31| Unerwünschte Kritik

4.2K 217 36
                                    

-Claires Sicht-

Noch immer verwirrt von Mels kurzfristigem Besuch saß ich mit Aidan am Küchentisch. Während er aufgeregt über ein Fußballspiel redete, hing ich meinen Gedanken hinterher. Warum war sie ausgerechnet zu mir gekommen? Es war doch absurd, mich um so eine Dummheit zu beten. Es war schließlich nicht so, als hätte ich irgendein Interesse an ihm.

Okay, es stimmte zwar, dass ich ihn nicht kannte und somit schlecht etwas über seinen Charakter sagen konnte, aber ich vertraute meinem Bauchgefühl und dieses riet mir, dass er mich in Zukunft noch einige Male an den Rand der Verzweiflung treiben würde.

„Hörst du mir überhaupt zu?", fragte mich Aidan erschüttert und schlug mir dabei auf den Arm. „Nö."

Zwar erntete ich dafür einen weiteren Schlag, doch meiner Meinung nach hatte sich das gelohnt, weil wir beide nach einem Moment des Anstarrens auflachen mussten. „Blöde Kuh", beleidigte er mich und lief gespielt tussig aus der Küche hinaus. Hinterherlaufen tat ich nicht, stattdessen widmete ich mich meinem Skript, welches vor mir lag.

Ich war nicht wirklich präsent mit meiner Rolle in dem Theater, aber dennoch verspürte ich bereits die Glücksgefühle, wenn ich nur daran dachte, auf der Bühne zu stehen. Ich mochte es zwar nicht, im Mittelpunkt zu stehen, aber andererseits liebte ich es, in eine andere Person zu schlüpfen, andere Charakterzüge zu haben; in eine andere Welt zu versinken.

Zeile für Zeile ging ich durch, analysierte dabei die verschiedenen Emotionen, die mir vorgegeben sein würden, versuchte, meine ganze Konzentration hineinzustecken. Ich sollte schreien, sollte weinen, verzweifelt und am Ende meiner Nerven sein. Angst haben, mich fürchten, lebensmüde Entscheidungen treffen.

Noch einmal Luft holend schaute ich von meinem Skript auf, blickte mich in der Reflexion des Küchenschrankglases an, ehe ich mich darauf konzentrierte, an etwas Trauriges zu denken. Ich hatte es noch nie hinbekommen, dass ich auch wirklich weinen konnte. Zwar wurden meine Augen glasig, doch war dies nicht mein Ziel gewesen, was mich ein weiteres Mal ärgerte.

Nichtsdestotrotz fing ich an, mich in die Rolle hinein zu versetzen. Es war die Szene, in der eine Gruppe schwarz gekleideter Menschen in das Haus stürmten, als ich mit meinem Mann Steven und meiner Tochter Aurora im Wohnzimmer saß und wir unsere Kleine vor dem Kamin mit Rosenblättern bewarfen, während sie unbeschwert lachte.

Ich verstand zwar nicht, warum Jack und ich unser Kind mit Rosenblättern abwerfen sollten, aber irgendwie wollten sie wohl noch das Wort Dornröschen hineinbringen. Zumindest sah ich das als einzig vernünftige Idee an. Dabei war es total unsinnig, unser Theaterstück als Dornröschen zu bezeichnen, weil es kaum Gemeinsamkeiten hatte. Lediglich, dass Dornröschen am Ende dazu gezwungen werden würde, sich selbst mit einem Messer in den ewigen Schlaf zu bringen.

Konzentriere dich auf deinen Text, Mädchen. .

Ich sog jedes Wort förmlich in mein Gedächtnis auf, wiederholte Zeile für Zeile mit verschiedenen Betonungen und doch wagte ich es nicht, die Wörter laut auszusprechen. Sei es wegen der Angst, ich könnte meine eigenen Erwartungen nicht erfüllen oder doch, weil es komisch wäre, wenn ich das alleine üben müsste.

„Ehm... Ich wollte dich eigentlich wirklich nicht stören, ich stehe aber schon seit mehr als fünf Minuten da und da du zu sehr mit gestikulieren und hinmurmeln beschäftigt bist, als dass du mich bemerken könntest, empfand ich es als intelligenter, dich einfach darauf aufmerksam zu machen, dass ich bereits da bin. Also Claire, ich hoffe ich störe dich nicht", erschreckte mich niemand geringeres als Nate, während er dabei schelmisch grinste.

„Du hättest meiner Meinung nach gar nicht erst kommen müssen", antwortete ich ihm nur frech und drehte mich zu ihm um, sodass mein Stuhl sich mitdrehte.

Please, not again ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt