Letzte Vorbereitungen für die Feiertage

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„Ihr kommt zu uns? Oh Harry, das freut mich so. Gemma und Alan kommen auch. Ach das ist schön. Ich mache euch dein altes Zimmer zurecht. Wann kommt ihr denn genau?", fragte seine Mutter, als Harry sie zwei Tage später abends anrief. „Ich habe am Heiligen Abend noch Dienst, aber die Feiertage frei. Wir kommen also abends am 24." - „Willst du wirklich so spät noch Autofahren?", fragte sie besorgt und Harry lachte: „Mum, ich bin alt genug und Anton ist auch noch da. Wir können uns abwechseln und werden schon ankommen."

Damit war also klar, dass sie Weihnachten in Holmes Chapel verbringen würden. Anton hatte in den letzten Tagen schon gepackt und dabei sorgfältig darauf geachtet, dass Harry sein Geschenk nicht zu Gesicht bekam.

„Freust du dich auf Zuhause?", fragte Anton und umarmte ihn von hinten. „Ja schon", murmelte Harry und legte das Telefon zurück auf den Tisch. „Was ist denn in den letzten Tagen mit dir los?", fragte Anton besorgt und drehte Harry zu sich um, damit er ihn ansehen konnte. „Mit mir ist alles okay. Wieso?" - „Nein ist es nicht. Du bist anders als sonst. Irgendwas beschäftigt dich doch. Du bist am Nachdenken und das sehe ich ganz genau an der kleinen Falte da zwischen deinen Augenbrauen. Also was ist los?" Harry seufzte und beschloss dann ehrlich zu seinem Freund zu sein. „Ich hab erfahren, dass ein ehemaliger Schüler demnächst nach Birmingham kommt um dort bei einem Kongress einen Vortrag zu halten. Er war bei mir kurz bevor ich dich kennengelernt hatte." Anton nickte langsam: „Und das Problem daran ist....welches?", fragte er und hob ratlos eine Augenbraue. Sein Freund war keiner von der eifersüchtigen Sorte, das wusste Harry und deswegen war er offen zu ihm. „Nun, Louis und ich hatten irgendwie eine gewisse Verbindung...ich würde sagen, dass es zwischen uns geknistert hat. Aber wir hatten irgendwie nicht den Mut aufeinander zuzugehen. Und jetzt sehe ich ihn bald wieder. Das ist einfach seltsam." - „Ja, das kann ich verstehen. Und jetzt überlegst du, wie du ihm gegenüber treten kannst, wenn ihr euch wiederseht." In Antons Blick lag vollkommenes Verständnis und Harry war wieder einmal unendlich dankbar dafür, dass er ihn als Freund hatte. Er war noch nie eifersüchtig gewesen, weil er Harry vollkommen vertraute und es machte ihn stolz. Er umarmte ihn, legte das Kinn auf seine Brust und sah zu Harry hoch: „Nun, ich denke, wenn du nichts mehr für ihn empfindest, dann solltest du die Sache locker angehen. Immerhin ist das jetzt drei Jahre her und auch er wird sich weiterentwickelt haben. Und wenn dich interessiert, was aus ihm geworden ist, dann solltest du diese Chance wirklich nutzen." - „Du bist nicht eifersüchtig?", fragte Harry und lächelte ein wenig irritiert. Wenn er an Antons Stelle gewesen wäre, hätte er anders reagiert, doch sein Freund schüttelte den Kopf: „Nein wieso sollte ich? Ich weiß, dass ich dir vertrauen kann." Er hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen und machte sich dann daran, sich umzuziehen. Er hatte heute Spätschicht im Restaurant und Harry würde ihn fahren.

„Was bekomme ich denn zu Weihnachten?", fragte Anton unschuldig, als sie nebeneinander im Wagen saßen. „Einen feuchten Händedruck, das hab ich dir doch schon gesagt", antwortete Harry und legte ihm die Hand auf den Oberschenkel. „Damit kann ich aber nichts anfangen", schmollte der Schotte und seufzte: „Das Russische Staatsballett ist bald in der Stadt...die würde ich gerne sehen..." Harry nickte absichtlich abwesend. Natürlich hatte er schon vor Monaten zwei Karten dafür besorgt und er wusste genau, dass Anton immer noch dachte, er hätte diesen Wunsch nicht auf dem Schirm. Genau das war der Plan, denn so gelang die Überraschung. „Und was bekomme ich von dir?" - „Einen Heiratsantrag...das hab ich dir aber auch schon gesagt. Du hörst mir aber auch nie zu." Anton lachte und streichelte Harrys Hand, dann sah er wieder nach vorne: „Du kannst mich hier gleich rauslassen, der Chef sieht es nicht so gerne, wenn man direkt vor dem Restaurant anhält." Harry blinkte und fuhr links ran, dann beugte er sich über die Mittelkonsole: „Schöne Schicht. Bis heute Abend Honey." - „Bist du noch wach, wenn ich komme?", fragte Anton und Harry gähnte. Er hatte Nachtschicht gehabt und war entsprechend müde: „Ich versuche es, aber versprechen kann ich dir nichts." Sie küssten sich, dann stieg Anton rasch aus, damit Harry mit dem Auto nicht die halbe Straße verstopfte. Er winkte ihm nochmal nach und fuhr dann wieder nach Hause.

Zuhause machte er sich daran, die Eintrittskarten für Anton schön einzupacken. Er schlug sie in glänzendes Papier ein und band eine Schleife darum, was erst nach mehreren Versuchen akzeptabel aussah. Dann legte er das Geschenk vorsichtig zwischen ein Hemd und eine Hose in seinen Koffer und machte sich eine Tasse Kaffee. Er hatte sich einige Unterlagen aus dem Krankenhaus mitgenommen, die er durcharbeiten musste und setzte sich damit an den Küchentisch.

Der Kaffee half ihm nicht wirklich dabei, wach zu werden. Er gähnte ununterbrochen und musste häufig einige Sätze zweimal lesen, bis er sie verstanden hatte. So wurde das Arbeiten nichts, beschloss er und klappte den Ordner wieder zu. Morgen hatte er seinen letzten Arbeitstag vor den Feiertagen und war froh darüber wenigstens zwei Tage frei zu haben. Heute hatte er die ganzen OP Berichte der letzten Tage korrigiert, die Valentina in den Computer eingetragen und dabei die Hälfte vergessen hatte. Seine Augen juckten und er dachte an Louis, der tadellos gearbeitet hatte. Wieso konnten nicht alle Assistenten so sein? Valentina hatte schlampig gearbeitet und er würde ihr nach den Feiertagen diesbezüglich auch eine Ansage machen. Ihr schien nicht klar zu sein, dass die Führung der Akten mit das Wichtigste an ihrem Beruf war und diese Aufgabe keineswegs auf die leichte Schulter genommen werden musste. Müde stand er auf, ging zum Sofa und ließ sich darauf fallen. Im TV lief ironischerweise eine Arzt Sendung und Harry schaltete rasch weg. Sowas konnte er sich nie anschauen. Arzt Serien waren immer so dermaßen unlogisch, dass er sich immer fragte, ob denn die Drehbuchautoren jemals den Fuß in ein Krankenhaus gesetzt hatten.

Abwesend klickte er sich durch die Programme und blieb schließlich bei einem Musiksender hängen, von dem er sich berieseln ließ. Sein Blick fiel auf die Zeitschrift auf dem Wohnzimmertisch und er nahm sie in die Hand. Er wollte Louis' Foto nochmal ansehen. Beim ersten Mal hatte er gar nicht so genau hingeschaut. Harry blätterte auf Seite 28 vor und schaltete die Leselampe ein. Louis hatte die Haare kürzer und einen Dreitagebart stehen gelassen. Er wirkte kantiger und irgendwie deutlich reifer, als noch vor drei Jahren, fand Harry. Der Bart verlieh seinem Gesicht eine sehr vorteilhafte Kontur und der Arztkittel, den er trug stand ihm gut. Ihm schien, als sei er ein wenig anders geschnitten, als die Kittel im St Elizabeth Hospital und Louis wirkte größer. Mild lächelte Harry und strich mit dem Finger über das Gesicht seines ehemaligen Assistenten.

Er konnte und wollte es sich nicht eingestehen, aber Louis gefiel ihm nach wie vor sehr gut. Was würde er nur zu ihm sagen, wenn sie sich auf dem Kongress trafen? Ob Louis ihn überhaupt wieder erkennen würde? Immerhin hatte auch er sich verändert. Seine Haare waren länger geworden und er bekam langsam aber sicher graue Schläfen. Anton mochte, es dass er älter wurde. Aber würde es Louis auf gefallen? Harry seufzte und legte die Zeitung weg. Er verhielt sich kindisch und ungerecht seinem Freund gegenüber. Er war in einer Beziehung und es hatte ihm vollkommen schnuppe zu sein, was ein anderer Mann über ihn denken mochte. Energisch klappte er die Zeitschrift wieder zu und warf sie auf den Tisch zurück, dann drehte er sich auf die Seite und schloss die Augen. Ein kleines Nickerchen war jetzt dringend nötig.

3 Years • Part IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt