Gedanken

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Am nächsten Tag geht es Fergus schon etwas besser, zwar hat er noch starke Schmerzen und muss nach wie vor im Bett ruhen, doch seine Haut sieht schon viel rosiger aus. Auch ist sein Fieber vollständig zurück gegangen und er konnte heute Früh schon ein bisschen Suppe zu sich nehmen. Jamie hat mich ins Bordell gebracht, damit ich mich waschen und ein neues Kleid anziehen kann.

Es ist zwar von einem leichten Mädchen geliehen, dennoch sieht es einigermassen hübsch aus. Ausserdem fühlt es sich gut an, endlich von all dem Schmutz und dem Schweiss der letzten zwei Tage befreit zu sein. Nachdem ich mich gewaschen und etwas gegessen habe, lege ich mich hin und schlafe fast den ganzen Tag. Die Erschöpfung muss weitaus grösser gewesen sein, als ich angenommen habe. Jamie hat solange Besorgungen in der Stadt gemacht.

Jetzt bringt er mich zurück zur Druckerei, während wir durch die Strassen laufen und ich den Menschen beim Einkaufen zuschaue, spüre ich seinen Blick auf mir ruhen. „Ich habe in der ganzen Zeit in der du jetzt hier bist, nie nach deiner Gesundheit gefragt, oder wie es dir hier gefällt." Ich drehe den Kopf und unsere Blicke begegnen sich, es fühlt sich komisch an aber auf eine gute Art und Weise. Sein Lächeln sieht aufrichtig an und auch die Art wie er mich ansieht, lässt mich offen und ehrlich antworten.

„Mir geht es soweit gut. Sicher haben mich die letzten Tage erschöpft, aber ich bin froh das ich dich gefunden habe." Ich blicke zu ihm auf, sehe sein Gesicht und frage mich wie viel Leid meine Eltern erdulden mussten. Jamie wirkt erleichtert, was auch auf mich übergeht. „Und wie geht es dir?", frage ich zurück.

Er lächelt mich an und bleibt stehen, ein Windstoss erfasst sein rotes Haar und lässt seine Locken hin und her wehen. „Ich trug die Last der ganzen Welt auf meinen Schultern, bis du in meinem Leben aufgetaucht bist. Jetzt ist es, als würde alles ins Gleichgewicht kommen und mein Seelenheil auch." Das zu hören macht mich glücklich und kann mit keinen Schätzen dieser Welt aufgewogen werden. Die Gefühle übermannen mich und ich kann nicht anders, als ihm schluchzend in die Arme zu fallen.

Jamie drückt mich an sich, lässt mich sicher und geborgen fühlen. All das was ich in den letzten sechzehn Jahren nicht gespürt habe, fühle ich jetzt umso deutlicher und lässt meine ganzen Gefühle Kopf stehen. „Ich werde dich mit meinem Leben beschützen und ich bereue es zutiefst, es schon zum zweiten Mal nicht gekonnt zu haben. Aber das wird sich ändern, denn wir werden schon bald nach Hause gehen. Nach Lallybroch, deinem Erbe."

Die Inbrunst, mit der er das sagt, jagt mir einen Schauer über den ganzen Körper. Ich weiss gar nicht was ich darauf antworten soll, also lächle ich und versuche das Chaos in meinem Innern zu ordnen. „Ich weiss, dass es für dich alles sehr schnell gehen muss, aber ich muss dich einfach meiner Familie vorstellen. Jenny, deine Tante, wird es nicht glauben können. Sie und deine Mutter standen sich sehr nahe, sie waren wie Schwestern. Sie wird dich lieben, genauso sehr wie sie deine Mutter geliebt hat."

In seinen Augen sammeln sich Tränen, wie immer wenn er über meine Mutter spricht, doch er blinzelt sie schnell weg und bringt mich zurück zur Druckerei. „Ich muss den Verband wechseln, vielleicht könntest du mir einige Kräuter besorgen, damit sich seine Wunde nicht entzündet." Jamie nickt und versichert mir, dass er alles besorgt was ich bräuchte. „Wenn ich dir dabei zusehe wie du Fergus Wunde versorgst, erinnerst du mich sehr an Claire. Gott, wie lange ich ihren Namen nicht mehr laut ausgesprochen habe. Als wäre sie ein Geist, der nach wie vor unter mir weilt." Seine Stimme klingt brüchig, ich möchte ihn trösten, doch ich weiss nicht ob er das überhaupt möchte.

Also reiche ich ihm die Liste und lächle ihn mitfühlend an. Jamie nimmt sie entgegen und verabschiedet sich. Ich schaue ihm nach und kämpfe selbst mit den Tränen. Ich atme tief ein und wieder aus, bevor ich die Tür zu der kleinen Kammer öffne, in der sich Fergus aufhält. Er ist wach und sieht mich aufmerksam an, ich weiche seinen Blicken aus und hole einen sauberen Verband aus meinem Beutel, sowie die Tinktur für die Naht. „Ich muss deinen Verband wechseln, würdest du bitte das Hemd ausziehen?"

Ich bemühe meine Stimme so fest wie möglich klingen zu lassen, aber die Worte meines Vaters spucken mir immer noch im Kopf herum. Fergus Stirn legt sich in Falten, während er sich das Hemd mühsam über den Kopf zieht. Nachdem ich den Verband gelöst und die Wunde mit einem feuchten Tuch gesäubert habe, taste ich etwa einen Zentimeter rund um die Naht seinen Bauch ab, um zu sehen ob die Entzündung zurückgegangen ist. Zum Glück sieht alles gut verheilt aus, dennoch sollte er sich mindestens zwei Tage schonen, ehe er sich wieder draussen aufhält.

„Und wie sieht's aus?"

Sein Blick ruht nach wie vor auf mir, bevor ich ihm antworte gebe ich die Tinktur auf die Naht und verbinde sie neu. Danach wasche ich mir die Hände und verräume das Fläschchen in meinem Beutel. „Hast du die Zunge verschluckt, oder wieso antwortest du mir nicht?" Er funkelt mich wütend an, was mich ebenfalls wütend werden lässt. „Wenn du so besorgt um deine Gesundheit bist, dann kann ich dich beruhigen. Es sieht alles gut aus. Du wirst schon bald wieder den Frauen hinterher jagen können", erwidere ich gereizt und drehe mich um, damit er mein Gesicht nicht sieht.

Meine Wangen glühen und ich kämpfe mit den Tränen. „Wieso glaubst du, dass ich jedem Frauenrock hinterher jage? Du kennst mich doch gar nicht." Ich schüttle den Kopf und stosse hörbar den Atem aus. „Nein, ich kenne dich noch nicht sehr lange, aber ich weiss wie sich junge Männer benehmen." Meine Stimme klingt brüchig, genau wie die meines Vaters. Fergus versucht sich aufzusetzen, ich höre wie er vor Schmerz aufstöhnt. Schnell drehe ich mich um und will ihm helfen, doch ich besinne mich und bleibe stehen. Fergus keucht und hält sich die Wunde, ich muss mir auf die Zunge beissen, um ihm nicht zur Hilfe zu eilen, aber er muss lernen das er nicht mit mir umgehen kann wie mit jedem anderen Mädchen das ihm schöne Augen macht.

Nicht, dass ich das tun würde, aber es geht ums Prinzip. „Was stehst du denn so rum? Hilf mir lieber aus diesem verdammten Bett", knurrt er. Schweiss glänzt auf seiner Stirn und seine Haut sieht blasser aus, als noch vor einigen Minuten. Auch wenn ich ihn zappeln lassen wollte, helfe ich ihm aufzustehen. Er stützt sich mit seinem gesamten Gewicht auf mir ab, was mich beinahe in den Boden drückt. Sein Atem geht abgehackt und ich kann seinen Herzschlag unter meiner Handfläche spüren. Es pocht wild in seiner Brust und ich frage mich ob es wegen mir so schnell schlägt, verwerfe den Gedanken aber gleich wieder. Das wäre einfach zu absurd.

„Ich denke es ist besser wenn du dich wieder hinsetzt."

Seine Beine zittern verdächtig und auch sein Griff um meine Schulter verstärkt sich immer mehr. Fergus scheint zu überlegen, hängt zu sehr an seinem Stolz, als das er zugeben würde, dass er noch nicht soweit ist. Doch dann nickt er und ich helfe ihm sich wieder zu setzen, als sich sein Griff um mich lockert, atme ich erleichtert auf, spüre aber auch, dass irgendetwas fehlt. Kaum merklich schüttle ich den Kopf und hole ein Tuch um ihm den Schweiss von der Stirn zu tupfen.

„Wo ist Milord?", fragt er und sieht mich aus erschöpften Augen an. „Er musste zur Apotheke. Deine Wunde hat fast meinen gesamten Bestand an Kräutern zu nicht gemacht", erwidere ich lächelnd. Für einen kurzen Moment, nicht länger als einen Wimpernschlag, sehe ich auch auf seinem Gesicht ein Lächeln. Doch so schnell es gekommen ist, ist es auch wieder verschwunden. „Ruh dich noch ein wenig aus. Spätestens in zwei Tagen wird es dir schon besser gehen. Das verspreche ich dir."

Fergus nickt und schliesst die Augen, wieder bewundere ich seine Wimpern die sich wie ein Fächer auf seiner Wange ausbreitet. Einen Augenblick lang gönne ich mir seinen Anblick, danach widme ich mich dem Verband, wasche ihn gründlich aus und hänge ihn dann zum Trocknen auf. Danach setze ich mich nach draussen und geniesse die Sonnenstrahlen die auf mein Gesicht fallen und denke über die Worte meines Vaters nach.

Wie wohl meine Zukunft an der Seite meines Vaters aus? Und welche Rolle wird Fergus dabei spielen?- immerhin ist er meinem Vater treu untergeben. Darüber bin ich mir noch uneinig, denn auch wenn er ziemlich nervig sein kann, hat er auch edle und ritterliche Eigenschaften. Ich werde mir wohl noch weitere Gedanken dazu machen müssen, aber für heute ist es genug.

ich hoffe es hat euch gefallen :D

Hm, wie wohl ihre Zukunft aussehen wird?

eure Amanda

Erstgeborene OUTLANDERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt