Kapitel 59 - Zwischen Aufbackbrötchen und industriell gefertigten Kuchen

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Harry kam auch in den nächsten Tagen nicht vorbei, weil der wohl irgendwelchen Stress hatte. Angeblich. Louis ging davon aus, dass das irgendwie doch damit zusammenhing, dass er schwul war. Er hätte es Harry doch selbst sagen sollen. Dann hätte er zumindest dessen Reaktion mitbekommen. So aber tappte er irgendwie im Dunkeln. Mit einem verdammt unguten Gefühl.

Aber heute würde er ein bisschen auf andere Gedanken kommen. Er war mit John verabredet. Zusammen einzukaufen hatte ihre Beziehung scheinbar irgendwie auf eine andere Ebene gehoben. Sie waren nicht zusammen oder so. Aber trafen sich jetzt auch Mal bei sich zu Hause, um miteinander Spaß zu haben. Und heute gingen sie tatsächlich sogar wieder vorher einkaufen. Aus einem "wir brauchen nicht viel" wurde Recht schnell ein "Scheiße! Wieso haben wir keinen Einkaufswagen mitgenommen?", Weshalb Louis nochmal durch die vollen Kassen aus dem Laden heraus musste, um doch noch einen Wagen zu holen. Er war völlig genervt und lief schließlich nur noch hinter John her, nachdem er den endlich wiedergefunden hatte. Der machte aus dem Einkauf für sich eine Art Event und las mit viel Hingabe Etiketten und Zutatenlisten von allem möglichen.

"Wie lange noch?", Fragte Louis also irgendwann gelangweilt.
John kicherte ein verzücktes: "Du bist echt so sweet."

"Das war ernst gemeint.", brummte Louis und warf aus Prinzip Bonbons in den Einkaufswagen.
"Ich weiß. Deshalb ja."
"Haha."

Sie liefen noch ein Stück weiter und Louis meckerte noch darüber, dass er sich nicht ernst genommen fühle, woraufhin John natürlich konterte, dass er halt einfach lieber aus Spaß vögelte. Dabei legte er den Arm um Louis' Schulter und küsste seine Schläfe.

"L... Louis?", Fragte plötzlich eine Stimme zaghaft hinter ihnen.
Für eine Sekunde hatte Louis das Gefühl einzufrieren. Oder als müsse die Welt stehen bleiben oder einfach mit eine lauten Puff verschwinden. Es war überraschend und irgendwie auch nicht. Es hatte irgendwann passieren müssen. Nur dass dieser Tag heute wäre - damit hatte Louis einfach nicht gerechnet.

Langsam drehte er sich herum, wodurch Johns Arm von ihm herunter rutschte.

"Hallo Harry...", Krächzte er. Da stand Harry. Mit einem Korb in der Hand.

"Ähm...", Machte Harry überfordert und John nickte leicht. Hatte Louis Harrys Namen Mal erwähnt? Er wüsste nicht.

"Ich gehe schonmal weiter durch. Bis gleich.", Sprach John, bevor Louis reagieren konnte und schob den Wagen schnell weiter, nachdem er Harry kurz zugenickt hatte.

"Äh... Ja. Ich komme gleich.", Stimmte Louis zu und fühlte sich ganz plötzlich doch nicht mehr so ganz bereit für das Gespräch, welches nun wohl unmittelbar vor ihm lag. Verdammt.

"Wer ist das?", Fragte Harry einfach.
"Das ist John."
"Er ist dein Freund?"
"Äh... Ein Freund..."
"Ihr steht euch aber sehr nahe?"
"Ja...", Flüsterte Louis und fühlte sich irgendwie schäbig dabei, obwohl er wusste, dass es dafür keinen Grund gab. Immerhin war er doch nicht vergeben. Also sein Herz schon. Aber er selbst ja nicht. Also der Rest von ihm.

"Ist er... Ist er gut zu dir?"
"Äh...ja.. wie gesagt. Er ist ja ein Freund.", Erwiderte Louis und überlegte, worauf Harry hinaus wollte.

"Wieso hast du nie gesagt, dass du schwul bist?" War das ein Vorwurf? Louis war sich nicht sicher.

