46. - Warrior.

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Heute war mein freier Tag, also konnte ich ausschlafen, mir in aller Ruhe mein Frühstück zu bereiten und mich in gemütlichen Klamotten auf dem Sofa niederlassen. Doch das wurde mir schon nach einiger Zeit zu langweilig, also zog ich mich um, nahm meine Jacke und verließ die Wohnung. Ich ging die Straßen der Stadt entlang, bis ich schließlich an einem kleinen Café vorbeikam. Es war nicht besonders groß, aber sehr süß und stilvoll eingerichtet. Ich holte mir einen Kaffee und setzte mich an einen Tisch am Fenster. Es war zwar sehr sonnig draußen, jedoch war es etwas kühl. Ich schrieb Becca, dass wir uns später hier treffen würden, nachdem sie mit der Arbeit fertig war.

Ich las gerade eine Zeitschrift, als ich hinter mir am Tresen eine mir bekannte Stimme hörte. Ich drehte mich herum und erkannte Liam sofort, auch wenn ich ihn nur von hinten sah. Genau in diesem Moment drehte er sich herum und sein Blick fiel auf mich. Sofort schnellte mein Kopf wieder in die andere Richtung. Doch das half nichts. Ehe ich mich versah stand er vor mir. "Hi.", sagte er leise. Ein letzter tiefer Atemzug und ich lächelte ihn an und sagte: "Hey.". Auch er lächelte mich an. "Willst du dich setzen?", fragte ich und deutete auf den leeren Stuhl mir gegenüber. "Gerne.", und schon ließ er sich nieder. Stille. "Tja...ist lange her...", begann er. Ich nickte nur und sagte: "Ja.". Dabei zwang ich mich zu einem Lächeln. "Wie geht's dir?", fragte ich. "Mir geht's gut und dir?", sagte er. Ja...wie ging es mir? "Weißt du...um ehrlich zu sein hab ich endlich das Gefühl, angekommen zu sein.", ich lächelte vor mich hin als ich das sagte. Als ich ihn wieder ansah lächelte er mich leicht an. "Und wie geht's Buddy?", fragte Liam und lehnte sich zurück und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Sofort verschwand das Lächeln aus meinem Gesicht und ich hatte wieder dieses unangenehme Gefühl im Bauch. "Ähm...gut schätze ich. Ich weiß es nicht.", sagte ich leise. Er runzelte die Stirn und sah mich merkwürdig an. Ich schluckte und sagte nur: "Buddy ist nicht mehr da.". Liam verstand, was ich damit sagen wollte und auch sein Gesicht wurde blass und er sah sehr traurig aus. Dieser Anblick tat mehr weh, als ich dachte. "Seit wann?", fragte er nach einer Weile. "Es passierte einige Wochen nachdem ich aus...", ich stockte.

Ich wollte eigentlich sagen 'nachdem ich aus meiner Therapie kam.', doch das konnte ich nicht. "Nachdem du was?", fragte er.

Komm schon Demi! Wieso stellst du dich so an? Es ist nur Liam, der vor dir sitzt! Er weiß, was du alles durchmachen musstest. Er ist wirklich der letzte, vor dem du dich deswegen schämen musst.

Meine innere Stimme hatte Recht. Wieso hatte ich so viel Angst davor, ihm von dieser Sache zu erzählen? "...nachdem ich meine Therapie beendet hatte.", sagte ich schnell. Er sah mich an, doch was genau er dachte konnte ich aus seinem Blick nicht entziffern. "Therapie?", fragte Liam nach. Ich nickte nur.

"Nachdem wir uns dann getrennt hatten, habe ich es wieder getan.". "Du hast wieder...?", begann er. Doch bevor er es aussprechen konnte schnitt ich ihm das Wort ab. "Ja! Ich war deswegen im Krankenhaus und dort wurde mir zu einer Therapie geraten, die für solche Fälle wie mich ist. Ich wusste, dass es das Beste für mich ist, also willigte ich ein.", ich lächelte, "Ich bin seit fast 3 Jahren clean und hab meine Bulimie überwunden.", sagte ich stolz. Liam lächelte mich an. "Das ist toll, Demi!", er nahm meine Hand in seine. "Ich bin stolz auf dich! Wirklich.". "Danke.", sagte ich, doch zog so unauffällig wie möglich meine Hand aus seiner. Es war doch etwas zu merkwürdig. "Ich hab mir das hier machen lassen, damit ich immer daran denken kann, was ich alles geschafft hab, wenn man an sich glaubt.", ich zog die Ärmel meines Pullovers nach oben und zeigte Liam mein Tattoo.

Auf meinem linken Handgelenk stand Stay. Und auf dem rechten stand Strong mit einem kleinen Herz daneben.
Stay Strong. Es sollte mich immer daran erinnern, das ich nie wieder der Mensch werden will, der ich einmal war.

Wir redeten noch ein bisschen. Auf der einen Seite war es merkwürdig mit ihm hier zu sitzen, da ich immer im Hinterkopf hatte, wie unsere Vergangenheit war. Doch auf der anderen Seite war es schön hier mit ihm. Plötzlich hörte ich jemanden meinen Namen rufen. "Hi Demi!". Es war Becca die freudestrahlend auf mich zu kam. Was?! War es wirklich schon so spät? Als sie am Tisch angekommen war, sagte sie: "Hey, wie geht's...dir?", sie stoppte, als sie Liam sah. Sie zog die Augenbrauen zusammen und sagte: "Kennen wir uns?". Liam sah zu mir herüber und wusste nicht was er sagen sollte. "Nicht das ich wüsste. Hi, ich bin Liam. Ich bin Demi's...", doch weiter kam er nicht, denn ich fiel ihm ins Wort. "Kunde!", sagte ich. Ich lachte gespielt. "Ja, Liam war gestern der Kunde, der im Diner saß, als es mir nicht gut ging. Er wollte nur wissen, ob es mir heute besser geht und da sind wir irgendwie ziemlich lange ins Gespräch gekommen.", ich lachte Becca an. Als ich zu Liam sah, konnte ich seinem fragenden Gesichtsausdruck nicht ausweichen. "Ähm, ja! So war das.", sagte er schließlich. "Ach ja! Ich wusste ich hab dich schon mal gesehen.", sagte Becca und setzte sich zu uns. "Ich bin Becca.", sie reichte Liam die Hand, der diese lächelnd entgegen nahm.

Dann klingelte sein Handy. "Sorry, da muss ich ran gehen.", sagte er und stand auf. "Kein Problem.", gab ich kurz zurück. "Und ich geh mir mal was zu trinken holen.", sagte Becca und ging zur Theke. Während er telefonierte nahm ich immer wieder einen Schluck von meinem Getränk. Als er wieder kam sagte er nur kurz: "Tut mir leid. Ich muss los.". Er legte mir einen Zettel auf den Tisch und schon nahm er seine Jacke und ging. Ich sah ihm hinterher und als er hinaus ging warf er mir einen letzten, lächelnden Blick zu. Ich nahm den kleinen Zettel in meine Hand und las, was drauf stand.

Lass uns nicht wieder zu Fremden werden. Liam

Darunter hatte er mir seine Handynummer geschrieben. Ich steckte den Zettel in meine Jacke. Dann kam Becca wieder. "Wo ist Liam?". "Der musste weg.", sagte ich. "Achso.", somit machte ich mir noch einen schönen Tag mit Becca, doch immer wieder dachte ich an Liam und unsere Begegnung im Café.

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