Kapitel 58

9.9K 536 59
                                    

Juli 1995

"Dass sie immer so auf geheimnistuerisch machen müssen.", murmelt Ginny vor sich hin, als sie vor ihrem Kleiderschrank steht und ein Kleidungsstück nach dem anderen in ihren Koffer auf dem Bett wirft. "Sie wollen das alles nur dramatischer machen." Kopfschüttelnd betrachtet sie ein Kleid, wiegt es hin und her und wirft es dann ebenfalls in ihren Koffer. Ich sage nichts dazu. Sie werden ihre Gründe haben, uns nicht alles sofort zu erzählen. Dennoch denke ich über die Worte nach. Ein Orden zur Bekämpfung des Bösen. Ich muss an meine Bücher denken, in denen sich die Guten vereinen, um gemeinsam stärker im Kampf gegen das Böse zu sein. Da ist das Wort wieder. Kampf. Ob es zu einem Kampf kommen wird? Einem Krieg? Sicherlich. Doch was wird das für Folgen haben? Tod. Schießt es mir durch den Kopf. Viele Tote. Kinder, die ihre Eltern verlieren, Eltern die ihre Kinder verlieren, eine Armee voller Krieger, die allesamt fallen. So ist es zumindest immer in den Büchern. Und dennoch wird das Gute siegen, auch wenn es einen großen Preis dafür zahlen musste. Doch wird es so wie in den Büchern sein? Kann es das? Ein Happy End geben? Ich habe seit Schuljahresende nicht mehr über Cedric und Voldemort nachgedacht, bis gestern, als Percy es erwähnt hat. Doch auch dann kamen mir weniger die Gedanken an einen bevorstehenden Krieg, als mehr die Sorge um die Weasleys als Familie. Doch nun will mich dieses Szenario nicht mehr los lassen. Neville kommt mir in den Sinn, dessen Eltern im letzten Krieg zwar nicht umgebracht worden sind, aber der sich oft genug wünscht es wäre so gewesen. Harry, der ohne Eltern aufwachsen musste. Meine Mutter, die ihre Sicherheit für mein Überleben einbüßen musste. Das sind die Opfer des Krieges. Ob ich bereit bin, mein eigenes Opfer zu tragen? Ich bin bald volljährig. Hoffnung und Mut steigen in mir auf. Wenn es wieder zu einem Krieg kommt, will ich dem gewachsen sein. Für Neville, für Harry und für meine Mutter.

"Hallooo? Erde an Emilia.", Ginny wedelt mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum. "Was? Ehm, sorry, ich war in Gedanken." Ich schüttle meine Gedanken weg. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber nachzugrübeln. "Hat man gar nicht gemerkt. Du hast nur mit offenem Mund an einen Fleck auf meiner Wand gestarrt und auf keine meiner Fragen reagiert.", gluckst sie und wirft einen Pullover wieder zurück in ihren Schrank.

"Ich hab dich gefragt, ob du meinst, dass Harry auch da sein wird?", fragt sie - versucht, beiläufig zu klingen. "Harry? Was? Wo? Achsooo..." Ich grinse sie breit an. "Harry. Ich weiß nicht. Kann gut sein." - "Ok." Ginny errötet und versteckt sich hinter ihrer Schranktür. Ich falte das letzte Oberteil auf den Kleiderberg in meinem Koffer, schließe die schwere Klappe und lasse die Verschlüsse zu flitschen. Auch Ginny scheint fertig mit Packen zu sein.

"Hilfst du mir mal kurz?", fragt sie, als sie versucht, den Kleiderhaufen in ihrem Koffer zu bändigen und den Deckel zu schließen. An den Seiten quillen Stoffetzen hervor, der Deckel lässt sich nur mit Mühe herunterdrücken. "Warte mal." Ich öffne die Klappe wieder, stopfe alle Kleider so gut es geht in den Koffer und befreie die Ränder von Stoff, dann schließe ich den Deckel wieder. "Setz dich mal drauf." Ginny lässt sich ohne zu zögern lachend auf ihrem Koffer nieder. Die Ränder des Koffers schließen endlich aufeinander, auch wenn ich immernoch stark an den Verschlüssen ziehen muss, um sie ineinander einrasten zu lassen. "So.", sage ich und reibe meine Hände ab, mit dem Ergebnis zufrieden. "Danke.", trellert Ginny und springt von dem Koffer herunter. "Sicher, dass du das ganze Zeug alles brauchst?" - "Ganz sicher!", meint sie und kramt neben ihrem Schreibtisch nach einem Rucksack. Sie packt ihn voll mit noch mehr Oberteilen, einem Haufen Krimskrams, ein paar Büchern, einer Feder und ihrem Zauberstab. Ich schaue ihr gespannt dabei zu, bis sie den Stoffbund des Rucksackes zuzieht und ihn entschlossen schultert. Dann greift sie nach einem Jutebeutel und lädt diesen ebenfalls voll mit Süßigkeiten, Kosmetik, Pergament und Diesem und Jenem, was sie gerade noch so findet. Mit einem letzten Blick durch ihr Zimmer wirft sie sich auch die zweite Tasche über die Schultern. "Fertig.", meint sie und greift nach der Schlaufe ihres Koffers. "Worauf wartest du noch?", fragt sie dann und ich kann nur belustigt den Kopf schütteln.

𝕝𝕠𝕤𝕥 𝕒𝕟𝕕 𝕗𝕠𝕦𝕟𝕕 - die Tochter des letzten Rumtreibers ➵ Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt