Tag 43 // Tag 40

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Tag 43

»Aufstehen!«, tönte Mum und riss die Vorhänge auf. »Heute wird ein schöner Tag.« Durch die offene Tür hörte ich die Musik aus dem Radio. Mein Dad werkelte in der Küche herum, vermutlich machte er Frühstück. Ich stöhnte und vergrub meinen Kopf in einem Kissen.

»Na los, Schatz. Ich erwarte dich in fünf Minuten unten am Tisch«, sagte Mum und gab mir einen Kuss auf den Kopf. Als sie ging, ließ sie die Tür offen, so dass ich weiterhin die Musik hörte. Es war grässliche Musik. Besonders weil mein Dad jetzt mitsang.

Aber meiner Mum war es wichtig, dass wir die letzten Tage nutzten, um als Familie komplett zu sein. Also stand ich auf und zog mich an. Manchmal störte es mich, dass ich als Sterbende meine Bedürfnisse nicht an erster Stelle stellen durfte. Hatte ich nicht ein Recht auf ein bisschen Egoismus? Dr. Della Bryson meinte, so würden sich alle Teenager fühlen.

Unten angekommen, nahm ich neben meinem Dad Platz. Er lächelte mich an und faltete seine Zeitung zusammen.

»Guten Morgen, Süße«, sagte er.

»Morgen, Dad«, murmelte ich. Mum schenkte ihm Kaffee ein und stellte mir einen Teller mit zwei kleinen Brotscheiben hin. Sie setzte sich und meine Eltern begannen zu essen. Ich dagegen starrte weiter auf das Brot. Mum bemerkte meinen Blick.

»Ich habe ein neues Rezept ausprobiert. Ich habe diesmal anderes Mehl benutzt. Ich habe in einem Forum gelesen, dass der Stoffwechsel besser damit zurechtkommt.« Plötzlich kribbelte es in meiner Nase und ich merkte, dass meine Augen feucht wurden.

»Danke«, brachte ich hervor und biss dann in das trockene Brot. Andere Eltern finanzierten ihren Kindern die Ausbildung oder kauften ihnen ein Instrument, damit sie sich musikalisch verwirklichen konnten. Meine Mutter backte mir Brot und machte sich im Internet schlau. Damit ich überhaupt essen konnte. Und dafür war ich ihr dankbar; ich brauchte nicht mehr.

»Ich hatte gedacht, dass wir heute vielleicht in die Stadt gehen könnten«, schlug Mum vor. »Wie wäre es mit einem Besuch im Kosmetiksalon?«

Ich nickte und schluckte. »Klingt gut.«

Nach dem Frühstück fuhren wir also in die Stadt in das Einkaufcenter. Wir ließen uns eine Maniküre machen. Mum wählte einen schönen Rosaton, während ich mich für ein dunkles Rot entschied. Dann ging Mum noch zum Friseur. Ich lehnte einen Friseurbesuch ab, ich mochte meine Haare so, wie sie waren. Aber es machte Spaß, Mum dabei zu zuschauen. Das letzte Jahr war anstrengend für sie gewesen, sie hatte diese Pause gebraucht.

Anschließend durchkämmten wir die Läden. Mum shoppte das dreifache von mir und die meiste Zeit verbrachte ich damit, vor der Kabine zu warten und ihre Outfits zu kommentieren. Schließlich setzten wir uns in ein kleines Café. Meine Mutter bestellte sich einen Kaffee. Während sie an der Schlange anstand, ließ ich meinen Blick schweifen. Zwei Tische weiter sah ich eine Familie sitzen. Die ältere Tochter war etwas jünger als ich. Sie zog meine Aufmerksamkeit auf sich, als sie begann, ihren Vater anzufahren. Er beruhigte sie, aber sie tobte wutentbrannt weiter.

»Mann, hab ich je so lange auf einen Kaffee gewartet?«, fragte Mum außer Atem und ließ sich neben mich plumpsen. Ich sah sie an.

»Was?«, fragte sie irritiert. Ich schüttelte den Kopf. Dann lächelte ich. Es gab eine Zeit, da war mir meine Mutter peinlich gewesen. Jetzt bin ich froh, Zeit mit ihr zu verbringen. Und ich schätze, das hat nichts mit meinem Tumor zu tun. Ich war einfach erwachsen geworden.

Als wir Zuhause ankamen, checkte ich mein Handy und sah, dass ich eine SMS von Nathalie hatte.

Chilli Milli Abend bei mir? Logan und Maya sind auch dabei. Kyle hab ich auch eingeladen ;) Wenn du nicht kommst, schleife ich dich höchstpersönlich aus dem Haus. In Liebe, Nat.

The Bucket ListWo Geschichten leben. Entdecke jetzt