Tag 0 // Epilog

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Tag 0

Diese Zeilen schreibe ich im Krankenhaus. Es geht mir schlecht. Das hier ist das Ende.

Also Mrs D. Da ich nicht mehr in der Lage sein werde, von meinem Tod zu berichten, spulen wir das Ganze ein Stück vor:

Ich werde wahrscheinlich in meinem Krankenhausbett liegen, vollgedröhnt mit Schmerzmitteln. Ich hoffe, Kyle ist bei mir. Und meine Familie und Nathalie und Logan. Und Mortem. Es ist ein schöner Gedanke, meinen letzten Atemzug meinen Liebsten zu schenken.

In meiner Fantasie malte ich es mir immer so aus, dass ein Film vor meinen Augen vorbeiziehen würde und mir all die glücklichen Momente noch einmal offenbaren würde. Wahrscheinlich sieht Mortem ihn mit mir zusammen.

Ich liege also hier in meinem Bett und projiziere diesen Film. Für Sie und für mich. Ich finde es schön, meine Geschichte mit den schönsten Momenten zu beenden.

Ich sehe also meine Kindheit. Wie mein Dad mir Fahrradfahren beibringt und mich vor Spinnen beschützt. Wie Mum mir Eis macht und mir Zöpfe flechtet.

Ich sehe meine Jugend und die Zeit mit Zoey und Bianca. Wie wir ein unbesiegbares Trio sind. Und dann sehe ich meinen Tumor. Es ist eine Wende in meiner Geschichte. Aber nicht immer bringen Veränderungen Schlechtes mit sich.

Denn als Nächstes sehe ich Kyle, Nathalie und Logan. Diese Menschen übernehmen den Großteil meines Todesfilmes. Ich sehe, wie ich Kyle im Kreativen Schreiben gegenübersitze und wie wir uns hassen. Ich sehe Nathalie, wie sie mir beim Kotzen zu schaut. Sie steht da an die Klotür gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt und betrachtet mich mit hochgezogenen Augenbrauen. Wow, ich weiß ja, dass die Schule echt scheiße ist, aber dass du sie buchstäblich zum Kotzen findest, ist echt 'ne krasse Nummer. Und dann zerrt sie mich zur Schulschwester und bringt mich anschließend nach Hause. Ab diesem Moment war ich sehr froh, eine Freundin gefunden zu haben. Du bist eigentlich ganz schön okay, Jo.

Ich sehe, wie ich Kyles Auto stehle und wie ich Logan kennen lerne. Ich sehe unsere wachsende Freundschaft.

Ich sehe, wie ich Nathalie aus meinem Leben aussperre und sie wegschicke, weil ich mir selbst nicht erlaubte, mich jemandem zu öffnen.

Ich sehe, wie ich Kyle in den Computerraum zerre und in zwinge mit mir meine Liste abzuarbeiten. Wie wir schließlich angeln fahren und diesen riesigen Fisch fangen.

Ich sehe Sie, Mrs Dickinson, wie sie mich zum Schreiben ermutigen.

Ich sehe mich bei meiner Therapeutin Dr. Della Bryson sitzen. Ich erzähle ihr von meinen Bedenken, den Leuten zu erzählen, dass ich sterben werde, aus Angst davor, wie sie mich dann ansehen könnten. Dr. Della Bryson fragt mich daraufhin, was ist, wenn sie mich nicht so ansehen. Ich höre mich verächtlich schnauben. Das werden sie.

Ich sehe, wie Nathalie und ich bei den Golden Girls sind und wie sie sich mit den Grannys streitet. Ich sehe Kyles kleine Schwester. Ich sehe, wie wir das Footballspiel gewinnen und auf Kyles Party tanzen. Ich kippe vor Kyle um und wir landen auf dem Dach, auf dem ich ihm alles erzählte. Ich werde sterben, Kyle. Und zwar schon sehr bald.

Ich sehe Mum, mit der ich bei Dr. Daniel Harper sitze und wie wir über das Hospiz reden. Ich sehe, wie die Menschen in der Schule über mich Bescheid wissen und wie tief verletzt Nathalie ist. Wie Kyle mich dazu auffordert, diese Geschichte aufzuschreiben. Mrs Dickinson meinte, auf dem Papier hätte ich tausend Leben und ich müsste nur damit beginnen, sie aufzuschreiben. Nur dass ich für tausend Leben keine Zeit habe. Also beginne ich ganz einfach mit meinem eigenen.

Ich sehe Logan und Maya und wie ich seinen Wingman spiele. Mehr oder weniger. Ich sehe Logan und mich, wie wir mit dem Auto fahren, während Nathalie auf der Rückbank schläft. Das Zuhause ist deine Konstante.

The Bucket ListWo Geschichten leben. Entdecke jetzt