsten - sie hatte ihm, Mary und Jerry den ganzen Sommer in den Ohren gelegen, dass sie endlich in die erste Klasse kommen würde. Sie alle hatten mehrfach mitgeteilt bekommen, dass Julie bald quasi ein Teenager wäre (ein Ziel, das sie ganz klar anstrebte - Remus schob alle Schuld auf Jerry, der trotz des riesigen Altersunterschiedes praktisch mit Julie zusammengewachsen war), ebenso wie Edyta, Mrs Figg, die Rezas, die Jacksons und alle Streunerkatzen, die es um den Ligusterweg herum so gab. Remus bangte schon, Sirius irgendwann gestehen zu müssen, dass seine Tochter eine Katzenliebhaberin war. 

Ein sehr spezifischer Geruch zog in seine Nase und er sah nach rechts, wo er in deutlicher Entfernung Jerry erblickte, der außen am Zaun der Secondary School lehnte und sich über ihn hinweg mit Triveni Reza unterhielt. Remus hatte keinen blassen Schimmer, was zwischen den beiden Siebzehnjährigen vorging. Hauptsächlich schienen sie eine Freundschaft zu führen, die darauf baute, Make-up, Klatschzeitschriften und knappe Klamotten aus Second-Hand-Läden zu erstehen und auszutauschen. Mary hatte Remus trotzdem gezwungen, mit ihm ein ausgesprochen unangenehmes Gespräch über Geschlechtskrankheiten, AIDS und die Entstehung von Babys zu führen, sicherheitshalber für alle Varianten, denn weder Mary noch Remus hatte wirklich eine Ahnung, nach wem von ihnen Jerry in dieser Hinsicht schlug. 

"Jerry, wenn ich dich einmal dabei erwische, dass du im Buchladen eine Zigarette rauchst, machen wir eine Woche lang nur Mathe", sagte er ruhig, ganz als würde er mit Mary neben sich reden und nicht mit dem Jugendlichen in 50 Metern Entfernung. Jerry drehte sich trotzdem zu ihm um und trat hastig den glühenden Stummel aus, den Triv ihm gerade durch den Zaun gereicht hatte. Remus lachte leise und verdrehte die Augen, als er ihn leise fluchen hörte. 

"Mein Dad ist der Schlimmste", hörte er ihn brummen. 

"Warum hängst du dann die ganze Zeit zuhause rum?", fragte Triv verwundert, "warum gehst du nicht zur Schule?" 

"Eh", murmelte Jerry, "er ist ganz ok. Die Lehrer würden sich nur beschweren, dass ich immer noch nicht richtig lesen kann. Es ist schwer, ok? Die Wörter sehen alle gleich aus und wackeln die ganze Zeit. Remus ist entspannter, wenn er mir Zeug erklärt, fühl ich mich nicht so dumm. Und ich kann im Buchladen aushelfen - hab sogar eine offizielle Ausbildung angefangen, als Mary angefangen hat, voll zu studieren." 

Remus hörte auf, ihnen zuzuhören. Aber es war gut zu wissen, dass die Stunden, die er abends über Englisch-, Mathe- und Naturwissenschaftsbüchern saß, um Jerry am nächsten Tag etwas beibringen zu können, was ihm vielleicht nächsten Juni einen Schulabschluss brachte, nicht umsonst waren. Er drehte sich zu Mary: 

"Und? Bereit für den ersten Tag im Job?"

Mary grinste. 

"Bin ich bereit, mich vor eine Klasse mit 30 Siebenjährigen zu stellen und ihnen zu erklären, wie man necessary buchstabiert?", scherzte sie, "Wir werden sehen."  

Es hatte wirklich nicht lange gedauert, bis Mary des Buchladens überdrüssig geworden war und beschlossen hatte, einen Karrierewechsel zu machen. Dass sie sich ausgerechnet für Grundschullehramt entschieden hatte, überraschte Remus doch sehr, aber sie hatte Professor McGonagall angeschrieben und sich ihr Abschlusszeugnis so ausstellen lassen, dass sie sich damit auf einen Kurs bewerben konnte und dann verbissen gearbeitet, sodass sie jetzt, vier Jahre später, den Status einer qualifizierten Lehrerin hatte. Remus fragte sich, ob es Zufall war, dass sie gleich auf den ersten Schlag die dritte Klasse bekommen hatte, die auch ein gewisser Harry James Potter besuchte. Aber die Antwort war vermutlich entweder "ja" oder illegal und deshalb hatte er beschlossen, dass er es lieber nicht so genau wissen wollte. 

Der Buchladen im LigusterwegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt