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Remus ging nervös auf dem Gang auf und ab. 

Fast einen Monat hatte es gedauert, bis Amelia alles vorbereitet, seinen Antrag durch zahlreiche Gremien durchgeboxt und einen Besuch ermöglicht hatte. Dann hatte sie ihm einen Termin gegeben, aber er war an einem Vollmond gewesen - danke ans Ministerium für Rücksicht auf Einschränkungen seiner Bürger. Er hatte noch einmal zwei Wochen warten müssen. 

Aber heute, an einem Samstag Mitte November, zwei Wochen nach Sirius' 28. Geburtstag und etwas über sechs Jahre seit Remus seinen Mann zuletzt gesehen hatte, war es endlich soweit. Remus vermutete, dass Amelia sich einen Samstag ausgesucht hatte, damit das Ministerium beinahe ausgestorben war, aber das war ihm gerade recht. 

Remus schwitzte, seine Finger zitterten vor Nervosität und sein Magen war inzwischen ein einziger Knoten. Er hatte die letzten 24 Stunden nichts gegessen, obwohl Mary mehrfach versucht hatte, ihn dazu zu überreden. Seine meiste Energie hatte er darauf verwendet, dass Harry und Jules nichts davon mitbekamen. Die beiden Kinder waren in seliger Unwissenheit darüber, dass heute ein Tag war, auf den Remus seit Jahren hingearbeitet hatte - vielleicht war es der wichtigste Tag seines Lebens, nach Jules' Geburt. 

Obwohl er Jules und jetzt auch Harry oft von Sirius erzählte, wussten die beiden weder, dass er und Remus verheiratet waren (Remus war sich sicher, dass keines der Kinder damit ein Problem hätte, er machte sich eher Gedanken darüber, dass sie es als so unproblematisch empfanden, dass sie es in der Schule herumerzählen würden und während Remus diesbezüglich generell wenig auf die Meinung anderer gab, wollte er nicht, dass seine Sexualität auf seine Kinder zurückfallen würde - und er wusste, in einer konservativen Kleinstadt wie Little Whinging würde sie das), noch dass Jules' biologischer Vater im Gefängnis saß. Mary und Remus waren sich einig, dass sie mit fünf und sieben zu jung für eine Geschichte von Tod, Verrat, Krieg und Mord waren, insbesondere wenn Remus selbst noch nicht alle Zusammenhänge kannte. 

Wieder erreichte er die Tür am Ende des Ganges, machte auf dem Hacken kehrt und marschierte wieder los in die andere Richtung. Er war um Punkt zwölf Uhr bestellt worden, jetzt war es schon (er zückte zum fünften oder sechsten Mal seine Taschenuhr) dreizehn Minuten nach und von Amelia oder Sirius war immer noch keine Spur. Er prüfte noch einmal, dass er die richtige Raumnummer hatte, auf dem richtigen Stockwerk war. 

Insgeheim war er erleichtert gewesen, als Amelia ihm mitgeteilt hatte, dass sein Besuch nicht in Askaban selbst stattfand, sondern in einem Hochsicherheitstrakt des Ministeriums. Anscheinend war es leichter, einen Gefangenen hier her zu bringen - wurde das doch regelmäßig für Anhörungen gemacht - als einen Besucher ins Gefängnis. Oder, und Remus vermutete, dass das der tatsächliche Grund war, sie traute ihm nicht über den Weg und vermutete insgeheim, dass er genügend Informationen sammeln wollte, um Sirius im Anschluss aus dem Gefängnis zu befreien. 

Was auch immer der Grund war, Remus war froh, sich nicht den Dementoren stellen zu müssen. Sirius zu sehen würde schon reichen, um ihm seine schlimmsten Erinnerungen - nämlich die an den 31. Oktober vor sechs Jahren - in Erinnerung zu rufen.

Es war irgendwie interessant - Remus hatte eigentlich gar keine schlimmen Erinnerungen an den 31. Oktober selbst. Er hatte ja erst am 02. November erfahren, was passiert war. Trotzdem war alles, was passiert war, in seinem Kopf immer unwiderruflich mit dem ersten Datum verknüpft, nicht mit dem zweiten. 

Im Zaubereiministerium zu sein war allerdings nur bedingt besser als Askaban. Remus hatte sich in den letzten Jahren alle Mühe gegeben, die Zauberergemeinschaft zu vermeiden. 

Nachdem Harry vor knapp zwei Monaten bei ihnen eingezogen war, hatten Mary und er überlegt, ob sie den Kindern mehr von der Welt zeigen sollten, in die sie spätestens mit elf Jahren unausweichlich eintauchen würden. Als sie Neville und Susan kennen gelernt hatten, hatte Remus außerdem darüber nachgedacht, ob sie noch mehr magische Kinder in ihrem Alter treffen sollten. Kurz hatte er an die Weasleys gedacht, über deren Kinder er zwar keinen Überblick hatte, die aber sicherlich welche in Harrys und Jules' Alter hatten. 

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