Gewitter

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Nachdem wir die letzten zwei Tage damit verbracht haben, die Vorräte für die anstehende Reise zu besorgen, sowie meinen Bestand an Heilkräuter für Fergus Wunde aufzufüllen, treten wir jetzt in diesem Moment die Reise nach Lallybroch an. „Bereit deine Heimat zu erkunden?" Ein leichtes Lächeln umspielt Fergus Lippen, als er mir auf das Pferd hilft, was ich nicht recht deuten kann. Aber ich erwidere es um nicht noch mehr Streit zu provozieren. In den letzten Tagen sind wir uns aus dem Weg gegangen, nur wenn ich mich um den Verbandswechsel kümmern musste, haben wir uns kurz unterhalten.

Dann aber auch nur um zu diskutieren wann er wieder aufs Pferd darf. Ich bin zwar mit dem Verlauf der Wundheilung soweit zufrieden, aber zu viel Anstrengung finde ich nach wie vor nicht empfehlenswert. Aber Fergus scheint sich mittlerweile an die Schmerzen gewöhnt zu haben, wenn er sich übernimmt. Solange die Naht nicht aufreisst, oder sich entzündet, lasse ich ihn tun und lassen was er will. Ich kann ihm sowieso nichts vorschreiben, ich bin ja nicht seine Mutter, oder seine Frau. Was ich auch sicherlich nicht sein möchte, nicht einmal wenn er der letzte Mann auf der ganzen Welt wäre. „Wenn du sie mir zeigst?"7

Ich erwidere sein Lächeln und nehme die Zügel meiner Stute in die Hand, während Fergus nickt und Brimstone auf den Rücken klopft. „Wenn du mir nicht auf die Nerven gehst, jeder Zeit." Mit einem Zwinkern schwingt er sich auf seinen Hengst und trabt neben Jamie hin und wechselt ein paar Worte mit ihm. Diesen Satz hätte er sich sparen können, ich verdrehe die Augen und lenke mein Pferd ebenfalls neben meinen Vater. „Wenn alles gut geht, sind wir in fünf, sechs Tagen in Lallybroch. Ich habe Jenny geschrieben das ich vorbei komme", höre ich meinen Vater zu Fergus sagen.

Ich runzle die Stirn, denn so wie er es darstellt hat er nichts über mich geschrieben. Aber ich habe keine Gelegenheit nachzufragen, denn nachdem Fergus geantwortet hat, gibt Jamie das Zeichen zum Aufbruch. Blinzelnd gebe ich ihr die Sporen und frage mich, was diese Reise bringen wird. Wir reiten eine ganze Weile, in der ich mir gestatte die wunderschöne Landschaft zu geniessen. Die raue Landschaft sieht einfach traumhaft schön aus. Nach nur einer Stunde haben wir Edinburgh hinter uns gelassen und reiten nun auf der Landstrasse auf der uns ab und an ein Fuhrwerk, oder einige einsame Reiter entgegen kommen.

Das Wetter spielt bis zum Mittag mit, doch dann bricht ein Gewitter über uns zusammen und wir werden gezwungen einen Rastplatz zu suchen. Völlig durchnässt suchen wir unter einem Felsvorsprung Schutz. Der Donner grollt und über unseren Köpfen zischen Blitze durch den verdunkelten Himmel. Während sich Jamie und Fergus nicht von der Naturgewalt erschrecken lassen, zucke ich jedes Mal zusammen wenn der Himmel erhellt wird und der Donner über mir grollt. Als ich Fergus Blick auf mir spüre, merke ich, dass er mich beobachtet. Also versuche ich mich nicht mehr erschrecken zu lassen, doch das funktioniert nicht so wie ich es mir vorgestellt habe.

Ich drehe den Kopf, als ich die beiden flüstern höre, doch ich kann nicht hören was sie sagen. Nicht nur das tobende Gewitter zerrt an meinem Nervenkostüm, sondern auch die Kälte die in dieser Höhle herrscht. Sie wandert in meine Knochen und lässt sie steif werden, ausserdem friere ich am ganzen Körper. „Hier", erschrocken schaue ich auf und sehe Jamie vor mir. Er legt mir ein Schafsfell über die Schultern und setzt sich neben mich. Dankbar lächle ich ihn an. „Hast du Angst?" Ich weiss nicht was ich antworten soll, ich entscheide mich für die Wahrheit.

„Im Kloster habe ich mich nie sicher gefühlt, jedes Mal wenn es gestürmt hat, habe ich kein Auge zugetan. Ich lag wach und habe über den nächsten Tag nachgedacht. Daran wann wir aufstehen, wie wir das Morgengebet halten und uns danach zum Frühstück in die Speisehalle begeben. Ich habe mich manchmal gefragt, wie es wäre wenn ich bei meinen Eltern wäre. Ob sie mich trösten oder mich sogar bei sich schlafen lassen würden. Damals wusste ich nicht, dass meine Eltern leben, ich dachte sie wären tot, oder hätten mich einfach so abgegeben, weil sie mich nicht ernähren konnten oder schlimmer noch, mich nicht wollten. Aber dann, als ich das Gespräch der Oberin belauscht und danach den Brief gelesen habe, wusste ich, dass ich Eltern hatte die mich nicht wollten, sondern die mich liebten, bis über den Tod hinaus. Das hat mir Kraft gegeben um die Nächte in der Natur zu überstehen, auch die Gewitter."

Ich lächle meinen Vater an und sehe in seinen Augen, dass er nicht weiss was er darauf antworten soll. Doch er muss nichts sagen, es genügt mir wenn er neben mir sitzt und an mich denkt. „Hattest du Angst vor dem Gewitter? Heute scheinst du damit keine Probleme mehr zu haben", frage ich, nachdem wir eine Weile geschwiegen haben. Jamie sieht mich an und lächelt, es ist ein Lächeln das durch die Erinnerungen an seine Kindheit hervorgerufen wird und was so viel Wärme und Liebe ausstrahlt, dass es mich von innen heraus wärmt.

„Als Kind hatte ich oft Angst, aber dann hat mich meine Schwester, also deine Tante, einen Angsthasen genannt und ich wollte ihr beweisen, dass ich keiner bin. Also habe ich mich eines Nachts nach draussen gewagt, doch ich hatte solche Angst, dass ich mich unter einem Baum versteckt hatte. Meine Schwester war besorgt um mich und hat mich gesucht, als sie mich gefunden hat, hat sie mir eine gescheuert und gemeint, wenn ich so etwas noch einmal wagen würde, dann würde sie mir die Eier abschneiden und sie mir zum Frühstück servieren. Das wollte ich möglichst vermeiden, also habe ich es nie wieder getan." Ein leises Lachen dringt aus seiner Kehle, ein Laut der mich bis ins Mark berührt. Noch nie habe ich meinen Vater so lachen gehört und ich bete zu Gott, dass ich es noch eine sehr lange Zeit hören werde.

„Eine schöne, wenn auch lehrreiche Geschichte. Und was ist jetzt? Hast du jetzt Angst vor dem Gewitter?" Wieder sieht er mich an und sein Lächeln erstirbt, ein ernster Ausdruck legt sich in seine Augen und lässt mich den Atem anhalten. „Es gab eine Zeit, in der eine Höhle, eine ähnliche wie diese, mein Zuhause war. Ich habe mich versteckt und eines Tages habe ich begriffen, dass ich etwas tun muss, um meine Familie und meine Pächter zu beschützen. Ich habe mich geopfert, um den Menschen zu helfen, die mich Jahre lang beschützt haben. Diese Bilder haben sich in mein Gedächtnis gebrannt, aber es gibt noch viel schlimmere Bilder. Das versichere ich dir."

Jamie wirkt traurig und ich bereue ihn danach gefragt zu haben. Doch als ich mich entschuldigen will, tritt Fergus zu uns und sieht mich streng an. „Das Gewitter hat aufgehört, wir sollten aufbrechen. Und was den leichten Niesel angeht, bis jetzt hat es noch keinem geschadet." Während er das sagt, sieht er mich die ganze Zeit dabei an und ich habe das Gefühl das er mich für etwas bestrafen möchte. Die Frage ist nur; für was?

Ich weiss, es ist nicht wirklich viel, aber ich habe in letzter Zeit echt viel um die Ohren.

Welche Bilder, könnte Jamie gemeint haben? und warum bestraft Fergus Faith?

eure Amanda

Erstgeborene OUTLANDERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt