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Zehn Minuten vorm Klingeln kam ich in der Schule an. Einerseits war ich zufrieden, dass mein Bus so pünktlich war. Doch andererseits musste ich nun noch einige Minuten warten, bis es endlich klingelte. Da ich hier niemanden kannte, stand ich ohne Freunde da, was meiner Meinung nach immer doof aussah. Aber was sollte ich sonst machen? Um mich zu anderen Leuten dazuzustellen war ich eindeutig zu schüchtern. Und mich auf der Toilette zu verstecken, damit niemand mich alleine rumstehen sah? Das wollte ich nun auch nicht, da es noch komischer wirkte, auch wenn mich kaum jemand sehen würde. Außerdem hatte ich auch keine Ahnung, wo die Toiletten überhaupt sind.

Ich betrat den Schulhof und versuchte, mich nicht wie die Neue zu verhalten. Daher schaute ich Belangloses auf meinem Handy an. Ein Blick nach oben verriet mir, dass Orson sich bereits einer Gruppe angeschlossen hatte. Er sprach zwar im Moment nicht viel, doch immerhin hatte er sich integriert, was ich aus Angst und Schüchternheit nicht geschafft hatte.

Plötzlich erschien eine Nachricht von meiner besten Freundin aus der alten Schule. Als wir noch dieselbe Schule besuchten sahen wir uns sehr oft, doch das war nach der Trennung meiner Eltern nun nicht mehr möglich gewesen. Meine Mutter hat das volle Sorgerecht für uns übernommen und ist ans andere Ende der Stadt gezogen, da beide Elternteile Abstand benötigten. Damit wurden wir nicht nur aus unsere Schule gerissen, sondern auch von unseren Freunden getrennt. Und das nur wegen einem Fehler unserer Mutter.

Ich öffnete die Nachricht meiner Freundin Nancy und las sie mir durch:

𝖧𝖾𝗒 𝖲𝗎̈𝗌𝗌𝖾, 𝗁𝗈𝖿𝖿𝖾 𝖽𝗂𝗋 𝗀𝖾𝖿𝖺̈𝗅𝗅𝗍 𝖽𝗂𝖾 𝗇𝖾𝗎𝖾 𝖲𝖼𝗁𝗎𝗅𝖾, 𝗏𝗂𝖾𝗅 𝖲𝗉𝖺𝗌𝗌 𝗃𝖾𝖽𝖾𝗇𝖿𝖺𝗅𝗅𝗌. 𝖫𝖦 𝖭𝖺𝗇𝖼𝗒

Irgendwie süß, dass sie an mich dachte, aber dafür hatte man eben Freunde. Ich lächelte und fühlte mich auch nicht mehr so allein, wie kurz zuvor. Sofort begann ich, ihr zurück zu schreiben:

𝖧𝖾𝗒 𝖲𝗐𝖾𝖾𝗍𝗂𝖾, 𝖻𝗂𝗌 𝗃𝖾𝗍𝗓𝗍 𝗂𝗌𝗍 𝖾𝗌 𝗇𝗈𝖼𝗁 𝗈𝗄, 𝖺𝖻𝖾𝗋 𝗆𝖺𝗅 𝗌𝖾𝗁𝖾𝗇. 𝖨𝖼𝗁 𝗋𝗎𝖿𝖾 𝖽𝗂𝖼𝗁 𝗌𝗉𝖺̈𝗍𝖾𝗋 𝖺𝗇 𝗎𝗇𝖽 𝖾𝗋𝗓𝖺̈𝗁𝗅 𝖽𝗂𝗋 𝖺𝗅𝗅𝖾𝗌. 𝖫𝖦 𝖳𝖺𝗆𝗂𝖺

Wenige Sekunden später trudelte die nächste Nachricht ein:

𝖥𝗋𝖾𝗎𝖾 𝗆𝗂𝖼𝗁 𝗌𝖼𝗁𝗈𝗇, 𝖻𝗂𝗌 𝗌𝗉𝖺̈𝗍𝖾𝗋.
𝖯𝖲: 𝖨𝖼𝗁 𝗏𝖾𝗋𝗆𝗂𝗌𝗌𝖾 𝖽𝗂𝖼𝗁, 𝗆𝗂𝗍 𝖽𝗂𝗋 𝗂𝗌𝗍 𝖺𝗅𝗅𝖾𝗌 𝗏𝗂𝖾𝗅 𝖻𝖾𝗌𝗌𝖾𝗋.

Die letzte Nachricht berührte mich sehr und ich musste erneut lächeln. Gerade wollte ich ihr zurück schreiben, als es bereits klingelte. Somit beschloss ich ihr in der Pause zurück zuschreiben.
Sie würde mir hoffentlich nicht böse sein, aber im Moment war es mir wirklich wichtiger, keinesfalls zu spät zu kommen.

Zum Glück hatte ich den Saal schnell gefunden. Daraufhin ging ich so unauffällig wie möglich zwischen den anderen hinein. Dann schaute ich mich suchend nach einem freiem Platz um, doch nach und nach kamen weitere Schüler und setzen sich irgendwo hin. Es wurde immer voller, doch da vermutlich jeder Schüler einem festen Platz zugeteilt war oder unbedingt auf einem bestimmten Platz wollte, konnte ich mich nicht irgendwo hinsetzen.

Langsam bekam ich etwas Stress, da ich nicht wusste, was ich jetzt tun sollte. Ich wartete bis alle sich gesetzt hatten und ließ mich danach auf einem von zwei frei gebliebenen Stühlen nieder.

,,Geschafft", redete ich mir gedanklich schon ein, als dann doch noch ein sehr muskulöser Junge durch die Tür hineinkam. Er hatte dunkelbraune, leicht gelockte Haare und sah gar nichtmal so schlecht aus. Doch irgendwie wirkte er wie ein Macho und das war so gar nicht meins.

Bevor ich viel darüber nachdenken konnte, lief der Typ direkt in meine Richtung und blieb kurz vor mir stehen. ,,Das ist mein Platz", grinste er und sah mir genau in die Augen. Sofort bekam ich Stress und schwitzte leicht, versuchte jedoch, mir nichts davon anmerken zu lassen.

Um nicht die volle Aufmerksamkeit der Klasse zu erhalten, stand ich schnellstmöglich auf und lief zum anderen freien Platz. Ich hoffte sehr, dass dort niemand saß. Während ich gerade am Laufen war, rief er mir noch hinterher: ,,Wer bist'n du eigentlich?"

Sollte ich ihm nun wirklich antworten oder würde er nur über mich lachen? Sowas könnte ich mir bei dem Typ halt wirklich vorstellen.
Daher ignorierte ich seine Frage und setzte mich. In den nächsten Minuten würde mich sowieso sicherlich ein Lehrer vorstellen und seine Frage würde beantwortet werden.

,,Guten Morgen", kam es im nächsten Moment und ein älterer Mann durchquerte die Tür. Er trug eine Anzug-Jacke und eine dunkelblaue Jeans. Hinter sich zog er einen Rollrucksack her, was irgendwie lächerlich aussah. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde er mein Lehrer sein. Besonders froh war ich deswegen nicht, denn er machte keinen sympathischen, sondern eher einen strengen Eindruck.

Das Gerede im Saal stellte sich automatisch ein, was ich von meiner neuen Klasse dem ersten Eindruck nach nicht gedacht hätte. Lag wohl am Lehrer.
Gespannt hörte ich ihm zu, was er zu sagen hatte, besonders im Bezug auf mich. Würde er mich vorstellen oder einfach seinen Unterricht ohne Weiteres durchziehen? Letzteres könnte ich mir bei diesem Lehrer eben wirklich vorstellen.

,,Tamia", hörte ich ihn im nächsten Moment meinen Namen sagen: ,,Kommst du bitte nach vorne?"
Na toll, das hatte mir gerade noch gefehlt. Hatte ich schon erwähnt, dass ich es hasse vor so vielen Leuten zu sprechen? Jede einzelne Person schaut dich an und sieht die kleinsten Fehler, die du machst. Es gab wirklich kaum etwas Schlimmeres.

Ich hatte weder Lust noch war ich darauf vorbereitet, mich vor die Klasse zu stellen. Trotzdem stand ich auf und ging nach vorne, da ich ja musste. Ich hätte mich zwar auch weigern können, aber das wäre dann wohl noch peinlicher geworden.
Daher versuchte ich nun, das Beste draus zu machen.

Während ich vor die Klasse ging, spürte ich die Blicke meiner neuen Mitschüler regelrecht auf mir. Wieder musste ich kurz an meine Mutter denken, der ich das alles zu verdanken hatte.

,,Stell dich doch bitte kurz vor", forderte mich mein Lehrer auf.
,,Ok, hallo, ich bin Tamia Alvarez, 16 Jahre alt und komme aus Cleaumonto'' fing ich an. Sollte ich noch weiter reden, über Hobbys vielleicht? Aufgrund dessen, dass mich mein Lehrer abwartend ansah, redete ich weiter. ,,Meine Hobbys sind Freunde treffen, Cheerleading und Musik hören" Mehr erzählte ich erstmal nicht, denn ich verspürte nun wirklich nicht das Bedürfnis, eine komplette Charakterisierung meinerseits vor mir noch unbekannten Personen zu halten.

,,Warum musstn' du die Schule wechseln?", rief ein Typ aus der letzten Reihe, der seine Füße auf den Tisch gelegt hatte und mich frech ansah.
,,Warst du etwa zu schlecht?", beteiligte sich nun auch einer seiner Freunde neben ihm in lachhaftem Tonfall und die beiden klatschten sich ab.

Ich verspürte zwar eine tiefe Wut, denn ich gehörte eher zu den Besseren aus der Schule. Trotzdem ignorierte ich die dummen Bemerkungen, denn alles andere konnte zu nichts Gutem führen.

,,Du kannst dich setzen, Tamia", sagte der Lehrer endlich nach einer gefühlten Ewigkeit. Zufrieden lief ich zu meinem Platz und ich erfuhr noch, dass er Mister Shepard hieß. Im nächsten Moment begann er dann mit seinem langweiligen Mathematikunterricht.

Endlich klingelte es und alle stürmten so schnell es nur möglich war hinaus.
Jetzt war wohl die Zeit gekommen, mit anderen Mädchen ein Gespräch anzufangen. Ich hab zwar eine sehr gute Freundin, doch welche in der Schule zu haben, in die man täglich geht, kann nie schaden. Doch ich traute mich leider immer noch nicht, jemanden anzusprechen.

Letztendlich entschied ich mich einfach zu warten, wie die anderen mit mir umgingen. Doch nach bereits fünf Minuten war mir klar, dass mein Plan nicht aufging. Jeder hatte bereits seinen Freundeskreis und war zufrieden. Warum sollte man sich dann um noch jemanden bemühen?

So stand ich mal wieder alleine auf dem Schulhof rum und brachte es nicht über mich, doch jemanden anzusprechen. Stattdessen antwortete ich meiner Freundin auf ihre letzte Nachricht mit ,,Ich vermisse dich auch sehr".

Im Bann der Leidenschaft Where stories live. Discover now