Kapitel 2 - Muss an der Luft liegen

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Louis war nach dem Tag am See sehr vorsichtig mit seiner Suche nach körperlicher Nähe. Nicht, dass er die am See so wirklich gesucht hatte. Er hatte wirklich nur Leute umschupsen wollen. Dafür musste man zumindest kurzfristig eine gewissen physische Nähe in Kauf nehmen.
Louis hasste das Gefühl kleiner zu sein als die anderen. Jungen mussten irgendwie groß sein. Am besten mit ordentlich Muskeln. Das war männlich. Klein sein, mit weicherer Stimme und dann noch relativ sanduhrenförmiger Figur war hingegen .. ja, was eigentlich? Also cool war es nicht. Das wusste Louis. Er versuchte schon länger zu tricksen. Auf Fotos stellte er sich möglichst unauffällig auf Zehenspitzen.

Er hatte Mal einen Bericht gesehen. Es gab Politiker, die, wenn sie eine Rede hielten auf einer Bierkiste oder so standen, damit sie ansatzweise so groß oder bestenfalls größer waren als der Moderator. Nun, es wäre äußerst unpraktisch, wenn Louis nun ewig mit so einer Kiste unterm Arm durch die Gegend laufen würde. Aber die Botschaft war klar: Größe definierte Macht, Autorität und Wichtigkeit. Man sollte eben groß und stattlich sein. War Louis nicht. Und was eben nicht dieser Norm entsprach, war schon irgendwie anders. Nicht richtig extrem schlimm, aber eben spürbar.

Jeder in ihrer Gruppe bekam Mal sein Fett weg. Louis wegen seiner Größe, Jeremy wegen seiner Körperfülle, Niall, weil er aus Irland kam, Harry, weil er Jesus-Haare hatte. Ihre Gruppe war noch größer, aber es gab eben bei jedem etwas, was ihn von den anderen abhob. Notfalls wurde eben was erfunden. Es war bescheuert. Jeder wusste das. Und trotzdem taten sie es. Weil es irgendwie cool war, sich ein bisschen aufzogen. Wenn man nicht Grad selbst dran war...

Louis hasste seine Größe und Figur auf jedenfall. Denn irgendwie waren wohl auch die schwul. Hatte Jeremy gesagt. Und schwul war uncool und uncool war doof. Von sexuellen Orientierungen hatten sie alle mit ihren 13 Jahren noch nicht wirklich eine Ahnung. So etwas spielte einfach noch keine Rolle in ihrem jungen Leben. Dass schwul sein etwas anderes sein könnte, als eine Beleidigung, kam ihnen gar nicht in den Sinn.
Sie waren Jungen und würden sich einfach irgendwann für Mädchen interessieren. Fertig. Ganz einfach.

Oder eben auch nicht. Stan, der ein Jahr älter war, weil er einmal sitzen geblieben war, war der erste von ihnen, der eine Freundin hatte. Melissa aus der Parallelklasse. Man hielt Händchen und tauschte scheue Küsse aus. Hauptsächlich hielt man wohl Händchen.

Louis fand das voll affig. Er hatte lieber Spaß und die Typen mit Freundin sahen irgendwie nicht so aus, als hätten sie den sonderlich viel. Die hatten auf einmal keine Zeit mehr für Freitagabende mit Computerspielen oder so. Die mussten "dieses Mal einen ruhigen Abend machen". Danke, aber nein danke.

Louis war froh, dass sein bester Kumpel Harry das offenbar genau so sah, denn auch der sprach nicht plötzlich über die Mädchen ihres Jahrgangs. Niall auch nicht. Vielleicht würde das alles später einmal auf sie zu kommen, dachte Louis und hoffte, dass dieses später noch ein ganzes Stück weit in der Ferne liegen mochte.

Tatsächlich begannen aber auch die Mädchen sich anders zu benehmen. Es musste wohl an der Luft liegen oder so. Louis fand das nervig. Eleanor saß nun ständig neben ihm und sie lachte immer, wenn Louis etwas erzählte. Aber es war kein normales lachen. Nein, es war fürchterlich übertrieben und schrill. Louis mochte es gar nicht. Vor allem machte sie es sehr oft und oft sagte sie Sachen wie: "Oh, du bist so lustig, Louis." Äh, er war doch kein Clown. Klar, er brachte Leute gern zum Lachen und war sich auch selbst nicht zu schade, sich Mal zum Gespött zu machen, aber Eleanors Getue nervte ihn eben einfach.

Genau so wie die ständigen Berührungen. Ständig fasste sie sein Bein an oder seinen Arm oder so. Dabei tat sie immer so, als sei es zufällig, dabei war es voll auffällig, dass dem nicht so war. Louis fand das reichlich bescheuert und wusste auch nicht so wirklich, wie er damit nun umgehen sollte.

"Ey, Tommo, machst du dir Eleanor klar?", Fragte Jeremy einmal nach Sport, wo er Eleanor unbedingt hatte Hilfestellungen geben sollen.
Louis schnaubte nur und grinste frech. Sollte Jeremy damit machen, was auch immer er meinte.

Der pfiff anerkennend.
"Willst du echt was von Eleanor?", Fragte Harry ihn leise im Matheunterricht.
"Nein. Was soll ich von der wollen?", Flüsterte Louis zurück.
"Oh, gut. Dann bin ich beruhigt. Hab keinen Bock ewig dabei zu sitzen, wenn du der die Zunge in den Hals steckst."

Ja, das konnte Louis wirklich gut verstehen. Er wäre da lieber auch nicht dabei. Zumal er keine Ahnung hatte, wie das bei "solchen" Küssen so ablief. Naja, hatte er ja wohl auch noch Zeit mit.

"Stan macht einen ruhigen Abend. Louis du auch?", Fragte Niall resignierend.
"Ich? Wieso denn ich? Ruhige Abende kann ich machen, wenn ich in Rente bin.", Grinste Louis.
"Oh, gute Einstellung. Wollen wir am Freitag an den See?"
"Wer denn alles?"
"Keine Ahnung. Du, ich, Harry, Jeremy. Ich wollte fragen, ob Liam auch kommt."
Louis nickte begeistert. Liam war cool. Er war fünf Jahre älter als sie und hatte ein Auto. Seinen Eltern gehörte die Hütte am See nebenan. Liam konnte Alkohol besorgen, er hatte Geld und war eben cool. Naja. Also er könnte Alkohol besorgen. Wenn er denn wollte. Tat er aber immer nicht. Weil er fand, dass die anderen dafür zu jung waren. Aber trotzdem war er cool.

"Wollen wir dann zelten?", Lehnte sich Harry rüber.
"Ja, gute Idee.", Freute sich Niall. In die Hütte passten sie nicht alle rein und zelten war irgendwie auch cooler.

"Hab keins.", Brummte Louis. Lotti hatte es geschrottet. Und sie wollte absolut nicht zugeben, wie sie das geschafft hatte. Deswegen vermutete Louis dahinter eine wirklich lustige Story. Aber bisher hatte er sie seiner Schwester noch nicht entlocken können.

"Du schläfst doch eh bei mir.", Kams ungerührt von Harry.
"Ey, ich kann auch woanders hin."
"Kannste nicht. Ich sollte langsam Miete nehmen."
"Wieso? Ich kann auch zu..."
"Ja?"
"Naja... Äh..."
"Lass den Scheiß. Du pennst bei mir. Aber nur, wenn du wieder diese Dinger mitbringst."
"Jaja.", Seufzte Louis und beide grinsten. Sie hatten dieses Gespräch seit Lottis Zeltaktion schon öfter geführt. Louis würde für Harry also wieder dessen Lieblingssüßigkeit als Bezahlung kaufen.

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