Kapitel 16

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"Sag Bescheid, wenn du aussteigen möchtest." Gespannt wie ein Bogen sehe ich aus dem Fenster des weißen Audis und versuche irgendetwas in dieser Dunkelheit zu erkennen. Die Nacht taucht die Gärten, Häuser, Parks und Bäume in ein solches Schwarz, sodass man das was sich ebenfalls im dieser schwarze befinden könnte nicht erkennen kann. Wo ist er nur?
Die Stelle, an der ich ihn einige Stunden zuvor zuletzt gesehen habe taucht am Straßen rannte und ich gebe ein lautes "STOP" von mir.
Rachel tritt sofort auf die Bremse und der Wagen kommt quitschend zum stehen.

"Hier habe ich ihn zuletzt gesehen. Schlüssel ist in meiner Handtasche und meine Handynummer hast du. Danke Rachel und wünsch mir Glück, bis später." Rachel nickt, während ich die Autotür öffne und aussteige.
Die kühle der Nacht umhüllt mich und ich fange sofort an zu frieren. In dieser Kälte kann man sich sonst was für Krankheiten holen und wenn man dann noch bedenkt, dass Kyle hier seit Stunden draußen ist. Dann hoffe ich nur das ich ihn schnell finde und ins Warme bringen kann. Bei einer solchen Temperatur außerhalb einer beheizten Umgebung zu sein ist nicht angenehm und das wünsche ich noch nicht einmal meinen schlimmsten Feind.
Ich laufe die Straße runter und halte Ausschau nach Kyle. Am Spielplatz halte ich inne und sehe mich um. Der Sandkasten, die Wippe und das Klettergerüst liegt dunkel da und ich denke nicht, dass sich Kyle hier befindet.

Ich laufe weiter und reibe mir dabei über die Arme. Ich bekomme Gänsehaut und beginne mit den Zähnen zu klappern. Am liebsten würde ich jetzt umdrehen und ganz schnell nachhause laufen, dann würde ich mir ein warmes Bad einlaufen lassen und mich im Anschluss in ein warmes, kuscheliges Bett legen - vielleicht sogar mit einer heißen, warmen Schokolade und einer ganzen Tube Schlagsahne.


Fünf Minuten später bin ich einmal die Gegend abgelaufen und komme wieder am verlassenen, dunklen Spielplatz an.
Das kleine Gebäude, auf das die Kinder immer gerne klettern, erweckt meine Aufmerksamkeit und ich gehe langsam drauf zu.
Ich gebe einen wütendes Schnauben von mir, als ich mit dem Absatz im Gras stecken bleibe. Ohne groß über die Schuhe nachzudenken schlüpfe ich raus und gehe auf nackten Füßen weiter. Die Kühle der Nacht dringt tiefer in meinen Körper ein und ich beginne immer heftiger zu zittern.
Ich klettere langsam zu dem Häuschen hoch und bewege mich auf Knien voran, wobei ich den Schmutz, der den Boden bedeckt zu ignorieren versuche.
Mein Kleid ist hin, dass war's.

Da sehe ich ihn.

Er sitzt an die Wand gelehnt mit den Kopf auf die Knie gelegt und die Arme um die angewinkelten Beine geschlungen. Ich klettere schneller vorwärts, so schnell wie es mir in dem Kleid möglich ist.
Er sitzt reglos an der Wand und leichte Wölkchen kommen aus Mund und Nase.
Er atmet noch, dass ist das mindeste.

"Kyle", sage ich und lege ihm einen Hand auf's Knie. Er zuckt zusammen und sieht geschockt auf. Seine Augen sind vom weinen rot geschwollen und seine Wangen nass vor Tränen.
In seinen Augen steht Trauer und Einsamkeit. Ich möchte ihn am liebsten in den Arm nehmen und ihm sagen, dass alles gut werden wird, aber irgendetwas in mir hält mich davon ab.
Ich rutsche näher an ihn, aber er wendet seinen Blick ab und legt wieder den Kopf auf die Knie, um hörbar zu schluchzen.
Ich habe ihn noch nie in meinem Leben so gesehen und habe mir sowas noch nicht mal in den Träumen meiner Träume erträumt.
Ihn so zu sehen schmerzt. Er sollte nicht so leiden. Ich wünschte ich wüsste was er hat. Ob es daran lag, dass ich mich geweigert habe bei ihm zu bleiben und meinen Sturkopf durchgesetzt habe?
Oder hat das Ganze einen ganz anderen Grund?

Ich glaube ich an seiner Stelle wäre auch wütend. Ich denke, ich hätte genauso gehandelt wie er und wäre dann am Ende total traurig gewesen, wenn ich festgestellt hätte, dass ich entkommen bin. Ach, ich ...
Ich kson gar nicht klar denken!

"Kyle. Es tut mir leid. Bitte komm mit nachhause. Die Jungs machen sich sorgen und wenn du weiterhin hier so sitzt, dann wirst du dich erkälten. Ich möchte nicht, dass du hier in der Kälte bist, wenn wir ein Haus mit Heizung und  schönen, kuscheligen Decken haben. Bitte, komm mit mir mit", bitte ich ihn und lege ihm einen Hand auf die Schulter. Er murmelt etwas vor sich hin und ich würde in diesem Moment am liebsten sein Gesicht in meine Hände nehmen, ihn küssen und ihm sagen, dass er nicht traurig sein brauch. Ich möchte nicht das er weint, das er alleine ist und das er aussieht wie ein kleines Häufchen Elend.
Fast nicht hörbar gibt er einen zustimmenden Laut von sich und ich muss leicht lächeln.
Er richtet sich langsam so auf, sodass wir aus dem Häuschen klettern können.
Kurzdarauf warte ich bereits auf dem Erdboden auf ihn und beobachte, wie er herunterklettert. Im Gegensatz zu mir trägt er Socken und Schuhe, aber sonst gibt es keinen großen Unterschied.
Als er neben mir stehen bleibt sehe ich zu ihm auf und kann nicht anders als ihn zu umarmen. Er erwidert die Umarmung nicht, aber er schubst mich auch nicht weg.
Sein Brustkorb hebt und senkt sich unregelmäßig und als ich ihm ins Gesicht sehe fällt mir erst auf, dass er weint.
Tränen laufen ihm die Wange herunter und mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen.
Ich hebe die Hand und streiche ihm die Träne von der Wange. Er sieht mich an und ich stelle mich auf die Zehnspitzen, um die Arme um seinen Hals zu schlingen und ihn zu umarmen.
Dieses Mal erwidert er die Umarmung und ich streiche ihm sanft mit meinen Händen durchs Haar.
Ich schmiege mein Gesicht an seinen Kopf, während er mich an sich drückt und an meiner Schulter weint.
Ich wünschte ich könnte ihm das abnehmen, was ihn gerade so offensichtlich belastet.
Ich wünschte er würde nicht so leiden. An dieser Stellte wünsche ich mir, dass er wieder etwas macht, sodass ich mich derartig aufregen kann, dass ich ihm am liebsten mit der Pfanne einen überziehen würde.
Das nächste Mal, wenn mich Kyle auf die Palme bringt, im übertragenen Sinne, werde ich mich an diesen Moment erinnern und mich darüber glücklich schätzen.
Ein Kyle, der lauter idiotische Sachen macht ist mir lieber als einer, der dermaßen erschüttert ist, dass man ihn fast nicht wiedererkennt.

Vom Bad Boy zum Traumprinzen *wird überarbeitet*Where stories live. Discover now