1. First Class?

22.3K 1K 49
                                    

#Maxie

Nun stand ich hier, alleine nachts um halb 2 am Flughafen in Dublin. Ich hatte noch 2 Stunden Zeit bis mein Flug nach London aufgerufen werden würde. Doch ich hatte es zu Hause nicht mehr ausgehalten. Es erinnerte mich zu sehr an ihn... meinen Vater. Jetzt wo ich an ihn dachte kehrte der Schmerz wieder in meine Brust zurück und ich musste mich konzentrieren, dass mir nicht die Tränen in die Augen schossen. Ich hatte schon so viel geweint diese Woche. Sein Verlust brachte mich fast um, mein Vater war immer mehr als nur ein Vater für mich gewesen. Er war mein bester Freund. Vater und Mutter gleichzeitig, da ich meine Mum nie kennengelernt hatte.

Mit ihm konnte man immer Spaß haben, aber auch ernsthafte Themen besprechen. Er hatte mich nie angelogen, dachte ich.

Bis zu dem Tag an dem er meine Welt auf den Kopf stellte.

Um nicht weiter über ihn nachzudenken schlenderte ich ein bisschen durch die Shops. Ich kaufte mir ein Haufen Zeitschriften, Kaugummis gegen den Druck auf den Ohren und ein Snickers. Ich brauchte jetzt erst einmal Nerven-Nahrung und Schokolade half da immer sehr gut bei mir. Wieder in der Wartehalle angekommen, verschlang ich mein Snickers regelrecht und fischte mein Tablet aus meiner Tasche. Ich hatte ja noch genügend Zeit, also konnte ich auch schon mal versuchen etwas mehr über meinen Bruder herauszufinden. Schließlich war ich auf dem Weg nach London, weil er dort angeblich lebte.

Flashback

„ Maxie Schatz, setz dich doch bitte hin. Ich kann dir nicht die ganze Zeit mit den Augen folgen, wenn du hier wie eine Wildkatze durchs Zimmer tigerst", sagte mein Vater ruhig. Ich war sauer, sehr sauer! J. Johnsen hatte mich all die Jahre angelogen. Er hatte mir jedes verdammte Jahr, es waren immerhin 19, an meinem Geburtstag vorgegaukelt das meine schlechte Laune bestimmt nur daher komme das ich einfach kein Geburtstagstyp sei. Man konnte ja nicht alles mögen, waren seine Worte. Ich war Jahr für Jahr am Boden zerstört und wusste nicht einmal warum ich mich so fühlte. Doch mein Dad wusste es! Er wusste dass mein Inneres nach meiner zweiten Hälfte schrie. Nach der Person die mir weggenommen wurde. Einfach so vor 19 Jahren, er ließ mich leiden und im Dunkeln verweilen.

Doch jetzt wusste ich es, ich wusste, dass ich nicht alleine auf diese Welt gekommen war. Ich hatte einen Bruder, einen Zwillingsbruder! Konnte man das fassen? Sie hatten uns getrennt, einfach so auseinander gerissen. All die Jahre wusste ich nicht dass es zu mir ein passendes Gegenstück gab. Ich hielt mich für verrückt da ich mich in mir drin nie komplett gefühlt hatte.

Klar, ich war ein fröhliches Mädchen. Ich ging regelmäßig joggen, trieb viel Sport und tanzte für mein Leben gern. Ich hatte viele Freunde und auch schon meinen ersten Freund mit dem es genau 3 ½ Jahre gehalten hatte. Bis er dann aufs Collage ging und die Beziehung an der Entfernung zerbrach. Doch auch wenn ich für die Menschen da draußen immer fröhlich und aufgeschlossen wirken mochte, ging es mir im Inneren oft sehr schlecht. Ich verstand einfach nicht, warum mein Herz nicht glücklich sein wollte.

„Jetzt SETZ dich endlich hin!"

Mein Vater riss mich aus meinen Gedanken. Ich war zwar sauer auf ihn, wollte ihn jedoch nicht unnötig aufregen. Ich dankte Gott oder wer auch immer da oben saß und über den Tod bestimmte, dafür dass mein Vater einen weiteren Tag überlebt hatte. Ich wollte ihn nicht gehen lassen, nicht jetzt und auch nicht in der Zukunft. Doch leider spielte das Leben mit anderen Karten.

Als ich mich auf den Stuhl neben seinem weißen Krankenhausbett nieder gelassen hatte legte ich eine Hand in seine und sah ihn an.

„Maxie ich weiß, du wirst mir nie verzeihen, dass ich dir das all die Jahre vorenthalten habe. Ich war egoistisch, verletzt und überaus stur. Ich wollte dich für mich haben...Ich wollte mein kleines Mädchen nicht hergeben. Ich hatte Angst, dass du, wenn ich es dir gesagt hätte, lieber zu ihm gewollt hättest, um bei ihm zu sein. Dass du mich vergessen hättest. Ich wollte dich behalten, so wie deine Mutter deinen Bruder behalten hatte. Es tut mir leid, ich hätte an dich denken sollen und nicht nur an mich. Wenn ich könnte würde ich es anders machen, doch das kann ich nun nicht mehr und ich hoffe, dass du mich irgendwann einmal verstehst - vielleicht nur ein bisschen."

Ich wusste nicht was ich darauf erwidern sollte. Ich wollte sauer auf meinen Dad sein, aber das konnte ich nicht. Denn ich hatte jede Sekunde Angst, davor dass wenn ich ihn wieder im Krankenhaus besuchte, er nicht mehr da war um mit mir zu sprechen, mich in den Arm zunehmen oder einfach nur mit mir Tv zu schauen.

Als ich an diesem Abend sein Krankenhauszimmer verließ wusste ich nicht, was ich machen sollte. In meinem Kopf war ein einziges Chaos. Dad hatte mir aufgetragen in sein Arbeitszimmer zu gehen um dort nach einem Bild zu suchen. Einem Bild von mir und meinem Bruder - Das einzige Bild was von uns beiden gemeinsam existierte. Doch im Moment war ich einfach zu aufgewühlt um nach Hause zu gehen und so beschloss ich ein wenig durch Dublin zu laufen.

Flashback Ende

Als mein Flug aufgerufen wurde hatte ich immer noch nicht mehr herausgefunden. Wie schon die Wochen zuvor, die ich geradezu ausnahmslos mit Recherchieren im Internet verbracht hatte, war die Adresse des Krankenhauses in dem wir geboren waren meine einzige Anlaufstelle.

Ich steckte mein Tablet zurück in meine Tasche und sammelte mein Handgepäck ein. Dann holte ich mein Ticket raus und stellte mich in die Schlange. Als ich dran kam zeigte ich es vor und wurde von der Frau am Schalter nett angelächelt.

Im Flugzeug musste ich meinen Platz nicht lange suchen. Ich hatte einen Fensterplatz - endlich mal etwas Positives an diesem Tag bzw. in dieser Nacht! Als ich mich gerade hinsetzen wollte, wurde ich von einer Stewardess angesprochen:

„Entschuldigen sie Miss, es tut mir sehr leid aber ihr Platz wurde doppelt belegt. Sie können sich leider nicht auf diesem Platz nieder lassen."

Pah, da war sie wieder, die Ironie des Schicksals. Ich wollte anfangen los zu meckern, doch die Stewardess kam mir zuvor.

„Um ihnen den Flug aber trotzdem so angenehm wie möglich zu machen, haben wir ihr Ticket auf Kosten der Airline umgebucht. Ich würde sie bitten mir zu folgen. Ihr Gepäck wird ihnen von einer Kollegin gebracht. Sie ziehen um in die First Class, wenn das für sie ok ist?"

Ok, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet! First Class? Vielleicht wollte sich das Schicksal ja doch bei mir einschleimen. Ich nahm es aber erst mal mit einem Grinsen im Gesicht entgegen. Sollte sich das Schicksal doch ins Fäustchen lachen, dass ich so leichtgläubig auf sein Angebot eingegangen war aber First Class? Wann kam man schon mal an so was? Ja genau, NIE!

Also nickte ich schnell und lief der Stewardess hinterher. Wir passierten einen Vorhang und mir blieb der Mund offen stehen. Man malte sich ja schon irgendwie aus wie die First Class wohl aussehen mochte und ich musste sagen: Ja, genau so sah sie auch aus! Nur noch viel viel besser. Es standen jeweils nur 3 große Sessel pro Gang nebeneinander, einer links dann einer in der Mitte und einer rechts. Dazwischen war viel Platz und auch zum Vorder- sowie Hintermann war genug Bein und Liegefreiheit. Alles war in hellen Farben gehalten, die Sessel aus weißem Leder und auf jedem Sitz lag ein Kissen, sowie eine dünne Decke. Außerdem hatte jeder Sitz einen eigenen Mini Fernseher. Ich war überwältigt. Das merkte auch die Stewardess, denn sie drehte sich zu mir um und lächelte.

„Hier ist ihr Platz. Wir sind in der First Class heute nicht voll besetzt, also haben sie ihre Ruhe. Scheuen sie sich nicht, mich nach etwas zu fragen. Sie können in vollen Zügen den Luxus der First Class genießen. Sobald wir gestartet sind wird ihnen eine Speisekarte gebracht und sie dürfen unter 4 Gerichten wählen was sie gerne essen wollen. Dann lass ich sie jetzt mal alleine. Ihr Gepäck müsste ihnen gleich gebracht werden. Ich wünsch Ihnen noch einen angenehmen Flug."

Ich konnte es immer noch nicht fassen, wollte aber nicht groß auffallen und setzte mich erst mal auf meinen Platz. Der Sessel war soo bequem – So musste es sich anfühlen, wenn man auf einem Riesen-Marshmallow saß! Einfach göttlich!! Ein tolles Feature war, dass man den Sessel zu einer Liege runter fahren konnte. Außerdem gab es endlos viele TV- und Radiosender. Vielleicht hatte sich die frühe Uhrzeit zu der ich flog, damit der Flug nicht so teuer war, doch gelohnt.

TwinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt