1| Willkommen am Eingang zu meiner persönlichen Hölle

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Und wieder starteten wir ein neues Jahr in dieser gottverdammten Hölle voller Satansgeburten, gebunden an einem Gebäude; der Schule. Aber wenigstens war es nur noch ein Jahr, welches ich hier auszuhalten hatte. Dann konnte ich alles hier zurücklassen und vielleicht auch meine Vergangenheit, welche irgendwo in meinem Hintergedanken herumlungerte.

Mir gefiel es nicht, hier zu sein. Mein Bauchgefühl warnte mich vor etwas, was ich selber nicht definieren konnte.

Das erste, was mir auffiel, als ich hier am Tor unserer Schule - ein recht angesehenes Gymnasium - stand, waren die vielen neuen Schüler der Unterstufen, die hier aufgeregt, beängstigt oder nervig durch die Gegend rannten, sprangen, joggten oder ganz schlicht hinflogen. Auf ihre Gesichter. Und einst war ich auch eines der Kinder, die hier hinfielen und vor Scham beinahe gestorben wären.

Aber eine gute Sache hatte der Flugsturz meines 9-jährigen Ichs. Ich lernte meinen besten Freund Dean Cooper kennen, welcher über mich gestolpert war, um mich dann auszulachen. Dies endete damit, dass ich ihn mit den am Boden liegenden Steinen abgeworfen hatte, woraufhin er angefangen hatte zu heulen.

Und leider stand meine Mutter an diesem Tag am Tor und beobachtete das ganze Geschehen. Nein, ich wurde nicht angemeckert. Es war viel schlimmer. Ich musste meine Kekse mit ihm teilen.

„Wenn das nicht die Clarissa ist. Hatte sie über die Ferien keine Zeit, sich vernünftige Kleidung zu kaufen oder warum hat sie... so etwas an?", kam es höhnisch von meiner rechten Seite. Genervt drehte ich mich zur Seite und betrachtete Mel, die versucht hatte, auffällig unauffällig zu sein.

Melanie, eine junge blonde Schönheit, immer vernünftig angezogen - richtig gehört, keine kurzen, knappen Stofffetzen. 

Ich lächelte sie falsch an, und tat so, als hätte ich sie nicht gehört. Immerhin war sie irgendwie einer meiner Freundinnen. Oder zumindest im Freundeskreis meiner Freunde. Naja, sie war mit Ashley befreundet. Provokation würde nur in schlimmeren Situationen enden.

Empört reckte sie ihren Kinn nach oben aufgrund meiner Reaktion und drehte Richtung Schuleingang um, gefolgt von ihrer besten Freundin, Bettina.

„Was war das denn? Ich würde Mel nicht verärgern, sie ist immer noch die Tochter der Schuldirektorin und hat verdammt viele Connections."

„Dean!", quietschte ich erfreut auf und sprang meinem besten Freund in die Arme. „Dir auch einen wunderschönen ersten Schultag", erwiderte ich zusätzlich mit einem breiten Grinsen und piekte Dean in den Bauch. „Jaja, schon klar, Zicke. Hab dich vermisst."

Zu meinem Bedauern war Dean einer von den Menschen, die immer die Vernunft beibehalten wollten, aber auch nur, wenn es um mich ging. Zwar war das verdammt süß, zeitgleich aber unheimlich nervig.

Erfreut stellte ich fest, dass Dean gebräunter war und sein Strahlen darum umso mehr herausstach. Außerdem schienen seine hellbraunen Haare ein wenig gewachsen zu sein, die seine blaugrünen Augen umso mehr betonten. Vielleicht würde ich es dieses Jahr schaffen, ihn zu verkuppeln.

Bevor ich etwas erwidern konnte, hörte ich meinen Namen rufen von niemand anderem als Ashley McAdams, einer sehr, sehr guten Schulfreundin und gleichzeitig Deans Cousine und eben der Freundin von Mel.

„Claire! Wir haben uns ewig nicht mehr gesehen." Zwei Wochen. „Hast du gehört, dass dieses Jahr neue Schüler in unseren Jahrgang kommen? Ich mein, es sind hauptsächlich Jungs, bin mir aber nicht sicher."

„Wow, jetzt mach mal halb lang, wie wäre es, wenn du uns erst einmal hallo sagst?", grinste Dean sie mit einem frechen Seitenblick zu mir an. War ja nicht so, als hätte er selber nicht hallo gesagt.

Schnell umarmte sie uns beide und lief dann in Richtung Eingang, während sie von dem Gerücht erzählte.

Ja, Ash war unter uns die, die jeden Tratsch und Klatsch mitbekam, wodurch ich auch immer auf dem Laufenden gehalten wurde.

Während wir auf dem Weg in die Schule waren, hörte ich nur mit halbem Ohr zu und ließ meinen Blick über den Hof schweifen. Wie vor den Ferien waren die Gruppen überall verteilt, was ich persönlich viel zu klischeehaft fand. Ich meinte, wie konnte es sein, dass in jeder Schule diese Aufteilung von Sportlern, Strebern, Außenseitern, Normalos, Barbies und „Rebellen" war? Das war doch schwachsinnig.

Unser Schulhof war eigentlich recht groß, sodass es noch nie zu Platzmangel kam. Der gepflasterte Weg war zu einem großen T geformt. Wenn man also durch das Tor ging, waren rechts und links Grasflächen, auf denen die Schüler bei gutem Wetter saßen und das Wetter genossen. Die Bänke waren strukturiert an den Grenzen zu den Grasflächen angeordnet worden. Ebenfalls gab es einen Parkplatz extra für die Schüler und Lehrer, auf den man schauen konnte, wenn man sich auf dem Hof befand.

Als ich auf den Parkplatz schaute, fiel mir eine Gruppe von Jungs auf, die auf dem Parkplatz vor teuer aussehenden Sportwagen standen. Immer diese Möchtegerne.

„Ashley, hör endlich mal auf, alles zu glauben, was du hörst. Du kennst die ja nicht einmal", unterbrach ich ihren Bericht und erhielt nur zwei genervte Blicke. „Claire, hör auf, so eine spießerische Sozialtusse zu sein und lass mich meine eigene Meinung haben", ließ sie mich schnippisch wissen und fuhr mit ihrem Tratsch fort, dem Dean mehr als nur interessiert zuhörte.

Ihre Wortwahl war streng und teils auch ziemlich gemein, aber dennoch empfand ich dies nicht weiter schlimm. So war unsere Freundschaft aufgebaut; auf Ehrlichkeit und Direktheit.

„Und eine Freundin von Mel meinte zu mir, der Anführer der Gang soll der Sohn von den Williams sein. Stell dir das vor, Sohn von zwei weltberühmten Models und Firmenbesitzer. Hach, der Sohn muss bestimmt verdammt heiß aussehen! Eine Schande, dass er sich aus der Öffentlichkeit entfernt", schwärmte sie vor sich hin und wickelte dabei ihre dunkelblonde Strähne um den Zeigefinger.

Augenverdrehend folgte ich ihnen stumm. Gang. Weltberühmt. War ja klar.

Auf einmal fing ein Gekreische an, welches höher war, als der Schrei meines Bruders, wenn er eine Spinne sah. Ich zuckte erschrocken zusammen und wendete augenblicklich meinen Blick zu der Quelle. Als ich sah, weshalb eine Horde von Mädchen so kreischte, konnte ich nicht anders, als die Augen zu verdrehen.

Ein neues Auto war zu den Sportwagenleuten hinzugekommen und irgendwer stieg aus. Ein Blick blieb mir verwehrt, weil die Mädchen mir die Sicht versperrten. Mir auch egal.

Alles, was mir im Gedächtnis hängen blieb, war die Tatsache, dass nun ein neues Jahr starten würde und damit herzlich willkommen am Eingang zu meiner persönlichen Hölle. 

Please, not again ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt