Entscheidungen

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Ich war tatsächlich an dem Haus vorbei gefahren und wendete in der nächsten Toreinfahrt. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, zweifelte ich direkt am Großen und Ganzen. Wieder blickte ich zu Luca und dann zu Luisa. Ich hatte die Wahl zwischen einer Frau, von der ich immer nur Gutes hörte, ihr Sohn einer der besten Freunde von Luca war und er da schon mal übernachtet hatte. Auf der anderen Seite Luisa, die ich davor bewahren musste mit einem gewissen Timo, den ich eh nicht leiden konnte, das Wochenende in Berlin zu verbringen und in einem Hotel vielleicht noch auf dumme Ideen kam. Was wollte der Kerl auch von ihr? Er war 19 und sie 15! Nein, 16. Aber spielte das noch groß eine Rolle? Jungs in dem Alter hatten sicher nicht nur vor Karten zu spielen und TV zu schauen, wenn sich solch eine Gelegenheit bot. Ich wusste nicht ob Luisa schon so weit war, was das Sexuelle betraf, sie redete ja auch nicht mit mir darüber aber ich würde ihr auch nicht Tür und Tor aufmachen um ihre Erfahrungen so zu erleben. Nein, Luca musste zu Yvonne und ich mit Luisa nach Berlin. Ich parkte das Auto und stieg aus „kommst du mit rein oder willst du hier im Auto warten?"-„Was?"-„Man Luisa, jetzt mach die Dinger halt mal aus den Ohren!"-„Ich warte im Auto" bekam ich nur als knappe Antwort, was mir zeigte, dass sie mich sehr wohl gehört hatte. Ich schloss die Tür, holte aus dem Kofferraum die Tasche von Luca und holte dann auch ihn aus dem Auto. Mit klopfendem Herzen klingelte ich und schon machte mir Yvonne die Tür auf. „Hey, da seid ihr ja" begrüßte sie uns freundlich und ich stöhnte nur kurz auf „ja, hätte auch nicht gedacht das wir es noch schaffen. Irgendwie ist die große echt unmöglich drauf. Sie kam einfach nicht in die Puschen"-„Teenager" verschwörerisch zwinkerte sie mir zu und irgendwie beruhigte mich das. „Ich wollte mich nochmal entschuldigen für diese doch kurzfristige Aktion"-„ach, ist doch kein Problem" wie konnte ein Mensch nur so positiv sein? Viel mehr, wann hatte ich diese Leichtigkeit verloren? Ich dachte 5 Jahre zurück und erkannte die Antwort. „Naja, ich mag ehrlich sein. Eigentlich ist es ein Unding, einfach so ein Kind abzugeben, aber mir bleibt einfach nichts anderes übrig, da deine Freundin mir abgesagt hatte"-„Nicole, das ist wirklich kein Problem"-„ich bin auf jeden Fall einen Kaffee schuldig und wenn unsere Kinder schon so befreundet sind, sollten wir vielleicht auch mal was enger rücken oder nicht?"-„Ich habe nichts dagegen einzuwenden, aber jetzt mach dir erst einmal ein schönes Wochenende" kaum hatte sie es ausgesprochen als ihr Mann hinter mir zur Tür rein kam. „So, euer Taxifahrer ist auch da, dann kann es ja wirklich losgehen" Luca hatte sich schon mit Nico in den Garten verzogen und ich ging mich noch bei ihm verabschieden. Für ihn schien es weniger ein Problem zu sein als für mich und ich drückte ihn nochmal extra lang. „Sei lieb und bitte halt die Ohren streif kleiner"-„jaaa, ich bin lieb. Das bin ich doch immer Mama"-„oh Luca, das sollst du doch nicht immer sagen"-„er umschlang ein weiteres Mal meinen Hals, küsste mich auf die Wange und sagte „ich hab dich lieb, Mama" frech grinste er und rannte dann wieder zu seinem Freund. „Bis dann" ich winkte nochmal zu ihm rüber und ging dann wieder ins Haus. Dann packten wir, nach kurzer Verabschiedung von Yvonne und einer wiederholten Entschuldigung, auch schon die Taschen und meine Schwester um und fuhren zum Flughafen.

Wir hatten es gerade so durch die Kontrolle geschafft und mussten zu unserem Gate rennen, um das Boarding nicht zu verpassen. Der Flug verlief sehr ruhig. Luisa hatte ihre Musik im Ohr und ich sah zum Fenster raus. Die Welt sah so friedlich aus und der Blick auf die Wolken ließ mich etwas sentimental werden. Wenn Menschen nach ihrem Tod wirklich in den Himmel kamen, waren wir gerade unseren Eltern sehr nah und dieser Gedanke zerrte an meinem Herzen. Vielleicht war auch Luisa deswegen so kompliziert, weil es eben auch für eine 10 jährige nicht ganz so einfach war die Eltern zu verlieren. Dennoch versuchte ich wirklich alles was in meiner Macht stand, ihr Leben so schön wie möglich zu gestalten. Nur in den letzten 2 Jahren, wurde sie immer unerträglicher. Ich wünschte mir meine Mutter zurück. Was wäre, wenn Luisa wirklich meine Tochter wäre und ich diese Probleme mit ihr hätte? Ich würde genauso nach meiner Mutter trauern, da ich sie gerne um Rat fragen würde. So versuchte ich mich, an mich selbst zurück zu erinnern, wie ich in dem Alter war. Doch irgendwie war ich in meinen Erinnerungen gar nicht so schlimm. Was mich zu dem Endschluss brachte, Luisa war schlimmer als ich es je hätte sein können. Natürlich war dieser Blickwinkel absolut überhaupt nicht neutral. Ich war ebenso gut in der Schule wie sie es war und das ohne einen Schicksalsschlag in der Kindheit. In dem Punkt hatte sie mir sogar etwas voraus. Sie hätte auch absacken können in der Schule und ich hätte nun einen gelangweilten Teenager, der mit sich und seiner Umwelt nichts anzufangen wüsste. Ich sah zu ihr rüber und musterte sie. Sie war ein hübsches junges Mädchen, die sich oberflächlich etwas hässlicher machte als sie war. Was aber einfach an ihrem Musikgeschmack und ihrer Mode lag. Sie zog sich nur sauber und anständig an wenn sie Babysitten ging. Dann sah man auch mal zur Abwechslung ihr Gesicht, was sie sonst hinter ihren Haaren versteckte oder sie sich eine Cap tief ins Sichtfeld zog. Ihre bevorzuge Farbe Schwarz wurde jedes Wochenende von einem fröhlichen Gelb untermalt und dies ließ mich hoffen, dass sie nicht ewig in der Dunkelheit verweilen würde.

Ich, meine Schwester und MarcoWhere stories live. Discover now