Kapitel 8

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Wenn ich sage, dass ich meinen Chef die letzten Wochen gemieden habe, dann habe ich das auch. Es tat meinem Blutdruck überhaupt nicht gut, in seiner Nähe zu sein. Ich habe still meine Arbeit verrichtet, habe protokolliert, sobald eine Verabredung mit einem Kunden anstand, habe fleißig die Tabellen gefüllt und ausgewertet sowie meine Umfragen. Die kamen gut an! Und bald gibt es auch Kakao! Aber erst muss alles für die Gala stehen. Es wurde schon eine Location gefunden, nur will mein Chef schauen, ob es auch gut genug ist. Und deshalb machen wir uns gleich auf den Weg. Ob ich absolut nervös bin und jetzt schon Schluckauf habe? Ja. Hört man es in der ganzen Etage? Ebenso. Ich bin schon bei meinen Kollegen bekannt dafür und sobald sie einen Hickser von mir hören, beginnen sie schon wissend zu lachen. Es ging auch schon herum, wie ich mit dem Chef rede. Du traust dich aber etwas! oder Und du hast keine Abmahnung bekommen? Ich bin ja selbst überrascht, dass ich es ohne einen Beinbruch fast einen Monat geschafft habe. Aber ich muss zugeben, dass ich mich seit dem Bollywoodabend auch so gut es geht vor ihm verstecke. Immer, wenn ich ihn sehe, dann habe ich seinen Schoß, seine Oberarme und sein schönes Hemd an meinem Gesicht im Kopf. Ich will dann immer kreischen und ich habe es auch oft in meinem Büro gemacht. Aber dann denke ich an den Spruch: Einmal ist keinmal. Also war das eine Mal auf dem Schoß meines Mannes ... meines Ehem-, großer Gott! Chef! C. H. E. F! Das eine Mal auf dem Schoß meines CHEFS war also keinmal. Das zählt nicht. Das war eine Probe. Mehr nicht.

Ich seufze verzweifelt. Ich schwärme von meinem Chef! Das ist nicht gut. Er ist aber so lieb und nett, wenn er mal nicht trocken ist. Er ist oft trocken und deshalb beschimpfe ich ihn in meinem Büro allein oder mit Narin, wenn wir unsere Pause miteinander verbringen. Wir verstehen uns echt gut und ich habe sogar ihre Nummer. Sie ist meine erste Freundin hier in der Großstadt und ich habe sie schon zu mir nach Hause eingeladen! Wir sind letzten Freitag sofort zu mir gefahren, haben Sushi bestellt und ich habe ganz viele Süßkartoffelpommes und einen Teller mit Tortilla-Chips und Guacamole gemacht. Wie sich herausgestellt hat, liebt sie Shah Rukh Khan und als ich ihr meinen lebensgroßen Pappaufsteller gezeigt habe, ist sie durchgedreht. Sicherlich haben meine Nachbarn sie schon gehört. Sie hat sogar Fotos mit dem Papp-Shah-Rukh-Khan gemacht und wir sind bis nach Mitternacht noch auf dem Sofa geblieben und haben getratscht. Das tat wirklich gut. Das habe ich gebraucht. Ich habe ihr von all meinen liebsten Sachen erzählt. Ich habe ihr meine Schneekugelsammlung gezeigt, meine Pflanzen vorgestellt, ihr meine Elefantengießkanne gezeigt. Sie war begeistert von meiner Lippenstiftsammlung. Das fand ich auch besonders schön. Sonst wurde mir immer gesagt, dass es zu viel wäre und ich es niemals aufbrauchen werde, aber darin besteht doch der Sinn einer Sammlung. Dass die Sammlung immer bestehen bleibt.

Wovon ich ihr aber nicht erzählt habe, war vom Besuch meines Chefs. Das ist ein kleines, schmutziges Geheimnis. So schmutzig, dass ich die Stelle, auf der er saß, beim Reinigen meines Sofas nicht mit einbezogen habe. Und ich sitze komischerweise jetzt immer dort. Niemand darf erfahren, dass ich in meinen Chef verknallt bin, aber es kann mir auch niemand übelnehmen! Nicht bei diesem hübschen Mann, der so toll umarmen kann. Aber so toll ich ihn auch finde, will ich gerade echt nicht an der Tür klopfen, aber wir müssen los! Wir müssen in einen anderen Stadtteil für die Besichtigung. Ich atme einmal tief ein, klopfe dann an der Tür, ohne mir Zeit zu lassen, als ich hineintrete. Er schreibt gerade etwas zu Ende und dann schaut er mich mit seinen hellblauen Augen an. Mich überkommt das Bedürfnis, meine Lider zusammenzukneifen, als ich sie ansehe. Sie sind so verdammt hell. Wo er wohl einkaufen geht? Penny? Nein. Lidl? Vielleicht? Er sieht aus wie ein Edeka-Typ. Groß, viel Auswahl und teuer. Ja, das passt zu meinem Chef mit dem kuscheligen Schoß. "Können wir los?" Er nickt, erhebt sich dann, um sein Jackett zuzuknöpfen. Sein dunkelgraues Jackett. Ein Jackett, das ihm sehr gut steht. "Wir fahren gemeinsam." "Ich weiß. Immerhin kenne ich mich hier nicht aus. Da kann ich nicht anders, als auf Sie zu warten", antworte ich, als er sich vor mich stellt. Oh Mann, riecht er gut.

Tollpatschige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt