14| Nickys Rose

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Ich war noch immer im Halbschlaf, als ich meine Zimmertür aufgehen hörte. Dennoch sah ich es nicht ein, meine Augen zu öffnen und den Übeltäter zur Rede zu stellen. Ich war mir sicher, dass die Person mich ohnehin gleich aufwecken würde.

Und so war es auch. Leicht berührte mich jemand an der Schulter und schüttelte sanft. „Claire, du musst aufstehen. Ich würde dich zwar liebend gerne weiterschlafen lassen, aber du musst zur Schule und ich weiß, du würdest mir den Allerwertesten versohlen, wenn ich dich jetzt nicht wecken würde. Also aufstehen, Zicke", begrüßte mich die Stimme meines Bruders.

Seufzend öffnete ich meine Augen und sah direkt in das Gesicht von Aidan. Ich erkannte an seinem Gesichtsausdruck, dass er sich noch immer Sorgen um mich machte wegen gestern und mit Sicherheit würde ich später noch mit ihm sprechen müssen. Ich hatte aber nicht vor, ihm mehr zu erzählen, als das, was gestern geschehen war. Aber kein Wort über meine Vergangenheit. Er würde es bereuen.

Grummelnd setzte ich mich langsam auf und rieb mir müde über die Augen, während ich gähnte. Meine ganze Konzentration lag auf meinem Pokerface. „Tut mir Leid wegen gestern. Ich erkläre dir das morgen", versuchte ich, ihn zu vertreiben – mit Erfolg. Er lächelte mich an, was mir signalisieren sollte, dass es kein Problem sei, und gab mir einen kurzen Schubs gegen die Schulter. Dann erhob er sich und verließ mein Zimmer, damit ich mich fertig machen konnte.

Ob er bemerkt hatte, dass meine Aussage einer auswendiggelernten Floskel geähnelt hat?

Nichtsdestotrotz ließ ich mich wieder erschöpft zurückfallen. Ich fühlte mich vollkommen ausgelaugt und müde war ich dazu auch. Wie konnte so viel innerhalb weniger Stunden geschehen? Und alles nur auf Grund eines Gewitters? Ich hatte gedacht, dass es endlich aufgehört hätte. Seit mehreren Wochen hatte ich nicht mehr davon geträumt, auch, wenn es Gewitter gab. Warum jetzt auf einmal?

Kopfschüttelnd versuchte ich, die Gedanken loszuwerden, und damit ebenso das argwöhnische stechende Gefühl in meinem Bauch, welches ich bereits am ersten Schultag hatte wiederfahren müssen. Und dennoch kriegte ich das Gefühl nicht los, dass es mit irgendjemanden zusammenhängen musste, welcher neuerdings präsenter in meinem Leben war.

Meine Gedanken schweiften zu einem anderen Thema.

Nathan. Ich hatte keine Ahnung, was ich von dem ganzen Geschehen halten sollte. Er mochte mich nicht, das war ja wohl klar, aber warum half er mir dann? Ich verstand es nicht und ich schätze, ich würde auch keine Antwort darauf erhalten.

Dennoch war ich ihm dankbar. Zwar mochte ich ihn nicht, aber ich schuldete ihm definitiv etwas. Ich war eine Person, die sich bewusst war, wann ich in wessen Schuld stand. Da war es mir unwichtig, wenn ich die Person nicht leiden konnte. Wenn jemand mir in einer schweren Situation half, war ich dazu verpflichtet, ihm zu danken, koste es, was es wolle.

Ganz bestimmt würde ich nicht so tun, als wäre das gestern nie passiert. Sollte ich mich später einfach bei ihm bedanken?

„Claire, komm runter!", dröhnte die laute Stimme meiner Mutter in mein Zimmer. Himmel. „Ich komme", erwiderte ich laut und schwang mich seufzend aus dem Bett.

-

Schon seit geräumiger Zeit stand ich vor der Schule und wartete darauf, Nathan endlich zu sehen. Ashley und Dean waren bereits reingegangen, da es in unserer Schule nicht unüblich war, dass die Lehrer einen dauerhaft mies behandelten, wenn man bei den ersten Stunden zu spät kam. Ich hatte gleich aber nur Latein und Adam wird es mir schon nicht allzu übel nehmen. Hoffte ich zumindest.

Die Sonne strahlte direkt in mein Gesicht und hinterließ eine angenehme Wärme. Natürlich, gestern Gewitter wie im Regenwald und jetzt pralle Sonne. Das Wetter hier war ja super. Nicht.

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