Ein kleiner Penner, ein großes Problem

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„Das ist ein Landstreicher", sagte Dave.

„Das ist ein Schwarzer", registrierte Louis.

„Das ist ein schwarzer Landstreicher", fügte Wayne hinzu.

„Wieso hast du ihn nicht gesehen?", fing Louis an Dave zu rügen. „Hast du ihn übersehen, weil er schwarz ist? Du hast einen Schwarzen umgebracht!", kreischte er hysterisch.

„Reg dich ab, Louis", versuchte Wayne ihn zu beruhigen, „keiner ist schuld an dem, was hier passiert ist. Der Typ stand unvermittelt auf der gottverdammten Straße!"

Dave blickte bedächtig zu Louis rüber. „Falls es dich beruhigt, ich hätte ihn auch gerammt, wenn er ein Weißer gewesen wäre."

Der Landstreicher war ein Afro-Amerikaner um die fünfzig, unrasiert und ungepflegt. Er roch penetrant nach einer Mischung aus Alkohol, Urin und nassem Hund. Eine lange, klaffende Wunde befand sich direkt an seiner Schläfe, aus der kirschrotes Blut langsam aber gleichmäßig herauspulsierte. Seine Augen standen weit offen und blickten ins Leere.

„Der sieht richtig böse aus", flüsterte Louis und trat einen Schritt zurück. „Schau mal sein linkes Auge." Er zeigte zaghaft mit dem Finger drauf. „Das Auge besitzt keine Pupille, sondern ist milchig weiß und hat eine dünne glitschige Haut drauf; ekelhaft."

„Ja", erwiderte Dave, „wenn wir aus den James-Bond-Filmen irgendetwas gelernt haben, dann ist es Folgendes: Traue keinem mit einer Narbe im Gesicht, einem böse klingendem Lachen oder, wie in dem vorliegendem Fall, einem Kerl mit einem Horrorauge."

„Lass uns nachsehen, ob er lebt", schlug Wayne vor.

„Hä?", sagte Louis.

„Das heißt nicht 'Hä?', das heißt 'Was?'", korrigierte ihn Wayne.

Dave hob vom Straßenrand einen langen Ast auf und stach skeptisch auf den Oberkörper ein. Der Mann bewegte sich nicht. Dave fing an, sorgfältiger auf den Mann einzuwirken, indem er die Astspitze an das Gesicht lotste und dort beharrlicher rumstocherte. Der Ast verfing sich zuerst in der Nase und glitt dann in den halb offenen Mund hinein. Keinerlei Reaktion.

(...)

Cenophobia - Die Angst vor neuen IdeenWhere stories live. Discover now