Szene Neunundzwanzig

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Szene Neunundzwanzig (Jax)

Mit dem Fahrstuhl fuhren wir in den dritten Stockwerk vom Krankenhaus. Laut Aushang im Fahrstuhl war das die Gynäkologie und Entbindungsstation.
"Wie fühlst du dich?", fragte ich, als sich die Türen des Fahrstuhles schlossen.
"Ich fühle gerade gar nichts, irgendwie. Das ist alles so... so komisch. So unglaubwürdig", murmelte Katherine vor sich hin und fuhr sich nervös durch das offene braune Haar.
"Du brauchst nicht nervös sein. Du brauchst auch keine Angst haben. Ich bin bei dir. Ich stehe an deiner Seite."
Aufmunternd blickte ich sie an und drehte ihren Kopf in meine Richtung, damit sie mir in die Augen schauen konnte. Sie nickte nur und kniff die Augen zusammen, als ich ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn drückte.
Die Fahrstuhltüren öffneten sich und ich schnappte nach Katherine's Hand. Gemeinsam betraten wir die Gynäkologie und suchten nach einer Krankenschwester oder einem Arzt.
Es liefen einige Krankenschwestern an uns vorbei, aber Katherine kannte keine von ihnen, weshalb ich beschloss die nächste Krankenschwester anzusprechen.
"Entschuldigen, Sie", sagte ich.
Die Krankenschwester blieb stehen und blickte mich fragend an. "Ja, was kann ich für Sie tun?"
"Kennen Sie eine Schwester Katy und oder eine Schwester Caroline."
"Eine Schwester Katy gab es hier noch nie. Auch eine Hebamme nicht. Aber Caroline kenne ich. Sie hat aber vor fünf Jahren gekündigt. Wieso weiß niemand. Wieso denn?"
"Vor sechs Jahren war ich schwanger und war hier zur Entbindung. Mir wurde gesagt, dass mein Kind tot zur Welt gekommen ist. Vor ein paar Tagen hatte ich einen USB-Stick bei mir an der Tür gefunden. Darauf war ein Video, ich kann es Ihnen zeigen", sagte Katherine und zog aus ihrer Handtasche meinen Laptop raus.
"Ich hole nur den Stationsarzt der hier seit zehn Jahren das sagen hat. Ach, wir gehen einfach ins Büro. Was auch immer ist, das glaube ich nicht, dass sowas in unserer Klinik passiert", meinte die Krankenschwester und ging voran. Katherine und ich tauschten einen Blick aus und gingen hinter her. Im Büro des Oberarztes, saß ein Typ im Hemd und Kittel am Schreibtisch und war gerade am Frühstücken. Verdutzt blickte er auf und fragte, was wir hier wollten.
Die Schwester machte die Tür zu und Katherine erklärte dem Arzt alles. Er war völlig empört und redete immer wieder davon, dass hier sowas nicht passieren kann.
"Holen Sie einfach die Akte."
"Das kann ich machen", sagte die Schwester. Der Arzt nickte zustimmend und schickte die Schwester los.
"Ich kann das nicht glauben, dass das wirklich so sein sollte. Ich meine, es tut mir leid, dass das Kind so einen Vater hat."
"Wenn er überhaupt der Vater ist. Sein Kumpel hat davon Wind bekommen, dass ich eine Affäre gehabt habe. Es besteht eine 50 zu 50 Chance", warf Katherine ein. "Ich will einfach nur, dass ich weiß, wo meine Tochter ist, damit ich alle Hebel in Bewegung setzen kann und sie zu mir holen kann."
"Verständlich, Miss Shaw, dass Sie Ihre Tochter, wenn sie gefunden wird, zu sich holen wollen. Zu sich und Ihrem neuen Freund. Aber denken Sie nicht, dass sie dann gefährlich lebt."
Er deutete auf die Kutte von mir und ich baute mich auf.
"Was hat das damit zu tun? Und außerdem muss man doch nicht immer nach dem Äußeren gehen, oder?"
Der Arzt schien zu überlegen. "Ich habe viel von den Sons of Anarchy gehört. Nichts Gutes. Meine Schwester lebt in Charming."
Ich lehnte mich nach vorne und blickte Dr. Anderson eindringlich an. "Sie glauben wohl sehr gerne Gerüchte, oder?"
"Gerüchte, die auf News-Seiten im Internet und in Charmings Zeitungen stehen? Darauf vertraue ich nicht. Meine Schwester bekommt einiges mit. Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Ich werde Ihnen und Ihrem Freund gerne weiterhelfen."
Es klopfte an der Tür und wenig später kam die Krankenschwester ins Zimmer. Sie hielt eine Akte in der Hand und legte sie auf den Tisch.
Der Arzt blätterte diese auf und las sich was durch. "Hier steht, dass Sie eine Tochter tot geboren haben. Unterschrieben von Hebammenschwester Katy und meinem stellvertretenden Kollegen Dr. Peterson." Er runzelte die Stirn und tippte irgendwas im Computer an. "Kennen Sie eine Katy, die hier mal gearbeitet haben muss?", fragte der Arzt die Krankenschwester.
Diese schüttelte nur den Kopf. "Nein, ich arbeite hier zehn Jahre und eine Schwester Katy ist mir im ganzen Krankenhaus noch nie begegnet."
Der Arzt nickte. "Ja, sie steht auch nicht im Mitarbeiterverzeichnis."
"Ich hatte vorher Hebammenschwester Caroline gehabt, die hat mich dann Katy vorgestellt."
"Caroline hat vor ungefähr fünf Jahren wegen ihrem Rücken gekündigt", meinte der Arzt. "Ich war immer zufrieden mit ihr."
"Ja, ihr Rücken. Das hat sie bei mir auch gesagt. Haben Sie die Adresse von ihr. Vielleicht kann Sie mir ja weiterhelfen?"
"Tut mir leid, ich darf die Adresse nicht rausgeben. Das kann mich meinen Job kosten."
Als eine weitere Krankenschwester ins Zimmer stürmte, war das Gespräch wohl vorbei. "Mrs. Saunders bekommt ihr Kind. Die Fruchtblase ist geplatzt."
"Bin sofort da", sagte der Arzt und sprang von seinem Stuhl auf. "Schwester Susanne begleiten Sie die Herrschaften raus." Der Arzt verließ das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.
Die Krankenschwester eilte zum Computer und tippte irgendwas ein. Dann schnappte sie sich Zettel und Stift und schrieb irgendwas auf.
"Hier, die Adresse von Caroline. Die haben Sie nicht von mir", sagte sie und reichte Katherine den Zettel.
"Danke und wieso?", fragte diese.
"Ich hatte mit dem Typen was. Mehr muss ich nicht sagen."
Sie drückte mehrmals auf Esc und kopierte dann noch den Sterbebericht von Katherines Tochter. Dann begleitete sie uns aus dem Büro.
"Danke noch mal", sagte ich zur der Schwester. Diese nickte nur und ließ uns dann stehen. Katherine die mittlerweile alles wieder in ihrer Handtasche gestopft hatte, blickte zu mir.
"Dann fahren wir zu ihr", sagte sie zuversichtlich. "Die muss doch was wissen."

Wir hielten vor der angegeben Adresse von dieser Hebammenschwester Caroline und Katherine blickte nachdenklich zum Haus. "Hoffentlich ist sie da", sagte Katherine und atmete tief durch.
Ja, hoffentlich. Und hoffentlich kann sie uns auch weiterhelfen.
Wartend und ungeduldig standen wir vor der Türe des Hauses, nachdem Katherine geklingelt hatte.
Die Tür wurde geöffnet und eine Frau im Alter meiner Mutter trat zum Vorschein.
"Du hast mich aber schnell gefunden", sagte sie.
"Das Video ist von dir?", fragte Katherine.
Caroline nickte und ließ uns in ihr Haus.

Mr. Vize [SOA] | ⏸. Where stories live. Discover now