Kapitel 53

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24. Juni 1995


Den Boden unter den Füßen verlieren.

Aus dem Leben gerissen werden.

Verluste einstecken.


Ich liege zusammengekrümmt in Freds Bett und weine immer noch stumm. Ich habe, seit dem ich Cedric dort so liegen hab sehen, kein Wort gesagt. Fred hat mich vom Labyrinth weggezogen, mich mit in den Jungenschlafsaal genommen und hält mich seit dem schützend in seinen Armen.

Die anderen in seinem Schlafsaal haben nichts dazu gesagt. Sie haben generell nicht viel gesagt. Es herrscht Stille. Totenstille. Tod. Tot... Cedric ist tot. Wieder überkommt mich eine Welle von Tränen und Gedanken, die sich nicht aufhalten lässt. Ich kannte Cedric nicht sonderlich gut, aber wir haben uns dennoch gut verstanden. Durch ihn und seinen Vater habe ich zum Gleis 9 ¾ gefunden, das werde ich nie vergessen. Und jetzt soll er tot sein, einfach aus der Welt gerissen. Weg. Von jetzt auf gleich. Dieses blöde Turnier!

Freds Griff wird fester, ich spüre, dass sein Atem schneller geht, als er bemerkt, dass ich noch wach bin. Ich habe noch kein Auge zu gemacht. Wie auch? Ständig kommt mir das Bild von Cedrics Augen wieder in den Sinn. Ich spüre Freds Lippen in meinem Nacken. Er küsst mich sanft und streicht mir durch die Haare. „Schh..", macht er leise und versucht mich zu beruhigen.Ich bin mit dem Gesicht von ihm abgewandt und entschließe mich, mich umzudrehen. Ich winde mich und drehe mich einmal komplett zu ihm herum, damit ich ihn anschauen kann. Er legt seine eine Hand auf meine Hüfte ab und zieht mit seinem Finger kleine Kreise darauf. Auf die andere stützt er seinen Kopf. Ich wische mir die Tränen weg und blicke ihm in die Augen. Er sieht verzweifelt aus, ein bisschen Traurig und angespannt. Obwohl er nichts mit Cedric zu tun hatte, lastet dieser Schock auch auf ihm.

„Wie geht's dir?", flüstert er und schaut besorgt drein. Ich zucke mit den Achseln und er seufzt. „Redest du immernoch nicht mit mir?" Ein kurzes Lächeln huscht über meine Lippen, als ich den Kopf schüttle. Doch das Lächeln vergeht mir schnell wieder, denn Cedrics Lächeln kommt mir sofort wieder in den Sinn. Wie er mir zugegrinst hat, als ich auf ihn zugelaufen bin. Ein einfaches Lächeln, das jetzt so unwirklich scheint. Tränen steigen wieder in meine Augen. Freds Stirn legt sich in Falten, als er es bemerkt. Er nimmt seine Hand von meiner Hüfte und legt sie auf meine Wange. Vorsichtig hält er die Tränen auf und wischt sie weg.

Ich bin Fred so dankbar, dass er mich mit zu sich genommen hat, und das, ohne dass ich etwas sagen musste. Er ist und bleibt der tollste Mensch der Welt. Ich stelle mir vor, was gewesen wäre, wenn er tatsächlich am Anfang des Schuljahres durch den Alterskreis von Dumbledore durchgekommen wäre und selbst am Trimagischen Turnier teilgenommen hätte. Mein ganzer Körper verkrampft bei dem Gedanken. Das hättest du sein können, denke ich und vergrabe mein Gesicht in Freds Brust. Ich merke, wie Fred mit Worten ringt, doch er weiß nicht, was er sagen soll. Ich wüsste es in diesem Moment auch nicht.


Irgendwie habe ich es geschafft, einzuschlafen.

Als ich wieder aufwache, ist mein Gesicht ganz vertrocknet und ich reibe mir die getrockneten Tränen von den Wangen. „Danke, Mann." - „Schläft sie immernoch?" – „Ja... Was war unten los? Wurde irgendwas gesagt?" – „Es war ziemlich still. Niemand hat sich getraut, es anzusprechen." Ich lausche den Stimmen und öffne die Augen. Cedric. Er ist tot. Ich blicke mich um. Der Platz neben mir ist leer und ich schrecke auf. Ich stütze mich auf meine Arme auf und blicke mich im Raum um. Fred und George stehen mitten im Raum, Fred hält eine Papiertüte in der Hand. Als George mich sieht, nickt er zu mir herüber und Fred dreht sich um. Er versucht zu lächeln und kommt sofort auf mich zu. „Ich lass euch mal allein, bis später. Denk an Mum." – „Danke." Fred und George nicken sich zu, ehe George aus dem Zimmer geht und die Tür hinter sich schließt. Ich setze mich im Schneidersitz aufs Bett und lächle Fred müde und traurig entgegen. Die Ereignisse des letzten Tages kommen hoch und ich seufze. Die Tränen bleiben aus, aber die Trauer ist wieder präsent.

Fred setzt sich neben mich aufs Bett. „Guten Morgen, Schlafmütze." Er haucht mir einen Kuss auf die Stirn. „Guten Morgen.", meine Stimme ist ganz trocken und es kommt nur ein Krächzen hervor. „Es spricht.", Fred grinst vorsichtig und auch mir huscht ein Lächeln über die Lippen. „Wie geht's dir? Ich hab mir wirklich Sorgen gemacht." Ich nicke. „Mir geht es... Okay." – „Okay.", antwortet er. „George hat uns Frühstück gebracht.", meint er und hält die Papiertüte hoch. Er öffnet sie und reicht mir einen Bagel mit Frischkäse. Ich nehme ihn dankbar an und beiße sofort hinein. „Danke.", sage ich mit vollem Mund. Amüsiert schaut er mir beim Essen zu und nimmt sich selbst einen Bagel. „Warum sollst du an deine Mutter denken?" – Fred schluckt seinen Bissen herunter. „Der Unterricht fällt heute aus und Mum und Dad sind wegen Harry hier geblieben. Sie wollte uns sehen." Ich nicke. „Warum?" – „Sich vergewissern, dass es uns gut geht, glaube ich. Sie hat uns gestern vom Labyrinth weglaufen sehen und naja... sich Sorgen gemacht." Ich schlucke. Hat sie sich wegen mir Sorgen gemacht? Vielleicht.

Zum Mittagessen verlassen wir den Schlafsaal. Ich fühle mich besser, immer noch voller Schock und Trauer, aber besser. Fred's ständige Anwesenheit tut mir gut und ich mag es, dass er mir den ganzen Tag nicht von der Seite weicht.

Wir setzten uns ans Ende des Tisches, dorthin, wo noch viel frei ist. George gesellt sich zu uns und lächelt mir zu. „Schön, dass ihr euch auch mal blicken lasst!", scherzt er, doch Fred schüttelt den Kopf. Georges Lachen verschwindet und er verstummt. Ich blicke zu Fred. „Ich kann Spaß heute gut vertragen.", wende ich ein und Fred atmet erleichtert aus. „Okay." George grinst zufrieden und wippt mit seinem Fuß. „Wir sollen Mum und Dad Plätze frei halten. Sie wollen mit uns Essen." Fred nickt und ich starre Richtung Eingangstür.

Jeden Moment könnte Cedric hier hereinspazieren, lachend wie immer, mit seinen Freunden zum Hufflepuff-tisch gehen und dort gemütlich Essen. Doch das wird er nie wieder tun. Er wird nie wieder lachen, nie wieder seine Freunde sehen, nie wieder hier an einem der Tische essen. Ein Kloß setzt sich in meinem Hals fest. Und da sind die Gedanken wieder. Die Gedanken an Cedric, die Gedanken an seinen Tod, an sein Leben, an alles.

„Em, alles gut?" George meidet meinen Blick, aber Fred ist alarmiert. „Sollen wir im Gemeinschaftsraum essen?" Ich schüttle den Kopf und stehe auf. „Ich muss nur mal kurz ins Bad." Ich schaue Fred nicht an, als die Tränen wieder meine Wangen herunter laufen, doch ich bin mir sicher, dass er es bemerkt hat. „Em, warte. EM!" Doch ich bin schon weg, aus der Eingangstür hinaus und laufe Richtung Mädchen-Badezimmer. Die Tränen verschwemmen meine Sicht, doch ich kann gut die kleine rundliche Frau und den großen schlaksigen Mann mit roten Haaren erkennen, auf die ich gerade zulaufe. „Emilia.", sagt die Frau, Mrs. Weasley. Ich blicke zu ihr auf, die Augen voller Tränen. „EM!", höre ich von hinten. Fred. „Komm her.", meint Molly und nimmt mich in den Arm. „Geh schon mal vor, Arthur. Und nimm Fred mit." Ihr Mann seufzt und nickt.

„Komm, Fred." – „Dad, lass mich." – „Deine Mutter ist bei ihr." – „Aber..." – „Kein Aber." Dann höre ich, wie die beiden den Gang verlassen und Molly und mich alleine stehen lassen.

Molly hält mich einfach nur im Arm. „Sch...", macht sie und streicht mir über die Haare. „Ich weiß, es ist nicht leicht." Ich schluchze. „Er war ein guter Mensch. Stark." Ich schluchze wieder. „Aber, das konnte niemand wissen oder aufhalten." Ihre Stimme bricht. „Wir haben mit Dumbledore gesprochen. Er hat uns erzählt, wie es passiert ist. Darum wollten wir euch sehen." Ich schlucke und blicke zu ihr auf. Tränen rinnen in Strömen meine Wangen herunter. „Du... Du-weißt-schon-wer..." – „Was ist mit ihm?" – „Er... ist wieder da."


𝕝𝕠𝕤𝕥 𝕒𝕟𝕕 𝕗𝕠𝕦𝕟𝕕 - die Tochter des letzten Rumtreibers ➵ Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt