14- der Typ der sich angeblich fernhalten will

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14- der Typ, der sich angeblich fernhalten will

"Sonst bringe ich dich noch in Schwierigkeiten", lese ich seinen letzten Satz, den er gerade geschrieben hat. Nichts weiter. Nur diese paar Zeilen.

Ich lese mir die Nachricht zweimal durch, nur weil die Antwort so untypisch für ihn ist. Ich sollte jetzt eigentlich zufrieden sein, aber ich bin lieber wütend, weil er wieder ein auf Held tun muss. Ich halte mich von dir fern, um dir gutzutun.
Schön, dass ihm auch aufgefallen ist, dass seine Anwesenheit mich nicht gerade beglückt.

Trotzdem begleitet mich ein mulmiges Gefühl, als ich den nächsten Kursraum betrete und mich zu meinen Freundinnen setze. Ich bin die ganze Stunde unruhig, weil ich genau weiß, dass ich unserem tollen Direktor nicht ewig entkommen kann und diese Begegnung würde unangenehm werden. Wieso musste Zamir auch so einen Aufstand machen anstatt mir einfach aus dem Weg zu gehen?

Als dann in der nächsten Pause wieder Tino zu mir kommt, um mir auszurichten, dass der Direktor mich sehen will, bekomme ich leichte Panik.
»Ich hab ihm gesagt, dass ich dich letzte Pause nicht gesehen habe«, erklärt Tino verwirrt , dass er mir den Arsch gerettet hat. »Wieso bist du nicht hingegangen?«
  »Tino, kannst du bitte sagen, dass ich nicht da bin?«, frage ich, verabschiede mich flüchtig vom meinen Freundinnen und verlasse dann die Schule. Das kann ich mir nicht antun. Obwohl es kein Entkommen gibt, will ich mich nicht heute dem stellen. Morgen auch nicht. Übermorgen schon gar nicht. Nie wäre die beste Option.

Weil in der Nähe meiner Haltestelle eine Baustelle ist, muss ich an der Ersatzhaltestelle aussteigen, von der ich eine ziemliche Strecke zurücklegen muss, um zu Hause anzukommen.

Zuerst erblicke ich einen grauen Fleck, von dem grauer Rauch in den Himmel steigt. Ein Raucher? Mein Raucher? Mein Typ meine ich, nein- der Typ, so ist es richtig. Ich stoppe kurz, weil meine Gedanken so ungeordnet sind.

Ich sehe noch, wie er den Rauch tief in seine Lungen zieht, die Glut knistert langsam auf den Filter zu.

»Was tust du denn hier? Du hast doch noch Unterricht«, fragt er mit seiner rauen Stimme, als er mich erblickt. Der Geruch von Zigaretten umhüllt mich, aber er ist ganz süß, weil er vermischt mit seinem Atem ist.
  »Das müsste ich dich fragen. Du stehst vor dem Apartment, indem ich wohne.«
  Er sieht mich skeptisch an, blickt dann auf seine Zigarette, die er daraufhin auf den Boden wirft und austritt. Ich weiß genau, weshalb er das tut und ich hasse es, wenn er so aufmerksam ist, weil es einfacher ist, ihn nicht zu mögen.

»Ich hatte eine Freistunde«, behaupte ich. Das ist einer der klassischsten Ausreden.
  »Du weißt schon, dass ich Zugriff auf den Vertretungsplan habe«, weiß er aber sofort, dass es eine Lüge ist. Ist ja auch nicht schwer zu erkennen. »Ist es wegen dem Direktor? Aklima, Du brauchst dir keine Sorgen machen. Er wird dir nicht mehr drohen. Nie wieder.«
  »Darum geht es nicht.«
Mein Blick hängt auf dem Boden, wo ich irgendwelche Kieselsteine unter meinen Füßen weg kicke und während ich meine Worte ausspreche, lächle ich, als würde es mir doch nicht so viel zusetzen. »Am liebsten würde ich ihm nie mehr begegnen müssen. Wie ich wohl in seinen Augen aussehe? Ich fühle mich wie eine Hure. Für Geld-«
  Er unterbricht mich, sorgt dabei dafür, dass ich ihn ansehe. »Das ist nicht dein ernst, oder?«

Ich bin schockiert darüber, dass ich das überhaupt laut und dann auch noch in seiner Gegenwart ausgesprochen habe. Daher beantworte ich ihm die Frage nicht, sondern widme mich den Kieselsteinen.

Zamir beginnt lauthals zu lachen und ich starre auf den Boden, bis er an seinem Lachen erstickt. Oder eher wünsche ich mir das. Er hört nur auf. »Meinst du das wirklich ernst?«
Nein, ich meine es unwirklich ernst,
Für diese dumme Frage bekommt er keine Antwort.

Ich will ins Apartment, aber er zieht mich am Griff meines Rucksackes zurück, sodass ich zurücktaumele. »Bist du nicht.«
Danke, das lässt mich jetzt garantiert besser fühlen.

»Du tust mir nur einen Gefallen.«
  Ich schnaube, kann ihn immer noch nicht ansehen. »Und du bezahlst Ilaydas Krankenhausrechnung.«
  Sein Lachen gefällt mir nicht. Vielleicht merkt er es und hört deshalb auf. »Mein Vater wollte das Geld deiner Mutter sowieso ausleihen. Er hätte es ihr auch so gegeben, aber du kennst deine Mutter. Ich glaube, wenn sie das Geld hat, würde sie es selbst jetzt zurückzahlen.«

Ich massakriere gerade einen Kieselstein mit der Schuhsohle tief in dir Erde. Das, was Zamir sagt, macht nichts besser. Auch wenn man meiner Mutter das Geld hatte geben wollen, heiratete ich ihn doch nur wegen der Kosten.

»Sie war die erste, die davon erfahren hat, dass mein Vater verurteilt wurde«, fährt er nach einer Pause fort. »Wegen meiner so schlechten Wandlung wollte er von deiner Mutter wissen, was er hätte besser machen sollen. So als Sicht einer Mutterrolle. Ich glaube, da haben sie sich angefreundet. Als deine Mutter davon gehört hat, wollte sie uns helfen. Sie wollten sich gegenseitig helfen. Natürlich haben sie Kosten für deine Schwester auch eine Rolle gespielt, aber ich glaube beide Seiten waren ziemlich zufrieden mit dem Ergebnis.«
  »Wie?«
Ich sehe wieder auf, starre geschockt in Zamirs Gesicht. »Hat sie mich jetzt verarscht?«

Sein Grinsen. Dieses bescheuerte Grinsen, bei dem zuerst der eine Mundwinkel und dann erst der andere hoch gleitet. »So würde ich es nicht sagen. Es ist geben und nehmen. Du hilfst mir. Ich helfe dir.«
  »Ich muss gehen.«
  »Was, wieso?«
  »Ich muss meine Mutter fragen, ob sie mich verarscht hat.«
  »Sie wird sicher mit Ja antworten.«

Ich antworte ihm nichts mehr, sondern eile hoch in die Wohnung. Mir fällt ein, dass er mich ja angeblich ignorieren wollte. Was ist damit passiert?

»Hast du geraucht?«, fragt Ilayda mich und hebt dabei eine Braue. Wie ich das hasse. Wieso kann das jeder, nur ich nicht?
  Meine Mutter blickt mich an, kichert sogar und das stört mich immens. Wer weiß, was die für ein Kopfkino hat.
  »Eine Freundin von mir raucht«, antworte ich Ilayda.
  »Wie heißt sie denn? Zamira?«, fragt meine liebreizende Mutter und ihre Augenbrauen wackeln um die Wette.

  »Zamira und ich leben in verschiedenen Welten! Ich meine, du willst doch auch nicht, dass ich mich mit ihr befreunde, oder? Schließlich will keine Mutter, dass die so süße unschuldige Tochter sich mit rauchenden drogenabhängigen und die brave Tochter immerzu in Schwierigkeiten bringenden Mädchen trifft.«
  Sie knirscht mit den Zähnen, während sie noch grinst. Dann fasst sie mich am Handgelenk und zieht mich mit in ihr Zimmer.

»Hey! Ich will's auch wissen!«, schreit Ilayda nach. Das bringt aber nichts.

Meine Mutter schließt die Tür hinter uns ab und weil wir beide wissen, dass Ilayda an der Tür lauschen wird, spricht sie absichtlich leise. »Sag das nie wieder. Hast du gehört?«
  »Wieso? Stimmt das nicht?«
Ich weiß nicht, welche von den Informationen so neu ist, dass ich sie nicht aussprechen darf. Sie und ich wissen doch sowieso alles. Außerdem hat sie mich provoziert. Es ist ihre Schuld.
  »Das mit den Drogen ist Vergangenheit. Er hatte eben eine schwere Phase.«
  »Ist ja schon gut.«

Ich versuche sie nicht anzusehen, weil sie allein mit ihren Blicken mir ein schlechtes Gewissen bereiten kann. Als ich sie dann doch ansehe, bemerkte ich, dass sie mich nicht tadelnd, sondern traurig anblickt. Sie scheint besorgt um Zamir. »Er hat mit all dem angefangen, nachdem seine Mutter gestorben ist. Das zu verarbeiten muss sehr schwer sein. Vielleicht spielen meine Mutterinstinkte deshalb verrückt. Ich weiß nicht.«
 
Sie reibt sich am Arm und wegen dieser Angewohnheit meiner Mutter, weiß ich, dass mehr dahinter steckt.

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Danke für euer Feedback, freue mich immer, eure Meinung zu hören.
-hayaleyna

Der Typ, der mein Verlobter sein sollDove le storie prendono vita. Scoprilo ora