Weihnachtspläne

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Wieder klopfte es an der Tür und weil Harry vermutete, dass es sich dabei erneut um Valentina handelte, klang sein „herein" ziemlich barsch. Einer der Kollegen aus dem OP streckte den Kopf ins Zimmer: „Mr Styles, der Anästhesist schickt mich. Wir warten alle unten auf Sie", sagte er ein wenig eingeschüchtert, vermutlich weil Harry ihn so angebellt hatte. Verwirrt sah Harry ihn an: „Aber die OP ist doch erst für 15 Uhr angesetzt." - „Jetzt ist es 14:55 Uhr", sagte der Kollege und Harry drehte sich auf seinem Stuhl um, um auf die Uhr an der Wand zu sehen.

Tatsächlich. Er hatte sich in der Zeit vertan!

Rasch sprang er auf und folgte dem Kollegen aus dem Büro. Sie überholten auf der Treppe einige Schwestern und gingen auf direktem Wege in den OP. Sowas war ihm ja noch nie passiert, dachte Harry, als er sich im Vorraum schnell umzog, sich die Maske und Haube überstreifte und man ihm in die Handschuhe half. Er entschuldigte sich wortreich bei den Kollegen, die seinetwegen hatten warten müssen und fragte sich, wie er es geschafft hatte, die Zeit so dermaßen zu vertrödeln. Er hatte sich doch nur den Flyer etwas genauer angesehen und darüber nachgedacht, ob er den Kongress besuchen sollte oder nicht.

Die OP und auch die folgenden an diesem Tag liefen gut und Harry war mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Er nahm die Berichte des Kollegen entgegen, der während des Eingriffs Protokoll geführt hatte und beschloss, sie später seiner Assistentin zu geben, damit sie alles in den PC übertrug. Mittlerweile war es 19 Uhr und er hatte Mittagspause. Er nahm sich aus dem Aufenthaltsraum seine Thermoskanne Tee und ging dann hinunter zu Liam, um seinen Termin bei ihm wahrzunehmen.

Dieser kam ihm schon entgegen, als er den Physiobereich betrat. Er lächelte ihn an und deutete auf einen Behandlungsraum, dessen Tür offen stand: „Der ist gerade frei. Du kannst dich schon mal ausziehen und hinlegen, ich bin sofort da."

Auf der Behandlungsliege lag ein flauschiges, weiches Handtuch und Harry streifte seine Hose ab, bevor er es sich bequem machte. „So, dann schau ich mir das mal an. Wie geht's dir denn mit dem Knie so?", fragte Liam, nahm eine Decke und legte sie über Harry, damit er nicht fror. Das linke Bein ließ er allerdings frei um besser heranzukommen. „Nicht so toll. Ich glaube mit dem Alter wird es schlimmer. Grade jetzt im Winter muss ich wirklich aufpassen, dass ich das Knie warm einpacke, wenn ich raus gehe. Die Metallschrauben werden schnell kalt und das ist echt unangenehm", antwortete Harry und sah zu, wie Liam sein Bein anhob und abwinkelte. „Weiter als so, kannst du nicht beugen?", fragte er und hielt in der Bewegung inne. „Nur unter Schmerzen", seufzte Harry und Liam nickte. „Ich hab das Gefühl, dass es nicht wirklich besser wird...schonmal darüber nachgedacht, die Schrauben rausnehmen zu lassen? Ich hab das Gefühl, dass die Spiel haben und dadurch die Schmerzen ausgelöst werden."

Liam legte das Bein wieder ab und begann damit Knie und Oberschenkel zu massieren. Es war unglaublich angenehm und Harry spürte förmlich, wie der Schmerz nachließ. „Ja, aber dann müssen die Bohrkanäle aufgefüllt werden und ich bin sicherlich vier Wochen an Krücken. Da kann ich nicht arbeiten. Grade um Weihnachten ist doch hier immer so viel los, weil alle ihre Eingriffe noch vor den Feiertagen erledigt haben wollen." Er seufzte und sah Liam an, der langsam nickte. „Ja, das verstehe ich. Aber so kann es nicht bleiben. Wenn das Knie weiter so versteift, hast du in zwei Jahren kaum noch Bewegungsfreiheit. Ich kann dir zwar mit wöchentlicher Massage helfen, aber das ist keine Dauerlösung." Harry seufzte: Liam hatte ja recht und es war irgendwie auch komisch, dass er – der Spezialist im Bereich Knie – sich von einem Physiotherapeuten ins Gewissen reden lassen musste. Doch Harry wollte keinen weiteren Eingriff. Er wollte nicht, dass sich Anton um ihn kümmern musste, wollte nicht abhängig sein und niemandem zur Last fallen.

„Wie geht's eigentlich Anton?", fragte Liam wenig später. „Habt ihr schon was für Weihnachten geplant?"-"Ja, wir werden vermutlich zu meiner Familie fahren. Antons Eltern sind über Weihnachten nicht da. Ich bin ganz froh darüber. Nochmal will ich nicht in den Highlands eingeschneit werden. Das hatten wir letztes Jahr und darauf kann ich verzichten. Außerdem gibt es da immer Haggis und das ist garnicht meins." Liam gluckste beim Gedanken an das Schottische Nationalgericht, einem mit Herz, Leber, Lunge und Nierenfett gefüllten Schafsmagen.

„Ich verstehe dich total. Mit diesem Gericht muss man aufgewachsen sein, um es zu mögen. Aber sicherlich geht es Anton mit unserem Roastbeef genauso." - „Aber Roastbeef ist lecker und Haggis ist einfach nur ekelhaft. Allein beim Gedanken an die Konsistenz, kriege ich schon Gänsehaut." Liam zuckte mit den Schultern und fuhr mit der Massage fort, dann sagte er halb im Scherz, halb ernst gemeint: „Nun, dann hättest du dir nicht unbedingt einen Schotten aussuchen dürfen. Ich darf dich daran erinnern, dass hier vor drei Jahren ein sehr ansehnlicher Assistent rumgewuselt ist, der dir den Kopf verdreht hat. Ehrlich Harry, ich verstehe noch immer nicht, wieso du dir diese Chance hast durch die Lappen gehen lassen. Er wäre perfekt gewesen."

Liam wusste um Louis. Harry hatte es ihm ausführlich erzählt, nachdem sein Assistent gegangen war, jedoch hatte er Louis nun schon lange nicht mehr erwähnt und dass Liam das Gespräch ausgerechnet jetzt zur Sprache brachte, ärgerte ihn. Er hatte jetzt Anton und war sehr glücklich mit ihm. „Liam, wieso sagst du das jetzt? Louis ist seit drei Jahren nicht mehr hier. Außerdem war er mein Assistent und ich habe jetzt einen Freund mit dem ich sehr glücklich bin. Diesen Satz eben hättest du dir wirklich sparen können. Ja, Louis war süß, aber das ist jetzt wirklich schon lange her. Zu lange, um noch groß daran zu denken. Also lass diese Anspielungen bitte sein, ja?" Er sah ihn kritisch an und der Physiotherapeut nickte. Er hatte erkannt, dass er eine Grenze überschritten hatte und entschuldigte sich schnell: „Tut mir Leid. Ich weiß ja, dass Anton dir gut tut und ihr glücklich seid. Aber ich habe heute den Artikel mit Louis gelesen und das Gefühl, dass er immer noch an dich denkt. Wieso hätte er dich sonst erwähnen sollen?" - „Ich denke, er benutzt mich nur, um ein Exempel für all die Patienten zu haben, denen er helfen will. Als Ansporn, es besser zu machen, als der Metzger, der bei mir damals am Werk war." Ja, sicherlich war das der Grund, weshalb Louis ihn ab und zu erwähnte und es machte Harry stolz, dass er eine Funktion als Ansporn für Louis innehatte. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn er noch etwas für Louis empfinden würde, dann würde sein Herz nicht nervös klopfen, wenn er an Anton dachte, er würde sich nicht auf seinen Feierabend freuen und darauf, etwas mit ihm zu unternehmen. Der blonde Schotte machte ihn glücklich und daran würde niemand etwas ändern können.

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Heute habe ich die 500 Follower Marke geknackt! Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass es am 31.12.2016 genau 100 waren. Vielleicht interessiert es auch Niemanden, aber ich habe hier gerade nur eine Person (Merliwa), der ich das erzählen kann und ich muss es unbedingt allen sagen, die es hören wollen. Ich freu mich so, dass sich Leute dafür interessieren, was ich schreibe! Es ist so motivierend! Danke für jeden einzelnen für euch!

LG

3 Years • Part IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt