Tag 67 // Tag 62

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Tag 67

Es war wieder Mittwoch. Was bedeutete, dass ich wieder eine Therapiesitzung hatte. Diesmal musste mich meine Therapeutin allerdings nachmittags dazwischen quetschen.

Ich wusste nicht, was ich ihr erzählen sollte. Die ganze Zeit schwirrte das Gespräch mit Kyle in meinem Kopf herum. Es hatte etwas Beängstigendes, zu wissen, dass dein Geheimnis nun in den Händen eines anderen lag.

»Jo, wie geht es dir heute?«, begann Dr. Della Bryson. Ich ließ meinen Blick umherwandern.

»Geht schon«, murmelte ich. »Wie immer eigentlich.«

»Was heißt, wie immer?«, fragte sie. Ich seufzte und schaute zu ihr.

»Na weder gut noch schlecht«, erklärte ich und ließ in meinem Tonfall mitschwingen, dass ich darauf jetzt nicht näher eingehen würde. Meine Therapeutin nickte kurz und notierte sich etwas auf ihrem Klemmbrett.

»Und was hast du die Woche so erlebt?«, wollte sie wissen, ohne mich anzusehen.

»Ich war auf einer Party«, antwortete ich.

Meine Ärztin sah auf. »Hattest du Spaß?«

»Ja, schon. Ich hab getanzt. Aber dann hat mich wieder eine dieser Attacken überwältigt«, erzählte ich.

»Hat dich jemand dabei gesehen?«, fragte sie und sah mich an. Ich dagegen starrte auf einen Punkt auf dem Teppich.

»Ja, ein Junge. Ich habe Ihnen schon von ihm erzählt. Er heißt Kyle.«

»Der Junge, mit dem du die Liste abarbeitest?«, fragte sie nach. Ich nickte.

»Und wie hat er darauf reagiert?«, fragte sie interessiert.

»Er hat mir geholfen. Diese Attacke war schlimmer als sonst, aber er hat mir geholfen, das durchzustehen.«

»Wie hat er sich danach verhalten?«, kam es von Dr. Della Bryson.

»Ich hab versucht, ihn abzuwimmeln. Ich wollte, dass er geht und mich allein lässt.«

»Du hast zu gemacht«, warf meine Therapeutin ein und nickte leichte lächelnd. »Du wolltest ihn abblocken. Sag mir, hat es funktioniert?«

»Nein«, antwortete ich.

»Und das war es? Ist er gegangen?«, fragte sie weiter.

»Er hat mich auf-« Ich stockte. »Er hat mich weggebracht, damit ich mich beruhigen konnte. Und dann wollte er es wissen.«

»Wollte was wissen?« Ich seufzte und jetzt sah ich meiner Therapeutin in die Augen.

»Er wollte wissen, was mein Geheimnis ist. Er wollte wissen, wieso ich diese Liste hätte und wieso ich ständig von Abschied spräche. Also habe ich es ihm erzählt.«

»Was genau hast du ihm erzählt?«, bohrte meine Therapeutin weiter und kritzelte auf ihrem Papier herum.

»Ich habe ihm gesagt, dass ich sterben werde«, platzte ich heraus. Dr. Della Bryson hörte auf zu schreiben und sah wieder auf.

»Wie hast du dich dabei gefühlt?«, ging das Psycho-Gerede weiter.

»Ich weiß es nicht«, meinte ich und rieb mir die Schläfen. »Ich war in die Enge getrieben und irgendwie war ich es ihm schuldig.«

»Bist du froh, es ihm gebeichtet zu haben?«, wollte sie daraufhin wissen. Ich zuckte die Schultern und sah aus dem Fenster.

»Ja und nein. Kyle wäre nicht unbedingt die Person gewesen, der ich das zuerst erzählt hätte, wenn ich die Wahl gehabt hätte.«

The Bucket ListWo Geschichten leben. Entdecke jetzt