Eine schwebende Kontinent-Plattform

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Nun war Jack dem Ziel wieder etwas nähergekommen. Der Punkt war jetzt so groß wie seine Faust und er konnte die Umrisse besser erkennen. Das, was da über ihn schwebte, schien eine Art Felsen zu sein. Seine Neugier wurde immer größer, er gab noch einmal Gas und schoss direkt nach oben. Mit Erstaunen stellte er fest, dass seine Flügel noch überhaupt keine Anzeichen hatten, erschöpft zu werden. Das war zwar zu seiner Gunst, aber dennoch eher unerwartet, denn seine Eltern, die auch FHs waren, hatten ihm nämlich erklärt, dass selbst ausgebildete FHs höchstens eine Stunde fliegen können. Wie lange war er schon geflogen? Er wusste es nicht mehr. Beim Gedanken an seine Eltern überflutete ihn ein heftiger Schwall von Traurigkeit und wieder quollen ungewollt Tränen aus seinen Augen, die wegendem Zugwind sein Gesicht hinunterflossen. Seine Augen brannten, seine Sicht war dadurch komplett verschwommen und er konnte nichts mehr erkennen, sein einziger Orientierungspunkt war die grelle Sonne. Das war sein Ziel, dort wollte er hin!


Wieder war er eine Weile geflogen, er hatte schon jegliches Zeitgefühl verloren. Endlich waren seine Tränen etwas getrocknet, die Restlichen wischte er sich ab. Sein Kopf war die ganze Zeit nach oben zur Sonne geneigt, aber als er wieder seine Augen öffnete, verwirrte ihn etwas: Die Sonne war weiter von ihm weg als davor. Irritiert schaute er nach unten und er konnte seinen Augen kaum trauen.

Unter ihm war eine schwebende Kontinent-Plattform.

War das etwa der schwarze Punkt, zu dem er die ganze Zeit wollte? Diese starke Anziehung sagte ihm, dass das wohl tatsächlich dieser Punkt war. Nur jetzt war er über dem „Punkt". Aber das war doch vollkommen absurd! Wie soll so etwas Großes die ganze Zeit im Himmel, mitten in der Luft bleiben? Und warum hat noch nie ein Mensch diese schwebende Plattform entdeckt? Warum hat er sie entdeckt? Und was ist mit der Sonne, die sich irgendwie entfernt hat? Hängt das alles etwa zusammen?

Tausende solcher Fragen schwirrten in Jacks Kopf, auf keines wusste er eine Antwort.

Er befand sich über dem Rand der Plattform und betrachtete diese noch etwas genauer. Der Rand war felsig, wie bei einer Schlucht, dahinter war nur der blaue Himmel. Es wuchsen einzelne Blumen nach innen hin zu einer Wiese, die zu einem Mischwald führte. Buchen, Laub- und Nadelbäume streckten sich in die Höhe, weiter innen konnte Jack eine Lichtung erblicken. Am Horizont waren Berge zu erkennen, dahinter verschwamm alles. Die Landschaft war atemberaubend schön und wenn Jack sich nicht täuschte, umgab immer etwas Glitzerndes die Bäume, Blumen und Wiesen.


Neugierig flog er zur Lichtung im Wald hin und ließ sich dort nieder. Das war etwas schwierig, denn bis jetzt war er nur nach oben und nie nach unten geflogen, besser gesagt, er wusste gar nicht, wie er landen sollte. Er versuchte, langsam abzusinken und schlug langsamer mit den Flügeln, dabei schwankte er hin und her. Bei ungefähr drei Metern über dem Boden ließen seine Flügel plötzlich nach und er stürzte zu Boden. Er machte sich schon auf den Aufprall gefasst und zuckte zusammen, aber der Aufprall kam nicht. Stattdessen umgab ihn etwas Weiches, es duftete nach frischen Blumen und etwas kitzelte sein Gesicht. Vorsichtig öffnete er seine Augen, Grashalme ragten vor seinen Augen des Bodens, schnell tastete er diesen ab – er war hart, wie eine ganz normale Wiese. Aber warum hatte er dann keine Schmerzen? Er war doch von drei Metern Höhe nach unten gestürzt, oder? Hatte ihn etwa das Gras... er hob seine Hand und schlug auf das Gras. Und tatsächlich: kurz bevor seine Faust den Boden berührte, verlängerte sich das Gras drumherum, machte eine Welle und fing die Faust in Sekundenschnelle auf, nur um genauso schnell wieder in deren ursprünglichen Form zurückzukehren. Die Hand war unversehrt und man spürte überhaupt nichts. Verblüfft starrte Jack erst seine Hand, und dann das Gras an. Nochmal versuchte er, so schnell und stark er konnte, auf das Gras zu schlagen, und wieder bildete das Gras drumherum eine Welle und fing die Faust weich auf. Jetzt stand Jack auf und ließ sich zuversichtlich rücklings auf die Wiese fallen, und wie erwartet wurde er milde abgefedert. Das weiche Gras umgab ihn, die Müdigkeit und Erschöpfung überkam ihn mit einem Mal, er schloss seine Augen und schlief ein. 

Er hatte heute so viel durchgemacht und erlebt, da hatte er sich diese Pause doch auf jeden Fall verdient.

Jack TorresWhere stories live. Discover now