(Schnipp-Schnapp)

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ich bin:
mir zu neunundneunzig Prozent sicher
jemand hat mir im Schlaf die Haare geschnitten
nur ein paar Zentimeter und nur ganz hinten
wie um zu testen ob ich es merke

schon den ganzen Morgen fährt meine Hand wie von selbst immer wieder über die Stelle in meinem Nacken und du hast angefangen mich damit aufzuziehen
nennst mich albern, aber da schwingt etwas in deiner Stimme mit
als ich ganz scheinheilig nach deiner lila Bastelschere frage
entziehst du dich mir wie Finger aus einem Handschuh

ich bin:
vollkommen überrumpelt davon, dass ich dann doch mehr sein könnte als die Summe meiner verletzten Gefühle

dich zum lachen zu bringen ist wie als Kind Fahrradfahren zu lernen
against all odds, against my better judgment
bezwinge ich die Erdanziehungskraft
und rase allein Kraft meines eigenen, wundersamen Körpers durch Tag wie Nacht

ob wir begnadet sind weiß ich nicht
aber wir rackern uns ab, zappeln den ganzen Tag
da steckt zu viel Herzblut in dieser Kopfsache, betonst du immer wieder

mit der Heckenschere in der Hand finde ich mich um drei Uhr nachts im Badezimmer wieder
meine Füße berühren den Boden nicht, aber die Kälte der Fliesen kriecht dennoch meine Waden hinauf
aus einer Lichtquelle werden zwei, als dein Gesicht neben meinem im Spiegel auftaucht
Mondwange an Mondwange

Schnipp-Schnapp, flüsterst du

Komm zu Bett.
Was machst du hier alleine?

Was machst du so weit draußen?

das aussterben unseres sommersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt