Prolog

1.7K 22 1
                                    




Cleveland, Ohio

Meine Hände zitterten, als ich den Schlüssel ins Schlüsselloch schob. Ich drückte mich mit meinem gesamten Körpergewicht gegen die Tür und schob sie auf. Dann streifte ich meine Stiefel ab und flitzte durch den Flur in die Küche. Die Einkaufstüten ließ ich mit so viel Schwung auf die Theke fallen, dass die Hälfte des Inhalts herausfiel. Glücklicherweise ging nichts kaputt - das hätte mir jetzt noch gefehlt. Ich versuchte, meinen schweren Atem zu beruhigen und lauschte. Eine Sekunde, zwei Sekunden, drei Sekunden. Nur das Ticken der Uhr.

Erst jetzt bemerkte ich, dass ich meinen Atem angehalten hatte und ließ die Luft mit einem lauten Seufzen aus meinen Lungen entweichen. Er war noch nicht hier.  Ich wüsste nicht, wie ich ihm meine Verspätung erklären sollte, denn dass ich noch Papierkram erledigen und einkaufen musste, würde er mir nicht erneut abkaufen.

Ich rieb mir über meine verschwitzte Stirn und fing an, den Einkauf auszuräumen. Heute war wunderschönes Wetter. Die Sonne schien kräftig und färbte die Blätter in den Bäumen und das heruntergefallene Laub in ein buntes Lichtspektakel. Am Himmel war nicht eine einzige Wolke zu sehen, dabei hatte es in den  ganzen Vormittag nur geregnet. Als ich den letzten Karton Milch in den Kühlschrank stellte, hörte ich, wie sich die Haustür öffnete. In Windeseile strich ich mir die Falten aus meiner Uniform und strich mir lose Strähnen hinters Ohr. Er mochte es lieber, wenn ich meine Haare geschlossen trug. Das würde meine weichen Gesichtszüge zum Vorschein bringen, sagte er. Also trug ich sie zu jeder Tages- und Nachtzeit geschlossen und schließlich habe ich auch meinen Gefallen daran gefunden und probierte immer wieder neue Flechtfrisuren aus. Ich war sogar richtig gut darin geworden.

Als Brent durch den Türrahmen in die Küche schlenderte, warf ich ihm ein glückliches Lächeln und begrüßte ihn. Er gab mir einen Kuss auf die Wange und setzte sich auf einen Barhocker an die Theke. Er sah müde aus. Seine kurzen braunen Haare waren verstrubbelt und unter seinen Augen zeigten sich tiefe Augenringe. Er schob in den letzten Wochen oft Überstunden, arbeitete teilweise Nächte durch. Ich wusste, dass ihn das ermüdetet, aber er liebte seinen Job. Und mir war es lieber, dass er die Nacht im Büro blieb, um seinen Fall zu lösen als dass er nachts im Haus umhertigerte, weil er nicht zur Ruhe kam.

„Ich mache dir einen Kaffee, Liebling. Du siehst erschöpft aus." Ich drehte ihm den Rücken zu und griff nach einer Tasse aus dem Schrank.

Brent gab einen zustimmenden Laut von sich. „Oh ja, das bin ich auch. Aber wir konnten heute endlich das Arschloch schnappen, das die ganzen beschissenen Drogen in der Stadt verteilt."

Ich unterdrückte das Zittern in meinen Händen während ich das Pulver in die Tasse schüttete. Ich sah kurz über meine Schulter und schenkte ihm wieder ein  Lächeln. „Das freut mich, Brent. Wurde ja auch langsam Zeit. Wie lange saßt ihr an dem Fall? Drei Monate?" Er schnaubte und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Drei Monate und elf Tage. Und wirklich am Fall gearbeitet, habe auch nur ich. Die anderen Trotteln sind ja für nichts zu gebrauchen. Außer Kaffee trinken, Fast Food in sich reinschaufeln und dummes Zeug erzählen, können sie auch nicht."

„Ja, da hast du Recht." Ich fixierte mit meinem Blick den Wasserkocher, in dem bereits das Wasser sprudelte.

„Seit wann bist du überhaupt hier? Und warum hast du deine Uniform noch an? Ich dachte, du hättest heute Frühdienst." Das Misstrauen in seiner Stimme war nicht zu überhören. Ich schluckte hart und schloss die Augen.

„Hatte ich auch. Ich war noch einkaufen und...und die Uniform hatte ich ganz vergessen auszuziehen. Ich hab noch aufgeräumt und dann ist das wohl irgendwie untergegangen." Ich stellte den dampfenden Becher vor ihm ab, mied den Blickkontakt. Aus dem Augenwinkel heraus konnte ich sehen, wie er mich musterte. „Ich werde mich dann mal umziehen, Liebling. Und dann werde ich etwas Leckeres kochen. Was hältst du von Lasagne? Die magst du doch so gerne." Ich machte einen Schritt zur Seite, um nach oben zu gehen, aber Brents warme Hand schloss sich um meinen Oberarm. Hart. Ohne Rücksicht. Ich sah ihm in seine braunen Augen. Augen, die ich mein halbes Leben schon kannte und mindestens genau so lange liebte. Augen, die ich vor fünf Jahren geheiratet hatte. Augen, die mich jetzt wutentbrannt ansahen.

everything i ever wantedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt