Kapitel 13

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Ich beuge mich zu meinen High Heels hinunter, vergesse dabei meine offene Tasche, die meinen Arm runterrutscht und meinen Inhalt auf dem Boden verschüttet. Für diese Tollpatschigkeit habe ich gerade überhaupt keine Kapazität. Ich seufze deshalb frustriert, ohne die Sachen aufzuheben. Ich muss erst aus den Schuhen raus. Miran schafft es viel leichter aus seinen Lackschuhen. "Ich helfe Ihnen mit Ihrer Tasche, wenn es Ihnen recht ist." "Hätte wahrscheinlich deshalb schon geweint, wenn Sie nicht hier wären", gestehe ich. Mich stresst gerade alles. Selbst der Henkel meiner Tasche, den er mir abnimmt. Erst jetzt schaffe ich es auf meinem ersten Schuh. Das ist verdammt anstrengend, wenn der Bauch im Weg ist. Daher lasse ich mich auf den Boden plumpsen und kann schon viel schneller die Schnalle des rechten Schuhs öffnen - ohne Luftprobleme! Und oh ... Miran hält mir seine Hand hin, um mir hochzuhelfen. Sie ist so warm und weich. Sie könnte bestimmt perfekte Kopfhautmassagen geben und die Haare wunderbar einölen. Ich stöhne erleichtert auf, als ich wieder festen, kalten Grund unter meinen Füßen spüre. Das tut verdammt gut. Jetzt muss ich nur noch aus meinem Kleid raus und in mein Hauskleid schlüpfen. "Machen Sie es sich gemütlich. Wollen Sie Wechselkleidung?" Wollen Sie vielleicht hier übernachten? "Nein, danke. Ich setze mich ins Wohnzimmer." Gut.

Ich nicke, schaue ihn dabei immer noch an. Was wollen wir machen? Einen Bollywood-Film schauen? Das wäre schön. Vielleicht hat er Hunger. Ich habe eine große Tüte Edamame gekauft und Süßkartoffelpommes da. Wir können auch Ramen kochen und essen. Oder wir bestellen etwas. Sein Hemd ist blickdicht. Schade. Ich hätte sonst vielleicht ein wenig mehr seiner schönen Haut erhaschen dürfen, aber vielleicht ist der Tag auch nicht weit. "Shirin?" Huch! Ich schaue von seiner Brust sofort in seine Augen. Ich hoffe, er hat nicht bemerkt, dass ich auf seine Brüste gestarrt habe. "Ja?" Ich schniefe immer noch ein wenig. "Möchten Sie sich nicht umziehen?" Oh Gott, stimmt! Ich nicke. "Ja, das wollte ich. Das mache ich jetzt auch!" Und damit reiße ich ihm die Tasche aus der Hand und renne in mein Schlafzimmer. Was mache ich jetzt? Umziehen! Genau! Ich will mir das Kleid schon hochziehen, als ich realisiere, dass ich erst die Übergangsjacke und den Gürtel ablegen muss. Und ich muss alles wieder zurückpacken und ich muss mich noch abschminken! Wo ist mein Kokosnussöl? Ich hatte es doch gerade noch gesehen! Ich will meinen Chef nicht zu lange warten lassen. Da ist es ja! So! Jetzt bin ich fertig. Jetzt kann ich-, nein! Ich bin in Unterwäsche! Meine Hand presst sich auf meinen Mund. Fast hätte mein Chef mich nur in Unterwäsche gesehen! Das darf erst nach der Hochzeit passieren!

Ich habe drei Minuten gebraucht, um mich zu beruhigen und in mein grünes Hauskleid zu schlüpfen. Das orange Hauskleid ist eigentlich mein Liebling, aber ich möchte ihm meine ganze Kollektion zeigen. Beim dritten Treffen in meiner Wohnung ziehe ich das rote Hauskleid an. Ich kämme mir noch einmal die Haare, richte alles an mir und schon kann ich zu ihm. Hach, sieht er hübsch auf meinem Sofa aus. Ich drehe die Heizung auf, in der Hoffnung, dass er sich bald das Jackett auszieht - und weil es kalt ist. Das ist aber nur nebensächlich. "Ich bin gleich zurück. Ich muss mein Gesicht waschen." "Keine Hektik", erwidert er gelassen und so ruhig und so ... hübsch. Ich lasse mir im Bad wenig Zeit, putze mir so leise wie möglich die Zähne und bin dann auch startbereit für mehr. Was darunter zu verstehen ist, weiß ich nicht, aber ich bereite einige Schalen mit Knabberzeug vor. "Was möchten Sie trinken?" "Machen Sie sich keine Umstände, Shirin." "Sie machen mir Umstände, weil ich mich wiederholen muss. Also! Was möchten Sie trinken? Wollen Sie Saft? Mein Orangen-Zitronen-Saft?" Der ist lecker. Der ist gesund, hält jung und ist so lecker wie mein Chef aussieht. Ich warte ungeduldig auf seine Antwort, die in Form eines tiefen Einatmens und einem eleganten Wimpernschlags kommt. "Wenn es keine Umstände macht." Für Sie mache ich alle Umstände, Sie hübscher Hübschling.

Also hole ich meine Zitronenpresse hervor und genügend Orangen und Zitronen, um zwei Karaffen zu füllen. "Und? Wie geht es Ihnen?" "Gut. Ich hoffe, es geht Ihnen wieder besser." Das geht gar nicht anders, wenn Sie bei mir sind. "Ach", setze ich an. "Mir geht es gut." "Sicher? Haben Sie öfter solche Attacken?" Ich weiß es gar nicht. Dafür war ich zu selten in Gesellschaft. "Ich hoffe nicht." "Sie hoffen nicht?", höre ich ihn hinter mir verwundert fragen. Die Erkenntnis macht mich ein wenig traurig. "Ich weiß es nicht", setze ich gedämpfter an. "Ich bin nicht oft unter Leuten. Mit der Familie bei irgendwem zu Besuch vielleicht oder mal mit meinen Brüdern im Kino, aber ich hatte nie wirklich Freunde." Und das tut mir doch mehr weh, als ich mir ansehen lasse. "Keine Ahnung, wieso. In der Schule war das schon so. Ich war wohl zu nervig und hibbelig. Meine Lehrerin hat mir sogar einen Brief gegeben, den ich meinem Kinderarzt geben sollte. Er sollte mich auf ADHS testen." "Und hat er es gemacht?" "Er hat den Brief zerrissen und mir einen Brief gegeben, den ich meiner Lehrerin geben sollte. Es war eine Einweisung für Sie in die Psychiatrie." Danach habe ich Muffins für ihn und sein Team gebacken. "Ich habe Narin als meine erste, richtige Freundin. Davor war ich nie wirklich draußen, um das beurteilen zu können. Mit meinen Brüdern habe ich mich immer beschützt gefühlt."

Tollpatschige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt