Schauspielkünste

1.1K 84 4
                                    

Der Streich verläuft genau nach Plan und Randy wird sich bald wünschen nie mit mir, nie mit uns gespielt zu haben. Wer Schlechtes sät wird Schlechtes ernten, sagt meine Grandma immer und in gewisser Weise hat sie da Recht. Ich stehe wartend auf dem Dach des alten Kinos und bin schon ganz gespannt ob Randy meiner Einladung folgt oder sie einfach links liegen lässt. Wie mich. Vermutlich wird er aber aus Neugierde kommen, so wie ich ihn kenne. Ich sehe nach unten und jede Minute, die verstreicht fühlt sich an wie ewige Stunden. Es zieht sich alles in die Länge da ich ein wenig nervös bin ob unser Plan überhaupt funktioniert. Jasper ist zwar der kluge Kopf hinter unserer Aktion, wir sind aber die Schauspieler, die alles hinbekommen müssen.
Ich blicke auf mein Handy um die Uhrzeit abzulesen und mache mich langsam bereit. Ich streiche mir mit Wasser über die Augen, damit ich etwas verheult aussehe und es echter rüberkommt. Die Haare verwuschle ich und dann stelle ich mich ganz nah an den Rand des Gebäudes damit ich nach unten blicken kann. Was ich sehe, macht mir ein wenig Angst ... Immerhin geht es steil nach unten und ich bin kein Fan von diesen Höhen.

Dann passiert alles ganz schnell und ich kann sehen wie eine dunkle Gestalt um die Ecke biegt. Die Gestalt hebt den Kopf und blickt zu mir nach oben. Ich kann seine kantigen Züge erkennen, die durch die Lichter der Leinwände und Straßenlaternen erhellt werden. Randy hat sich sichtlich schick gemacht um mich zu treffen. Ich kann erkennen, dass er seine feinste Leinenjacke trägt, die er nur zu besonderen Anlässen getragen hat. Das heißt dieses Treffen war für ihn etwas ganz Besonderes. Für mich ist es das ebenfalls und noch ehe mich Schuldgefühle wieder kneifen lassen, beiße ich mir selbst in die Lippe um mich abzulenken. Der Schmerz lässt mich kurz an etwas anderes denken und ich kann mich wieder auf das Wesentliche konzentrieren. Als ich noch ein kleines Kind war, habe ich diese Taktik immer angewandt als ich zum Zahnarzt musste und total nervös war. Meine Mutter hat mir immer gesagt, ich solle an etwas Schönes denken aber das hat bei mir nicht wirklich viel gebracht, da ich mir zwar rosa Einhörner ausdachte aber diesen alle Zähne ausfielen. Ich musste also eine andere, effektivere Art der Ablenkung finden und biss mir unabsichtlich in die Lippe. So hatte ich keine Gedanken mehr an den grausamen Zahnarzt verschwenden müssen, sondern nur daran meine blutende Lippe wieder sauber zu bekommen. Natürlich habe ich mich gerade nicht wirklich so fest gebissen, dass ich blute sondern nur leicht. Wenn ich mich wirklich beißen würde, wären in meiner Lippe viel zu viele Löcher.

Randy kommt ganz nah an das Gebäude und als sein Blick auf das Dach fällt, stelle ich meine Schauspielkünste zur Schau. Ich gebe mir Mühe, so verletzt und traurig wie möglich auszusehen und gebe Schluchzer von mir. Das fällt mir relativ leicht und ich kann durch meine Finger hindurch erkennen, dass Randy einen fassungslosen Gesichtsausdruck aufsetzt. Seine Lippen formen sich zu einer O Form und dann schreit er zu mir nach oben. Seine Stimme klingt geschockt und dringlich zugleich. Er will nicht, dass ich nach unten springe. Er will auf keine Fall Blut auf seiner teuren Jacke kleben haben, denke ich mir auf jeden Fall.

„Bine, bleib genau dort stehen. Ich werde zu dir nach oben kommen, okay?" Seine Hände sind zu mir nach oben ausgestreckt, als wolle er mich damit auf dem Dach halten. Ich nehme meine Hände von meinem Gesicht und blicke verwirrt nach unten, als hätte ich ihn erst jetzt bemerkt. Mein Kopf dreht sich auch in die anderen Richtungen um zu sehen, ob noch jemand da ist. Ich kann erkennen, dass seine Hände leicht zittern und er nicht weiß, was er mit mir machen soll.

„Nein.", gebe ich einen schrillen Laut von mir und tue so als ob ich kurz mein Gleichgewicht verlieren würde. Ich torkle kurz nach vor und Randy reißt den Mund und Augen gleichzeitig auf als ob er gleich einen Herzinfarkt bekommt. Ich halte mich jedoch wieder und fahre fort. „Komm auf keinen Fall nach oben.", schreie ich zu ihm nach unten und schluchze ein wenig mehr.

Youtube StarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt