Kapitel 30

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Can

"Ich will dich schminken, Ramazan", bringt Shana voller Enthusiasmus hervor. "Bin ich etwa nicht schön genug?", fragt dieser gespielt verletzt. "Doch, aber man kann nie schön genug sein. Auf der Klassenfahrt wirst du geschminkt, ob du es willst oder nicht." Shana lacht, schaut Ramazan kurz an, schaut aber dann wieder schnell weg. "Kannst du dir vielleicht dein Oberteil wieder anziehen?", murmelt sie. "Wieso? Es ist doch so warm hier." Ramazan hört sich neckend an. Shana seufzt und steht auf, packt Ramazans schwarzen Hoodie und versucht es ihm überzustreifen. "Mach doch deine Arme hoch", sagt Shana. Die Jogginghose betont schon einige Stellen. Ramazan verneint es. "Ich will aber nicht, nö!" "Ramazan, sei doch kein Kind." Shana schmunzelnd. "Aber mir gefällt es nackig zu sein." Shana und ich schauen ihn komisch an. Dieser Junge ist anders. "Okay, aber dann muss es wenigstens auf deinem Körper liegen", stellt Shana schmunzelnd das Kompromiss auf und legt Ramazans Oberteil auf seinen Rumpf und knotet die Arme des Hoodies auf Ramazans Rücken zusammen. Danach setzt sie sich wieder auf das unbenutzte Bett hinter ihr. Ein Klopfen ertönt. Ramazans und mein Kopf richten sich zur Tür, wo eine Perle von ihm reinkommt. In diesem Wetter eine zerrissene Hose? "Alles okay?", fragt sie und legt die Tüte auf dem Tisch ab. Wie viel isst dieser Fettsack? "Muss, muss", antwortet Ramazan und gibt dem Mädchen einen Kuss auf den Mund. Ich schaue unauffällig zu Shana, dessen Blick auf den Boden gerichtet ist. Kalt, arrogant und desinteressiert. Wieso? Gerade war sie doch noch gut drauf.

"Und was macht ihr so?", fragt das Mädchen, das sich zu Ramazan auf das Bett legt. Lederjacke bei drei Grad? "Reden", antworte ich kryptisch. "Schatz, ich muss gleich los. Ich treffe mich mit einem Kollegen", kommt es von dem Mädchen, dessen Namen ich nicht kenne. Shana schnaubt. "Dein angeblicher Freund liegt im Krankenhaus, den Grund weißt du bestimmt nicht einmal und du willst nach nicht einmal fünf Minuten wieder gehen, um dich mit einem Kollegen zu treffen? Wie dämlich muss man sein? Ich weiß, dass Ramazan es nicht ernst meint und du von vorne bis hinten verarscht wirst, aber trotzdem ist es gerade mehr als unpassend", redet Shana drauf los. Trotzdem würdigt sie keinem hier eines Blickes. Das Mädchen schaut sie entgeistert an. Ramazan und ich schauen uns hingegen schmunzelnd an. "Woher willst du das wissen?", zickt das Mädchen. "Weil ich im Gegensatz zu dir nachdenke, logisch denke", sagt Shana abwertend. Ihre Arroganz ist wieder da. Die Freundin schaut Shana wütend an. Sie will etwas sagen, weiß aber nicht was. "Ich glaube, du solltest gehen, dein Kollege wartet", sagt Shana abwertend. "Mache ich auch", sagt Shanas Kontrahentin trotzig. Shanas Hand zeigt zur Tür. Ihr Blick ist aber immer noch zu Boden gerichtet. Wieso schaut sie nicht auf? "Da ist die Tür." Ramazan versucht nicht zu lachen, genau wie ich. Als Ramazans angebliche Freundin den Raum verlässt, schaut Ramazan lachend zu Shana. Wieso schaut sie immer noch zu Boden? Was ist los? "Shana, so freundlich, wie immer", neckt er Shana. Sie hingegen nickt nur. "Was ist los?", fragt Ramazan. "Nichts", antwortet sie eintönig. "Sieht nicht so aus", sage ich im selben Ton, wie sie. "Es ist nichts", keift sie. Ich verspanne mich sofort. Wie ich es hasse, wenn sie mir keinen Respekt erweist. Ramazan bittet mich die Tüte von Tisch zu holen. "Ich glaube das Essen wird Shana sicherlich aufmuntern." "Nein, es ist dein Essen", verneint sie. "Habibti, ich hab' für uns alle was holen lassen", sagt er und holt drei Dürüms raus. "Kann nicht, Allergie." Gegen was? Dürüm? "Als ob. Sonst isst du immer alles. Du meintest, dass du dich an die Schmerzen gewöhnt hast." Wieso Schmerzen?

"Ich werde nicht vor zwei Jungs essen." Was ist daran so schlimm? "Warum?", frage ich spöttisch. "Sei leise", antwortet sie. Ich verspanne mich. Wann lernt sie es endlich? "Warte ab, deine Lektionen bekommt du noch", erinnere ich sie. "Ehrlich? Das sagst du schon seit Monaten. Und wenn, was passiert dann? Kriege ich Hiebe?" Stimmt, was willst du machen? "Leute, esst doch einfach", mischt sich Ramazan ein. "Ich habe keinen Hunger." Ich weiß, dass Shana lügt. Sie soll essen. Das hat sie nötig. Sie ist dünn. "Du hast Hunger. Du hast immer Hunger", lacht Ramazan. Er hat recht. Immer und überall sagt sie, dass sie Hunger hat. "Jetzt nicht." "Iss doch einfach!", befehle ich. Sie schaut mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. "Nein." Herrgott, Shana, bist du nervenaufreibend! Ich seufze und hebe sie vom Bett auf, weswegen sie erschrocken nach Luft japst. "Lass mich los!", sagt sie und will meine Hände entfernen, doch ich drücke zu. Ich bringe sie zum Tisch und setzte sie auf dem Stuhl ab. Nun lege ich einen Dürüm vor ihr hin. "Iss." Sie schaut nur stur auf den Dürüm. "Wenn du nicht isst, dann füttere ich dich", drohe ich und nehme ihren Dürüm in die Hand. Im selben Moment fasst sie meine Hand an und holt den Dürüm raus. "Brauchst du nicht", murrt sie stur. "Wow, das Schmeckt so gut", stöhnt Ramazan, damit Shana Appetit kriegt. "Ramazan, diese Masche funktioniert nur bei Kleinkindern, es ist sehr verstörend", sagt sie lachend.

ArroganzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt