Kapitel 104

73K 2.1K 1.3K
                                    

Freitag, 22. März

Can

Die Chemie Klausur habe ich jetzt hinter mir, nun warte ich, dass Shana ihre Klausur fertig geschrieben hat und hoffe, dass sie mit zu mir kommt. Meine Mutter hat mich jeden Tag genötigt, sie mit nach Hause zu nehmen, da sie gemerkt hat, wie glücklich ich geworden bin, nachdem Shana mir verziehen hat. Sie wird doch mitkommen oder? Wir haben uns nach der Versöhnung mehr als nur gut verstanden. Keine Streitereien, keine Diskussionen, nur einige Neckereien, aber die sind wir schon gewohnt. Ramazan und Malik haben extra wegen mir den Bus genommen, obwohl ich die ganze Zeit gesagt habe, dass ich sie nach Hause fahren werde, doch die Idioten sind wie zwei kreischende Kinder weggerannt. Ich seufze und hoffe, dass sie mit mir kommen wird. Wird sie schon, sie ist eine sehr spontane Person. Die Tür öffnet sich, weswegen ich mich zu ihr drehe und sehe, wie Shana etwas überrascht schaut. "Ramazan und Malik sind schon weg", informiert sie mich und schließt die Tür "Ich weiß. Ich bin auch nicht wegen ihnen hier", gestehe ich. Sie läuft, was ich ihr nachtue und nickt kurz. "Ouh, weswegen dann?" Ist es nicht offensichtlich? "Wegen dir", sage ich wahrheitsgemäß und bleibe neutral. Die Sache mit der Nervosität und dem Stottern hat sich erledigt. Hab es irgendwie trainiert. "Ouh", kommt es überrascht von ihr. "Was ist denn los?", fragt sie etwas schüchtern und bleibt stehen. "Kommst du zu mir?", frage ich und sehe Verwirrung in ihren Augen. "Also, meine Mutter hat dich schrecklich vermisst und will dich wieder sehen", erkläre ich ihr und will mir den Nacken kratzen, lasse es aber sein, da ich sonst nervös rüberkommen würde. Etwas leuchtet in ihren Augen auf. "Okay", gibt sie lächelnd von sich. "Wirklich?", hake ich überrascht nach. "Ja, ich rufe nur eben meine Mutter an und sage, dass ich zu einer Freundin gehe", sagt sie und läuft zum Parkplatz. Ich lasse einen kleinen, zufriedenen Seufzer ab und laufe zum Auto, wo ich es dann aufschließe und dann, als wir uns reinsetzten kontrolliere, ob Shana sich angeschnallt hat, bevor ich dann los fahre. Die Fahrt ist still. Irgendetwas bedrückt sie doch, sonst hätte sie die Fahrt über irgendetwas gemacht. "Was ist los?", frage ich Shana und blicke kurz zu ihr. "Ich war sehr lange nicht mehr bei dir", gibt sie murmelnd von sich. "Und?" "Es ist mir unangenehm, nach einem Jahr wieder bei euch aufzutauchen. Was wird deine Mutter wohl denken?", fragt sie und rutscht auf dem Beifahrersitz herum. "Sie wird durchdrehen, wenn sie dich wieder sieht", muntere ich sie auf und parke den Wagen. "Sie wird doch bestimmt sauer sein oder enttäuscht", murmelt sie und spielt mit ihren Nägeln herum, während sie ihren Blick gesenkt hält. Ich schnalle mich ab und drehe ihren Kopf zu mir. "Sie liebt dich mehr, als mich. Das hast du doch einmal gesagt. Wieso sollte sie dann wütend sein, statt sich zu freuen?", frage ich sanft. Sie zuckt mit ihren Schultern und senkt ihren Blick. "Komm, steig aus." Ich kneife sanft und aufmunternd in ihre Wange, was ihr ein Lächeln entlockt. Sie schaut nach links und rechts und rennt dann ins Gebäude rein, was mir ein kleines Lachen entlockt. Shana und ihre Paranoia. Im Aufzug schaut sie sich alles genau an, so als ob sie noch nie hier war. Als wir dann bei mir angekommen sind, lässt sie mir den Vortritt und versteckt sich heimlich hinter mir, damit sie niemand sieht. Ich drücke mit Absicht die Klingel, obwohl ich einen Schlüssel habe, aber das mache ich nur, da ich weiß, dass meine Mutter die Tür aufmachen wird. Wie vorhergesagt öffnet meine Mutter die Tür und zieht etwas verwirrt ihre Augenbrauen zusammen. Ich laufe in die Wohnung rein und höre, wie meine Mutter erschrocken nach Luft schnappt. "Shana! Komm rein, meine Tochter!", ruft sie glücklich und nimmt Shana in ihre Arme. Meine Mutter hat sie echt gern. Ich glaube, sie mag Shana wirklich mehr, als mich. "Wo warst du nur? Alles Cans Schuld, aber jetzt bist du wieder da und wirst dich mit Essen vollstopfen, nicht wahr?" Meine Mutter lächelt Shana an, die ihr Lächeln erwidert. "Ja", gibt sie schüchtern von sich und zieht dann ihre Schuhe aus. "Geh schon mal ins Zimmer, ich komme gleich nach", gebe ich Shana Bescheid und sehe meine Mutter schmunzelnd an. "Diesmal bleibt sie auch bei dir. Ich ertrage es ein zweites Mal nicht!", gibt meine Mutter scharf ab und tippt mit ihrem Finger bedrohlich auf meiner Brust herum. "Alles, was du willst", gebe ich lachend von mir und ziehe meine Schuhe aus, bevor ich in mein Zimmer gehe. Shana sitzt steif auf meinem Bett und schaut nachdenklich zu Boden. "Sag mir nicht, dass du dich schämst", reiße ich sie aus ihren Gedanken, weswegen sie zusammenzuckt. "Ein bisschen", gibt sie schüchtern von sich und fährt sich durch ihr Haar. "Das Essen wird gleich fertig sein. Willst du irgendetwas? Du kannst ruhig unter die Decke schlüpfen, wenn dir kalt ist. Willst du irgendetwas zum Überziehen?", frage ich und setze mich zu ihr. Shana lacht leise. "Es ist alles in Ordnung. Du kommst mir in letzter Zeit wie eine über vorsorgliche Mutter vor." Ich komme ihr wie eine Mutter vor? Ich dachte, es würde ihr schmeicheln oder so, aber dass ich ihr wie eine Mutter vorkomme, war nicht Teil meines Plans.

ArroganzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt