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Noch bevor Mary ihre Augen wieder öffnete, war ihr klar, was Kreacher mit "Höhle" gemeint hatte. Es roch feucht und die Luft war kühl und modrig. Irgendwo konnte man Wasser plätschern hören und ein stetiges leises Tropfen hallte laut wieder. 

Mary blinzelte und sah sich um. Sie stand neben Sirius und Kreacher auf einem Fußboden, der sich felsig anfühlte. Um sie herum war es dunkel, bis auf ein schwaches grünes Leuchten wenige Meter von ihnen entfernt. Sie tastete in ihrem Umhang nach ihrem Zauberstab, aber als sie ihn in der Hand hatte, war Sirius schon schneller gewesen. 

"Lumos maxima", hörte sie ihn murmeln. Ein schwaches Licht erhellte langsam ihre Umgebung und wurde immer stärker. Nach und nach erkannte Mary, dass die Höhle, in der sie waren, sehr viel größer war, als sie zuerst gedacht hatte. Die Wände waren grünlich verfärbt, vielleicht von Moos (konnte Moos im Dunkeln wachsen?) und teilweise sieben, acht Meter hoch. 

Sie befanden sich auf einer kleinen Insel, etwa so groß wie ihre Küche (also nicht besonders groß, aber auch nicht winzig), die felsig aus einem See herausragte. Das Wasser wirkte beinahe schwarz und irgendwie unheimlich. In der Mitte der Insel stand ein einzelnes Becken aus hellem Marmor mit einer schimmernden Flüssigkeit darin, die das grüne Leuchten verursachte, das Mary zuvor gesehen hatte. 

Sie sah sich um. Mehr war hier nicht. Von Regulus war keine Spur zu sehen. 

Das schien Sirius im gleichen Moment ebenfalls aufzufallen und er drehte sich anklagend zu Kreacher um: 

"Wo ist er?"

Kreacher hob seine Hand und deutete aufs Wasser. Mary kniff die Augen zusammen. Er hatte recht - an der Stelle, auf die er deutete, war die winzige Spur eines kleinen Strudels zu sehen und ein kaum merkliches bläuliches Leuchten. 

Sirius zog seinen Zauberstab noch einmal und murmelte etwas. Das Wasser um die Stelle herum teilte sich ein wenig (Mary unterdrückte einen kleinen Schrei, als sie mehrere leblose Arme und Beine sah, als die Wellen zur Seite schlugen) und gaben den Blick auf einen schmalen, halbdurchsichtigen Kokon frei. Darin eingeschlossen, vollkommen leblos, schwebte ein...Junge. 

Mary hatte nie mit Regulus gesprochen, aber er war der Sucher der Slytherins gewesen und nur ein Jahr unter ihnen, natürlich wusste sie, wie er aussah. Er wirkte, als wäre er keinen Tag gealtert. Eingefroren mit achtzehn Jahren. Damals hatte achtzehn erwachsen gewirkt. Jetzt, so viele Jahre später, sah er aus wie ein Kind. Sirius neben ihr schien vollkommen unter Schock zu stehen. Vorsichtig griff Mary nach seiner Hand. 

"Wie können wir ihn her holen?", wollte sie wissen. Kreacher wog den Kopf hin und her. 

"Das kann Kreacher nicht", räumte er ein. "Kreacher konnte verhindern, dass er von den Inferi unter Wasser gezogen wird. Kreacher konnte verhindern, dass er ertrinkt. Kreacher musste ihn dafür in diese Blase einschließen, die fest dort verankert ist." 

Mary holte tief Luft. Na gut, das war also die Aufgabe. Sie drückte Sirius' Arm. 

"Willst du Remus kontaktieren?", schlug sie vor. Er nickte, bewegte sich allerdings für einen Moment trotzdem nicht. Dann griff er in seine Manteltasche und holte den kleinen Handspiegel heraus. 

Remus' Gesicht erschien darin, sobald er ihn aufklappte. 

"Seid ihr ok?", fragte er sofort. Sirius nickte. 

"Wir sind hier", sagte er. "Regulus ist auch hier." Er hatte die Augen immer noch nicht von seinem Bruder gelöst. Sanft nahm Mary ihm den Spiegel aus der Hand. 

"Seit ihr schon zu Hause?", fragte sie. Remus nickte. 

"Gerade zum Kamin reingekommen. Ich hab die Jungs schon losgeschickt, dass sie mir die Bücher suchen. Währenddessen verstaue ich mal das von Sirius so, dass die beiden es nicht versehentlich in die Finger bekommen." 

Der Buchladen im LigusterwegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt