45| Sadistische Spielchen

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Informationen zur Lesenacht unten!

„Du bist einfach nur zu feige."

Immer und immer wieder dachte ich an diese simplen Wörter. Sechs Wörter, die mir mein Leben in diesem Moment unvorstellbar machten. Wenige Buchstaben aneinandergereiht mit einer solch drastischen, beunruhigenden Bedeutung, die mir mehr Angst bereiteten als es sollte. Die mehr zu meiner inneren Zerstörung beitrugen als jegliche physischen Schäden es hätten tun können.

Gedankenverloren lief ich die Straße entlang. Ich wusste irgendwie nicht, was ich denken oder fühlen sollte; reagieren oder tun. Alles in mir schrie nach Leere und Einsamkeit.

Der Mann von vorhin war vergessen. Nachdem ich einmal geblinzelt hatte, war er verschwunden. Reine Einbildung. Ich war auf dem besten Wege, verrückt zu werden.

Ein schrilles Klingeln ließ mich zusammenzucken. Furcht kam in einer Millisekunde auf. Und damit auch die Wut, die ich gegenüber dieser gottverdammten Satansauspressung empfand. Augenblicklich griff ich nach dem Vermittlungsweg des psychisch Kranken zur psychisch Gekränkten und drückte blind auf das Annehmen des Anrufes.

„Wer?!", schrie ich verzweifelt, während ich stehenblieb. Es war der pure Nervenzusammenbruch, welcher aus mir sprach, „Wer zum Teufel bist du, du gottverdammtes Arschloch! Sag mir endlich, was du von mir willst! Lass meine Freunde in Ruhe! Bitte. Lass mich in Ruhe." Meine letzten Worte gingen in einem lauten Schluchzen unter und weinend lehnte ich mich an die Wand. „Hey... Ich bin's doch nur. Ich bin es, Jack. Wo bist du? Ich komme zu dir", ertönte die besorgte Stimme meines Freundes.

Ich blieb still, weil ich sein Gesagtes nicht wahrnehmen konnte. Mein Schweigen war für ihn hoffentlich Antwort genug, da ich stumpf auflegte. Ich hatte keinen Nerv für ihn.

Doch ich hatte ihn alleine damit nicht abhängen können. Immer und immer wieder rief er mich an und jedes Mal drückte ich ihn weg. Nachrichten von ihm trudelten ein und aus und ließ meine Nerven fast platzen. Doch zu meinem Glück gab es die Funktion des Flugmodus, welche ich sofort aktivierte.

Mein Finger rutschte wie automatisch über mein Display. Über meine zuletzt empfangenen Nachrichten, über den unbekannten Namen bis zu der zuletzt eingegangenen Nachricht.

‚Pass lieber auf deinen Dackel auf, bevor jemanden noch etwas passieren könnte. Ups, zu spät.'

Ich kam mir vor wie in einem dummen Abklatsch von Pretty Little Liars. Nicht, dass ich die Serie geschaut hatte. Nein. Nie hatte ich mich über das dumme Verhalten aufgeregt, wenn die Opfer nicht einfach von der SMS erzählt hatten.

Vielleicht ein wenig.

Doch nun, wo ich selber die Rolle des Opfers einnahm, verstand ich es. Verstand ich die Risiken, die sich hinter einer einzigen Nachricht versteckten.

Doch wer war mein Dackel? Entschlossen tippte ich auf der Tastatur herum, ließ mich von meinen Sinnen treiben und verschriftlichte das, was ich fühlte. Beleidigungen auf Beleidigungen, Verzweiflung gefolgt von Wut, Trauer, Aufregung und Kummer mit einer letztendlichen Nachricht: Was meinte er mit Dackel und für wen war es zu spät?

Es war offensichtlich und absolut verrückt, dass er eine Metapher verwendete, denn einen wirklichen Dackel konnte man ausschließen. So besaß ich keinen.

Ein böser Verdacht schlich sich in meine Sinne, doch ich wagte es gar nicht erst, ihn auszusprechen.

Zu dämlich war die Theorie, es jemandem in die Schuhe schieben zu können, welcher mir bisher noch nicht eindeutig etwas Böses zu wollen schien.

Ich entfernte den Flugmodus, damit die Nachricht ankam, alle Nachrichten von Jack ignorierend.

Gebannt starrte ich auf mein Handy, auf eine Antwort hoffend. Und dann bekam ich eine.

'Finde es heraus. Wollen wir nicht ein Spiel spielen?'

-

-Nathans Sicht-

Verwirrt und alarmiert blickte ich Claire hinterher. Mir war klar, dass irgendetwas geschehen war, weil ich sie nicht wie jemanden einschätzen konnte, welcher aufmerksamkeitserregend einen Stuhl nach hinten schmiss und wegrannte. Ihr hinterherzurennen war mir dann jedoch doch etwas zu viel des Guten, weil ich nicht einmal wusste, ob wir nun Freunde waren und es mich letzten Endes höchstwahrscheinlich ohnehin nichts anging. Ganz zu schweigen davon, dass sie mir kein kleines bisschen vertraute.

Leider.

Fragwürdig blickte ich dem braunhaarigen Jungen nach, dessen Namen ich in dem Moment nicht mehr im Gedächtnis hatte. Seine Haare, die zu einem unordentlichen Dutt gebunden waren, hüpften während seinem Rennen auf und ab, während er verzweifelt Claires Namen rief. Meiner Meinung war dies ein wenig zu melodramatisch für meinen Geschmack. Viel zu Romanzenmöchtegernversessen.

Aber sein weißes Hemd mit dem schön gebügelten Kragen erklärte ihn schon von selbst.

„Was war das denn?", kam es von neben mir. Schulterzuckend blickte ich meinem besten Kumpel in die Augen. „Was genau? Sein Romeo-Gehabe oder ihr filmreifer Abgang?" – „Beides." Erneut zuckte ich mit den Schultern und verschränkte die Arme auf dem Tisch. Es musste etwas mit dem Typ der SMS zu tun haben.

Meinen Kopf lehnte ich müde auf ihnen ab. „Ey, Kumpel, Nath. Ich will ja wirklich nichts sagen, aber du solltest ihr hinterher."

Überrascht hob ich meinen Kopf schlagartig und ignorierte den leichten Anflug an Schwindelgefühl aufgrund der ruckartigen Bewegung. „Wie?", brachte ich schlau heraus.

„Ach, vergiss es. Ich dachte nur, beobachtet zu haben, dass sie sich in deiner Nähe irgendwie anders verhält. Im positiven Sinne. Ihre Ausstrahlung ändert sich. Und du magst sie doch auch, oder nicht? Zumindest sind Liz und sie die einzigen Mädchen deines Alters, mit denen du schon einmal zivilisierte Gespräche geführt hast", wich er aus. „Junge, würde ich es nicht besser wissen, würde ich denken, du seist schwul", lachte ich ihn an, bekam jedoch nur ein Schmollen zurück. „Ich dachte, das sei offensichtlich. Wir sind schließlich verheiratet."

Darauf erwiderte ich erneut ein Lachen begleitet von einem Schlag auf den Hinterkopf für ihn. So absurd es klingen mag, so hatte er letzten Endes Recht. Ich mochte es für gewöhnlich nicht, mit Mädchen befreundet zu sein, Es schien mir unmöglich, weil sie entweder zu anhänglich waren, zu tussig, zu männlich oder zu seltsam. Nur Liz hatte es auf meine Sympathieliste geschafft und irgendwie auch Claire. Innerhalb weniger Zeit.

Nichtsdestotrotz wusste ich noch nicht genau, was ich von ihr zu halten hatte. Ihr Verhalten war oft... fragwürdig. Seltsam und missverständlich. Aber man erkannte ihrem Charakter an, wie liebenswürdig sie war, nur leider auch viel zu selbstlos.

Sie schien vergessen zu haben, wer sie gewesen war. Ich kannte sie nicht lang genug, um beurteilen zu können, wie lebensfroh sie tatsächlich war, aber ich hatte ihre Augen selten wirklich vor Glück strahlen sehen.

Aber ich wollte ihr und mirzeigen, wer sie war. 

Letztes Kapitel vor den Weihnachtsferien*O*
Übrigens haben meine Freundinnen, unter anderem Hemmidiehemse03 über die Lesenacht diskutiert. Ich überlasse euch die Wahl, ob ihr 1-2 Lesenächte wollte,  in denen ich insgesamt um die 8-9 Kapitel poste (am Abend dann ca. 4) oder ob ihr lieder vom 24. - 31. jeweils ein Kapitel haben wollt als eine Art schönes Ende des Jahres. Würde mich sehr über Meinungen und Vorschläge freuen!

Auch freu' ich mich über Kommentare und Votes!xxT~

Please, not again ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt