Kapitel 1 - Beste Freunde

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"Hey, ich bin Harry. Ist hier noch frei?"
"Hi. Klar. Setz dich. Ich bin Louis."

Ein unscheinbares Gespräch. Es ging nur um die Sitzplätze in der Schulklasse und doch würde aus diesem Gespräch etwas ganz Besonderes entstehen. Die Geschichte von Harry und Louis.

Als beste Freunde.

Denn von diesem ersten Tag nach den Sommerferien in der siebten Klasse an, saßen sie immer zusammen. Egal in welchem Fach und egal in der wie vielten Klasse sie nun waren. Harry und Louis, Louis und Harry. Schon bald waren sie nur schwer zu trennen. Eben richtige Freunde.

"Hey Louis. Wir wollen heute Nachmittag zum See. Hast du Bock?", Fragte Niall, der in dem unverschämten Luxus schwelgte, dass seine Eltern an einem hübschen kleinen Badesee eine kleine Hütte hatten.
"Klar. Harry?", Fragte Louis und drehte sich zu Harry herum. Schon fast ein Jahr kannten sie sich nun. Denn bald wären wieder Sommerferien und dann würde die achte Klasse starten.
"Jap. Fahren wir zusammen?"
"Klar."
"Also kommt ihr?"
"Jap. Wir sind mit dabei."
Niall grinste. Es war selten, dass nur Harry oder nur Louis irgendwo auftauchten. Eigentlich gab es die zwei nur noch im Doppelpack.

Mit 13 Jahren war die Welt bei ihnen noch okay. Das größte Drama war eine verkackte Mathearbeit oder ein peinlicher Auftritt auf dem Schulhof, den weit weniger Menschen gesehen hatten, als man sich das in dem Moment selbst ausmalte. Ihnen allen ging es verhältnismäßig gut.

Louis mochte den See. Schwimmen konnte er nicht sonderlich gut, aber das war okay. Wer wollte auch schwimmen, wenn man andere nass spritzen oder umhauen konnte? Die wenigsten wussten, dass Louis sich um Schwimmstunden meist sehr erfolgreich gedrückt hatte. Er war sportlich sonst überall auf der Höhe. Ein Manko schadete ihm nicht, fand er selbst.

Und so spritzten sie am Nachmittag alle im Wasser herum. Es roch nach Sonnencreme, dem teils wohl etwas zu garem Fleisch vom Grill von den Leuten nebenan und Sommer. Die Sonne schien so heiß herab, dass der kühle See eine wunderbare Erfrischung bot. Zwischen Bäumen gelegen war es hier, zumindest in Ufernähe somit trotzdem recht schattig und kühler.

Louis rammte gerade einen anderen Klassenkameraden um. Er war relativ klein und zierlich gebaut. Er brauchte also eine einigermaßen ausgefeilte Technik, um die teils wirklich kräftigeren Jungen von den Füßen hauen zu können.  Sollte man meinen. Louis aber machte seine fehlende körperliche Masse durch Entschlusskraft problemlos wett. Auf glitschigem Boden warf er sich einfach gegen sie.

Aber Jeremy stand da, als sei er einbetoniert. Nun lachte der auch noch doof.
"Haha! Tommo willste kuscheln?!"
"Mit dir? Nee, danke.", Brummte Louis nur und machte sich auf den Weg zu einem neuen potentiellen Opfer: Harry. Der stand etwas doof, aber Louis brauchte ein Erfolgserlebnis. Also Harry stand normal, aber mit dem Rücken zum See. Also wenn Louis ihn eher nach hinten drängen würde, als umzubauen, würde das Wasser tiefer werden. Aber Harry sah zu Amber und Paula, die am Ufer saßen und ihnen nur zusahen. Er war also abgelenkt. Gut so.

Also stürzte Louis sich gegen ihn. Harry geriet tatsächlich ins Trudeln und konnte sich nirgends so wirklich abstützen. Hielt sich aber instinktiv an etwas fest. An Louis um genau zu sein. Nur war der eben nicht gerade standhaft wie eine Mauer, sondern eher wie der Samen einer Pusteblume. So stolperte Harry einfach mit Louis im Arm ein Stück nach hinten, bevor er schließlich doch noch umfiel.

Louis schluckte Seewasser und für einen Moment musste er darüber nachdenken, dass die armen Fische in diesem Tümpel nie etwas anderes bekamen. Es schmeckte wiederlich. Nach Erde und Staub und abgestandem Irgendwas und überhaupt.

Im nächsten Moment versuchte er irgendwie seine Beine und seine Füße unter sich zu bekommen, und sich wieder hinzustellen. Tat er auch. Aber er reichte nicht bis an die Wasseroberfläche.
Für einen Moment wallte Panik in Louis auf. So lange, bis er unter den Armen gepackt wurde und sein Kopf durch die Wasseroberfläche brach. Sofort prustete er Wasser aus und hustete.

"Tschuldigung. Ich dachte, hier ist es noch nicht tief.", Murmelte Harry betreten, der Louis noch immer hoch hielt.
"Äh... Ja... Ich bin halt nicht so hoch... Äh... Danke.", Murmelte Louis peinlich berührt und fühlte sich ein bisschen wie eine Katze, die Harry aus Versehen aus dem See gefischt hatte.

"Das war echt keine Absicht."
"Äh..  ich habe dich umgerammelt."
"Ja..  aber ich wollte nicht, dass du ins tiefere Wasser kommst."
"Was? Warum?"
"Weil du nicht schwimmen kannst. Das ist gefährlich. Dummerchen."
Louis starrte Harry mit großen Augen an. Harry wusste das? Woher?!

"Ich kenne dich doch.", Grinste Harry und stellte Louis wieder ab, wo der ganz sicher stehen konnte. Zum Glück hatten die anderen nichts mitbekommen.

"Ey! Kuschelt ihr jetzt?! Tommo biste schwul, oder was?!", Brüllte Jeremy ihnen zu.
Harry guckte verwirrt.
Louis schüttelte nur genervt den Kopf und erklärte: "Ich hab versucht ihn umzuschupsen. Hat nicht geklappt. Hatte den Effekt wie ein Marienkäfer, der einen LKW umschupsen will."
"Natürlich. Jeremy ist quasi drei Louis' viel.", Lachte Harry sich halb schlapp.
"Es war einen Versuch wert."
"Stimmt. Zur Neuschreibung physikalischer Grundsätze. Ein Hoch auf dein wissenschaftliches Engagement."
"Haha. Doofmann."
"Na komm. Wir hauen ihn zusammen um.", Grinste Harry.

Louis lernte an jenem Tag mehrere  Dinge: Zum einen war er Jeremy körperlich nicht gewachsen. Dann schmeckte Seewasser ekelig. Harry kannte ihn offenbar viel besser, als er selbst das gedacht hatte und Jungen-Freundschaften unterschieden sich eklatant von der der Mädchen.

Denn die durften Händchen halten oder sich knuddeln oder aneinander lehnen. Sie durften sich körperlich nah sein und niemand störte sich daran. Aber bei Jungs ging das irgendwie nicht so. Denn dann war man irgendwie schwul und das war irgendwie uncool. Louis hatte im Grunde genommen bis zu diesem Tag keine Ahnung davon gehabt, dass es dieses Wort überhaupt gab. Aber direkt mit dem Auftauchen des Wortes lernte er, dass es definitiv besser war, nicht schwul zu sein...

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