"Ich weiß nicht. Es... Es sollte doch keine Rolle spielen..."
"Aber es spielt eine. Du bist ja ein anderer Mensch."
Louis spürte, wie ihm schlecht wurde. Nein, er war nicht bereit für dieses Gespräch. Nicht jetzt. Nicht hier. Nicht zwischen Aufbackbrötchen und Industriekuchen.

"Ich... Ich bin Louis. Das war ich die ganze Zeit.", Stammelte er unsicher.
"Aber du hast mir ein sehr entscheidendes Detail verschwiegen. Warum?"
"Äh..."
"Eine ganz einfache Frage, Louis: Warum?"
Könnte Louis die Welt auf Stop stellen, würde er es genau jetzt tun und einmal lachen und weinen gleichzeitig. Dann würde er zitternd zusammen brechen und weinen. Über die Situation und besonders über sich selbst.
Eine ganz einfache Frage? Jede Frage war so einfach im Gegensatz zu dieser. Wie könnte er Harry jemals ganz einfach sagen, dass seine Homosexualität untrennbar verbunden war, mit seiner Liebe zu Harry? Dass er erst gemerkt hatte, dass er auf Jungs stand, weil es eben Harry in seinem Leben gegeben hatte? Dass er beim Umkleiden vor und nach Sport Schiss gehabt hatte hart zu werden, weil eben genau Harry immer dort gewesen war? Dass er nie etwas mehr genossen hatte, als Harrys Umarmungen? Dass er nichts mehr fürchtete, als dass dieser sich nun zurück ziehen würde?

"Es tut mir leid..", flüsterte er nur. Er würde nicht anfangen zu weinen. Nicht zwischen Aufbackbrötchen und Industriekuchen.

Harry sah ihn nur an.
"Ich hab mich erst geoutet, als du schon in Amerika warst..."
"Ich bin dein bester Freund... Du hättest es mir ja wohl vorher sagen können."
Jedem, dachte Louis, aber eben nicht dir.

"Es tut mir leid... Ich wollte dich nicht... Täuschen."
"Idiot.", Brummte Harry.
Louis fühlte förmlich, wie sich die Tränen bildeten. Er senkte den Blick, strarrte auf seine Schuhe und fühlte sich so unendlich klein. Er war nicht bereit dafür. Wirklich nicht. Er würde es nie sein. Aber besonders jetzt war er es nicht.

Und dann schlossen sich Harrys Arme um ihn. Ganz eng. Sodass Louis sich gar nicht mehr halten musste und einfach gegen ihn sackte.

"Ich hätte dich unterstützt, Louis. Immer. Hast du gedacht, ich würde dich verurteilen?! Wie könnte ich denn?! Ich kenne dich doch. Ich wäre nur so gern für dich da gewesen. Die ganze Zeit.", Flüsterte Harry in seine Haare.

So standen sie da. Zwischen Aufbackbrötchen und industriell gefertigtem Kuchen. Versunken in einer engen Umarmung.

Louis fühlte die Arme um sich. Er atmete Harrys Duft tief ein und wollte nichts sehnlicher, als genau jetzt eine Stop-Taste. Er würde sie drücken und einfach für alle Ewigkeiten genau so bleiben wollen. Nichts mehr sagen. Nichts mehr tun. Einfach verharren. Aber er hatte keine Fernbedienung.

"Danke, Harry.", Stammelte er nur. Weil er einfach nichts anderes heraus bekam.
Und dann spürte er die Lippen auf seiner Stirn. Harry küsste ihn auf die Stirn. Obwohl er wusste, dass Louis schwul war. Er ging nicht auf Abstand. Louis hatte das Gefühl, dass pures Glück ihn fluten würde. Aber dann sprach Harry wieder und Louis stand da. Verloren. In einer Umarmung die ihm die Welt bedeutete zwischen Aufbackbrötchen und Industriekuchen.
"Dann warst du aber nie in Juliet verliebt, oder?"

Ja... Ich weiß. Ich verspreche, dass das nächste Kapitel schnell kommt.
Bis dann.
Viele Grüße ^⁠_⁠^


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